Öffentliches Recht

VwGO

Anfechtungsklage

AK begründet, weil Ermächtigungsgrundlage fehlt

AK begründet, weil Ermächtigungsgrundlage fehlt

22. November 2024

4,8(12.697 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird ein formell rechtmäßiger Verwaltungsakt der Baubehörde B zugestellt, in dem sie aufgefordert wird, die Fassade ihres Hauses grün anzustreichen, weil das die Lieblingsfarbe der Bürgermeisterin ist. Eine gesetzliche Grundlage dafür gibt es nicht. A ficht den Verwaltungsakt an. Das Gericht hält die Klage für zulässig.

Diesen Fall lösen 95,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

AK begründet, weil Ermächtigungsgrundlage fehlt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Begründetheit der Anfechtungsklage setzt voraus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Ja!

Eine Anfechtungsklage ist begründet, soweit der (belastende) Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Geprüft wird die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts und die subjektive Rechtsverletzung des Klägers. Diesen in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO niedergelegten gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Prüfung der Anfechtungsklage solltest Du wirklich im Schlaf können. Die Anfechtungsklage ist die wohl häufigste Klageart in der Klausurpraxis. Sollte Dir der Maßstab doch mal entfallen, wirf einfach einen Blick in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Kann ein belastender Verwaltungsakt auch ohne Ermächtigungsgrundlage rechtmäßig ergehen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Rechtmäßigkeit eines belastenden Verwaltungsakts setzt aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes immer voraus, dass dieser aufgrund einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage ergangen ist. Fehlt eine solche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, ist der Verwaltungsakt allein aus diesem Grund schon materiell rechtswidrig. Laut Sachverhalt ist keine Ermächtigungsgrundlage ersichtlich, die der Baubehörde die Befugnis einräumt, wegen des Geschmacks einzelner Hoheitsträger einen Anstrich von Privateigentum anzuordnen. Der Verwaltungsakt ist (materiell) rechtswidrig. Fehlt in der Klausur eine Ermächtigungsgrundlage, kannst Du – wie immer – hilfsgutachterlich noch auf weitere Punkte eingehen, die eine Rechtswidrigkeit der Maßnahme begründen könnten. Hierbei kannst Du natürlich nur auf Punkte eingehen, die sich nicht aus der (nicht vorhandenen) Ermächtigungsgrundlage ergeben.

3. Der Verwaltungsakt könnte zusätzlich wegen ungerechtfertigten Eingriffs in As Recht aus Art. 14 Abs. 1 GG materiell rechtswidrig sein.

Ja, in der Tat!

Im Rahmen der materiellen Rechtswidrigkeit spielen neben den Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vor allem die Grundrechte des Betroffenen eine große Rolle. Verletzt der Verwaltungsakt Grundrechte, ist er materiell rechtswidrig. Die Vorgabe, A habe ihr Haus grün anzustreichen, berührt den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG. Sie wirkt sich negativ auf die Ausübung von As Eigentumsrecht aus. Selbst wenn eine gesetzliche Grundlage vorhanden wäre (Inhalts- und Schrankenbestimmung), ist nicht ersichtlich, dass diese Einschränkung gerechtfertigt wäre. Der Erlass des Verwaltungsakts aufgrund des persönlichen Geschmacks des Hoheitsträgers ist willkürlich. Der Verwaltungsakt ist auch aus diesem Grund materiell rechtswidrig. In der Klausur werden Dir in der Regel mehr Argumente zur Verfügung gestellt, um eine Grundrechtsverletzung ausführlicher zu diskutieren.

4. Der materiell rechtswidrige Verwaltungsakt verletzt A in ihren Rechten. Die Klage ist begründet.

Ja!

Ist der Kläger der Adressat eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, muss die subjektive Rechtsverletzung nicht zusätzlich geprüft werden. Dass der rechtswidrige Verwaltungsakt Wirkung für und gegen den Kläger entfaltet, beinhaltet die erforderliche Rechtsverletzung. Die Anfechtungsklage ist begründet und das Gericht hebt den Verwaltungsakt nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auf. Liegt eine Verletzung eines speziellen subjektiven Rechts vor, sollte diese aber genannt werden. A ist bereits als Adressat des materiell rechtswidrigen Verwaltungsakts in ihren subjektiven Rechten verletzt. Zudem verletzt der Verwaltungsakt ihre Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG. Die Klage ist begründet. Liegt eine subjektive Rechtsverletzung offensichtlich vor, kannst und solltest Du diesen Prüfungspunkt sehr knapp halten.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SEA

Seyit Ali

29.5.2023, 18:57:46

Hallo, ich hätte eine Frage bzgl. Sachverhalte, wo keine

Ermächtigungsgrundlage

besteht. Wenn ich keine

Ermächtigungsgrundlage

für das Handeln habe, dann kann ich ja auch nicht die formelle

Rechtmäßigkeit

prüfen. Kann ich dann, wenn ich beim Punkt "

Ermächtigungsgrundlage

" rausgeflogen bin, direkt zur materiellen

Rechtmäßigkeit

übergehen und da eine Verletzung etwaiger Grundrechte prüfen oder wie kann ich mir das vorstellen?

M0NAC0

M0NAC0

13.11.2023, 11:59:37

Eine Antwort hierzu wäre interessant, da sich aus der EGL ja Zuständigkeiten bspw. Herleiten oder nicht?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

3.7.2024, 14:33:41

Hallo in die Runde, danke für Eure Nachfragen. Ob und wie man im Hilfsgutachten weiter prüfen soll, ist von der konkreten Prüfung bzw. den Vorstellungen der prüfenden Person abhängig. Hier habt ihr natürlich Recht, dass man ohne eine

Ermächtigungsgrundlage

z.B. keinen Tatbestand hat, den man i.R.d. materiellen

Rechtmäßigkeit

prüfen kann. In der Klausur solltet ihr Euch nach dem Bearbeitervermerk richten bzw. überlegen, ob ihr Euch Probleme abschneidet, die im Sachverhalt offensichtlich angelegt sind, wenn ihr nicht weiter prüft. In dem hier gebildeten Fall wäre es wohl auch unschädlich, die Prüfung abzubrechen, nachdem die fehlende

Ermächtigungsgrundlage

festgestellt wurde. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

2.12.2023, 17:22:18

Meines Erachtens muss man nicht mehr weiterprüfen, wenn schon keine EGL für die belastende Maßnahme in Betracht kommt.

B333

b333

30.12.2023, 16:53:25

Tatsächlich bietet sich das an, im Hilfsgutachten weiter zu prüfen, ansonsten schneidet man sich den Schwerpunkt der Klausur ab (der meistens in der materiellen

Rechtmäßigkeit

liegt).

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

3.7.2024, 14:39:55

Hallo in die Runde, danke für die Anregungen. Ob und wie man im Hilfsgutachten weiter prüft, ist häufig nicht so klar. Ich habe das im Sachverhalt jetzt entsprechend deutlicher gemacht. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community

Weitere für Dich ausgwählte Fälle

Jurafuchs

§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO: AK unbegründet, weil heilbarer Formfehler

Baubehörde B erlässt nach vorheriger Anhörung gegenüber A schriftlich einen materiell rechtmäßigen Baustopp, weil sie ohne Baugenehmigung ein Wohnhaus errichtet. Der Bescheid enthält keine Begründung. A ficht den Verwaltungsakt an. Das Gericht hält die Klage für zulässig und setzt einen Termin zur mündlichen Verhandlung an.

Fall lesen

Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen