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A überfällt Juwelier J. Er steckt teure Uhren ein und flieht. J rennt A mit einem Revolver hinterher und gibt aus größerer Entfernung einen Schuss auf A ab. Ein gezielter Schuss ist J nicht möglich und er nimmt eine tödliche Verletzung des A in Kauf. Am Kopf getroffen, stirbt A.

Einordnung des Falls

Angriff auf Eigentum

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. J hat den objektiven Tatbestand des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) verwirklicht.

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Ja!

Der objektive Tatbestand umfasst beim vollendeten vorsätzlichen Begehungsdelikt den Eintritt, die Verursachung und die objektive Zurechnung des tatbestandlichen Erfolgs.J's Schuss ist nicht hinwegzudenken, ohne dass A's Tod (Erfolg § 212 StGB) entfiele (Kausalität). Das Abfeuern von tödlichen Schüssen auf Menschen ist ein von der Rechtsordnung missbilligtes Handeln. Die dadurch geschaffene Gefahr hat sich im Tod des J realisiert (Zurechnung).

2. J hat A vorsätzlich getötet. J hat den subjektiven Tatbestand des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) verwirklicht.

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Genau, so ist das!

Der Täter hat bedingten Vorsatz, wenn er sich mit dem als möglich erkannten Erfolg abfindet (Ernstnahmetheorie der hL) bzw. den als möglich erkannten Erfolg billigend in Kauf nimmt.J erkennt, dass mangels eines gezielten Schusses A tödlich getroffen werden könnte. Dennoch findet er sich mit dieser Möglichkeit ab und schießt.

3. J müsste auch rechtswidrig gehandelt haben. Das ist der Fall, wenn sein Verhalten nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist.

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Ja, in der Tat!

Eine Handlung ist rechtswidrig, wenn sie den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht und nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist. Bei der Anerkennung von Rechtfertigungsgründen geht es um die Frage, ob von dem generellen Verbot (im Fall des § 212 Abs. 1 StGB: „Du sollst nicht töten.“) unter den in Rechtfertigungsgründen näher umschriebenen konkreten Voraussetzungen im Einzelfall Ausnahmen gemacht werden. Mit den Rechtfertigungsgründen stehen den Straftatbeständen somit Erlaubnistatbestände gegenüber, die das rechtsgutsverletzende, tatbestandliche Verhalten ausnahmsweise gestatten.

4. Gerechtfertigt handelt, wer eine durch Notwehr gebotene Tat begeht. Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden (§ 32 StGB).

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Ja!

Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr setzt (1) einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff (Notwehrlage) sowie (2) eine erforderliche gebotene Verteidigungshandlung (Notwehrhandlung), die (3) von einem Verteidigungswillen gedeckt ist, voraus. Das Notwehrrecht dient dem Interesse des Einzelnen an einem effektiven Rechtsgüterschutz und verfolgt zudem generalpräventive Zwecke: Jeder erfolgreich abgewehrte Angriff zeigt, dass die Rechtsordnung nicht risikolos verletzt werden kann.

5. A hat das Eigentum des J angegriffen (§ 32 StGB).

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Genau, so ist das!

Die Notwehrlage wird durch einen (1) gegenwärtigen, (2) rechtswidrigen (3) Angriff begründet. Ein Angriff ist jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen. Notwehrfähig ist jedes dem Angegriffenen oder Dritten zustehende Gut und rechtlich anerkannte Interesse. Gegenstand eines Angriffs kann z.B. sein: Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, Eigentum, Vermögen, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am eigenen Bild.Darin, dass A sich mit den Uhren des J auf die Flucht begeben hat, liegt eine durch menschliches Verhalten drohende Verletzung des Eigentums des J.

6. Der Angriff des A auf das Eigentum des J war gegenwärtig.

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Ja, in der Tat!

Die Notwehrlage wird durch einen (1) gegenwärtigen, (2) rechtswidrigen (3) Angriff begründet. Gegenwärtig ist ein Angriff, der unmittelbar bevorsteht, begonnen hat oder noch andauert. Erst wenn der Angriff vollständig abgewehrt oder bereits ein endgültiger Verlust des Rechtsguts eingetreten ist, scheidet Notwehr aus. Beim Diebstahl dauert der Angriff so lange an, bis der Täter die Beute gesichert hat.Im Zeitpunkt der Schussabgabe war A mit den Uhren auf der Flucht, aber noch in Schussweite des J. A hatte die Uhren noch nicht gesichert.

7. Der Angriff war rechtswidrig.

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Ja!

Die Notwehrlage wird durch einen (1) gegenwärtigen, (2) rechtswidrigen (3) Angriff begründet. Rechtswidrig ist der Angriff, wenn er objektiv im Widerspruch zur Rechtsordnung steht. Einen Straftatbestand muss das Angriffsverhalten aber nicht erfüllen. An der Rechtswidrigkeit fehlt es, wenn der Angriff seinerseits durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist.Der Angriff auf das Eigentum des J steht objektiv im Widerspruch zur Rechtsordnung und erfüllt sogar einen Straftatbestand (Diebstahl, § 242 StGB). Eine Notwehrlage ist folglich gegeben.

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