Statthaftigkeit der VK - Abgrenzung zur Anfechtungsklage


leicht

Diesen Fall lösen 89,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Wegen möglicher Gesundheitsgefahren untersagt die zuständige Behörde ausnahmslos den Verkauf von Obst und Gemüse, das mit dem Insektenschutzmittel Y behandelt wurde. Landwirt L benutzt Y schon seit Jahren auf seinen Äckern. Er findet das Verbot unerhört und will klagen.

Einordnung des Falls

Statthaftigkeit der VK - Abgrenzung zur Anfechtungsklage

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage, wenn L den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt.

Ja, in der Tat!

Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist statthaft, wenn das Klagebegehren des Klägers gerichtet ist auf den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts (Versagungsklage) oder eines unterlassenen Verwaltungsakts (Untätigkeitsklage). Sie ist damit eine besondere Form der Leistungsklage. Ein Verwaltungsakt ist eine (1) hoheitliche Maßnahme einer (2) Behörde auf dem (3) Gebiet des öffentlichen Rechts (4) zur Regelung (5) eines Einzelfalls (6) mit Außenwirkung.

2. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Ja!

Aufdrängende Sonderzuweisungen sind nicht ersichtlich. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs richtet sich daher nach § 40 Abs. 1 VwGO. Es bedarf einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit, nichtverfassungsrechtlicher Art. Nach der Sonderrechtstheorie/modifizierten Subjektstheorie ist eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die streitentscheidenden Normen einen Hoheitsträger einseitig berechtigen oder verpflichten. Die hier einschlägigen streitentscheidenden Normen sind solche des öffentlichen Landesgesundheitsschutzrechts. Als Normen des besonderen Gefahrenabwehrrechts berechtigen und verpflichten sie einseitig Hoheitsträger. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt somit vor. Mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit ist die Streitigkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Art. Auch sind keine abdrängenden Sonderzuweisungen ersichtlich. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.

3. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren.

Genau, so ist das!

Zu prüfen ist, mit welcher Klageart der Kläger sein Vorhaben (= sein Klagebegehren) verfolgen will. Als verwaltungsgerichtliche Klagearten kommen in Betracht: (1) Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), (2) Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), (3) Feststellungsklage (§ 43 VwGO), (4) Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO), (5) allgemeine Leistungsklage, (6) Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO). Daneben treten Anträge des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80 Abs. 5, 123 Abs. 1, 47 Abs. 6 VwGO). Formulierungsbeispiel: "Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO)."

4. L begehrt, dass der Verkauf seines mit Y behandelten Obstes zugelassen wird. Die Verpflichtungsklage ist statthaft.

Nein, das trifft nicht zu!

L möchte weiterhin sein mit Y behandeltes Obst verkaufen können. Da der Verkauf dieses Obstes verboten ist, lässt sich das Begehren des L wirksam erreichen durch die Aufhebung des Verkaufsverbots. Dieses stellt einen Verwaltungsakt - hier in Form der Allgemeinverfügung (§ 35 S. 2 VwVfG) - dar. Das Klagebegehren des L ist mithin gerichtet auf die Aufhebung eines ihn belastenden Verwaltungsakts. Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist statthaft. Eine Verpflichtungsklage wäre daneben allenfalls dann statthaft, wenn L - ohne das Verbot angreifen zu wollen - den Erlass einer ihn begünstigenden Ausnahmegenehmigung begehrte. Dafür ist aber hier nichts ersichtlich.

Jurafuchs kostenlos testen


Jeylastar

Jeylastar

10.12.2020, 12:07:48

Die Frage beim Obst-Fall im Hinblick auf eine statthafte Verpflichtungsklage müsste „stimmt nicht“ sein - statthaft ist die Anfechtungsklage!

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

12.12.2020, 20:51:57

Hallo Jeylastar, bitte lese die 3. Frage nochmal genau. Diese lautet: Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage, WENN L den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt.

Isabell

Isabell

2.2.2021, 18:07:00

Also meiner Meinung nach begehrt Y eine für ihn geltende Ausnahme vom ansonsten ausnahmslos geltenden Verbot 🤔

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

4.2.2021, 00:34:41

Hallo Isabell, die Konstellation haben wir bei der letzten Frage am Schluss behandelt. Unseres Erachtens (Y findet das Verbot unerhört) ist das Klagebegehren so auszulegen, dass er die Aufhebung des Verbots begehrt. Die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung wäre die absolute Ausnahmekonstellation und daher, ohne nähere Anhaltspunkte, bei diesem Sachverhalt wohl nicht vertretbar. Etwas anderes mag gelten, wenn das Verbot nicht mittels VA sondern gesetzlich angeordnet würde. Dann wäre es plausibel wenn Y eine Ausnahmegenehmigung begehren würde. LG ;)

Isabell

Isabell

6.2.2021, 21:18:41

Ich kam auf den Gedanken, weil in der Frage explizit steht, dass er den Verkauf "seines Gemüses" und nicht generell den Verkauf von damit behandeltem Gemüse begehrt.

STE

Steven

30.10.2023, 19:37:41

Der gangbarere Weg wäre eine Anfechtungsklage gegen die AV, verbunden mit einer eventual-VK gerichtet auf eine Ausnahmegenehmigung im Falle des Unterliegens


© Jurafuchs 2024