Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2019
Anspruch auf Beseitigung von Birken bei Einhaltung des Grenzabstands durch den Nachbarn
Anspruch auf Beseitigung von Birken bei Einhaltung des Grenzabstands durch den Nachbarn
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Auf dem Grundstück des B stehen drei Birken. Der landesrechtlich vorgeschriebene Mindestabstand zur Grundstücksgrenze wird eingehalten. Trotzdem verursachen die Birken Dreck auf dem Nachbargrundstück des K. K verlangt die Entfernung der Birken und Zahlung einer Entschädigung.
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Einordnung des Falls
Anspruch auf Beseitigung von Birken bei Einhaltung des Grenzabstands durch den Nachbarn
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat gegen B einen Anspruch auf Beseitigung der Birken, wenn sie zu einer von B zu verantwortenden Beeinträchtigung des K führen (§ 1004 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. B ist Störer (§ 1004 Abs. 1 BGB), weil er Eigentümer des Grundstücks ist, auf dem die Birken stehen.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. B ist für die Störung "verantwortlich" (§ 1004 Abs. 1 BGB), da sich die Art und Nutzung seines Grundstücks nicht im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung hält.
Nein, das trifft nicht zu!
4. K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für die Beeinträchtigung durch die Birken (§ 906 Abs. 2 BGB).
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Pelin
15.12.2023, 17:49:05
Ich verstehe nicht ganz wieso man bei B nicht annehmen kann, dass er
Zustandsstörerist. Als Eigentümer des Grundstückes befindet sich die Beeinträchtigung in seinem Herrschaftsbereich oder verstehe ich das was falsch? Ich hätte eine Beeinträchtigung verneint und wäre gar nicht erst zur Störereigenschaft gelangt. Kann das jemand mal erläutern? :) Danke im Voraus!
GO
24.1.2024, 11:44:22
Ich verstehe leider auch nicht ganz, warum man bei der Störereigenschaft auf die "Verantwortlichkeit" abstellt? §1004 I ist doch gerade verschuldensunabhängig.
lexspecialia
8.4.2024, 14:59:18
Das würde mich auch Interessen
Peter
11.4.2024, 21:36:46
So wie ich das Urteil verstanden habe, stellt der BGH bei der Frage des
Zustandsstörers grundsätzlich darauf ab, ob sich der Zustand als ordnungsgemäße Bewirtschaftung darstellt. Sofern das so ist, soll eine
Zustandsstörereigenschaft nicht vorliegen. Zur Beurteilung der Frage greift der BGH dann auch auf die öffentlich-rechtlichen Normen über Abstandsregeln (wahrscheinlich LBO) zurück: sofern die Abstandsregeln eingehalten sind, handelt es sich um eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung und damit scheidet eine
Zustandsstörerschaft aus.
Sebastian Schmitt
17.9.2024, 09:30:52
Hallo @Pelin, vielen Dank Dir für die gute Nachfrage und den anderen für die Ergänzungen. Die Antwort von @Peter ist hier schon genau richtig. Von mir noch einige Ergänzungen: Zunächst scheint es mir nicht ganz unvertretbar, auch schon eine Beeinträchtigung abzulehnen. Man wird das allerdings wohl darauf stützen können, dass es sich hier um ein natürliches Phänomen handelt, für das B auch nicht einzustehen hat - was uns wiederum zu denselben, jetzt zu erörternden Grundsätzen bringt, die der BGH iRd Störereigenschaft thematisiert. Nach der st Rspr des BGH folgt die Störereigenschaft nicht allein aus dem Eigentum oder Besitz an einem Grundstück (manche nennen das die "Anlagentheorie" des BGH). Vielmehr bedarf es darüber hinaus einer "Sicherungspflicht", einer Verantwortlichkeit des Eigentümers oder Besitzers nach wertender Betrachtung. Bei Naturereignissen (wie hier) sei dafür insbesondere ausschlaggebend, ob der Eigentümer/Besitzer das Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaftet, bei Bäumen zB, ob die nachbarrechtlichen Abstandsregeln eingehalten werden (BGH NJW 2020, 607, 607 f). Um herauszufinden, warum der BGH dieses Kriterium eingeführt hat, müsste man noch deutlich tiefer graben. Meine Vermutung, ohne dass ich genau nachgeschaut habe: Eben wegen des fehlenden Verschuldenskriteriums wird die Haftung aus §
1004 BGBschnell uferlos. Mit einer zusätzlichen Stellschraube, die wertungsabhängig ist, behält sich der BGH ein erhebliches Maß an Entscheidungsfreiheit, um Einzelfällen gerecht zu werden. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Rechthaber
26.4.2024, 14:55:16
Ich hätte das Kriterium der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung mit den Anforderungen an die Abstandsflächen unter das Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit im Rahmen des 906 I. 1 subsumiert, anstatt die Störereigenschaft zu problematisieren. Finde das Kriterium der Erheblichkeit passend, weil 906 I 2 von "in der Regel "spricht und selbst als Indiz für die Erheblichkeit die Überschreitung von gesetzlichen Grenz und Richtwerten nennt zb TA Lärm. Bei den Abstandsflächen handelt es sich ja auch um nichts anderes als gesetzlich festgelegte Grenzwerte, die genauso wie die Richtwerte der TA Lärm eine Ausprägung des Rücksichtsnahmegebot darstellen. Würde mich um eine Antwort freuen, ob das eine vertretbare Lösung wäre. LG Marcel