Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen
Die ZVR-Klausur
Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO
Präklusion / maßgeblicher Zeitpunkt bei Rücktritt
Präklusion / maßgeblicher Zeitpunkt bei Rücktritt
12. Februar 2025
11 Kommentare
4,8 ★ (11.328 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S kauft von G ein iPhone. S bemerkt einen Sachmangel am iPhone und fordert G erfolglos unter Fristsetzung zur Nacherfüllung auf. Weil S nicht zahlen will, verklagt G ihn. S kümmert sich nicht darum und wird verurteilt. G will vollstrecken. S erklärt den Rücktritt.
Diesen Fall lösen 92,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Präklusion / maßgeblicher Zeitpunkt bei Rücktritt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. S kann zulässigerweise eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) erheben.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Vollstreckungsabwehrklage ist begründet, wenn S die Einwendung tatsächlich zusteht und nicht präkludiert ist.
Ja, in der Tat!
3. S ist mit der Einwendung des Rücktritts präkludiert (§ 767 Abs. 2 ZPO). Die Klage ist daher unbegründet.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Andeutungstheorie
31.1.2023, 17:25:34

Andeutungstheorie
31.1.2023, 17:42:21
Sorry das hat sich schon erledigt. War verwirrt. Es geht ja schließlich um die
Begründetheitder Vollstreckungsabwehrklage. Die ist unbegründet wenn S
präkludiertist.

Juraluchs
11.2.2023, 19:13:14
Der Fall zielt darauf natürlich nicht ab, aber durch die Geltendmachung des
Nacherfüllungsanspruches als umgewandeltem Leistungsanspruch müsste S § 320 geltend machen können bzw. als Einwendung berücksichtigt werden (str.?), sodass die Klage letztlich doch begründet wäre? Bin mir hier aber auch etwas unsicher und freue mich über Klärung!

Lukas_Mengestu
13.2.2023, 11:44:50
Hallo Juraluchs, auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 Abs. 1 BGB) hätte S hier schon im Vorprozess geltend machen können. Dann wäre lediglich eine Zug-um-Zug Ver
urteilung erfolgt. Da S dies unterlassen hat, ist er auch insoweit
präkludiert(§ 767 Abs. 2 ZPO) und kann sich auf diese Einwendung nicht im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage berufen. D.h. auch mit Blick darauf ist die Vollstreckungsabwehrklage unbegründet :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Teams

Juraluchs
14.2.2023, 08:58:23
Stimmt natürlich, mein Fehler! Vielen Dank, Lukas!

FW
14.10.2024, 12:54:46
Hi, Warum muss der Rücktrittsberechtigte den Rücktritt vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung erklären? Verstehe den Sinn und Zweck nicht ganz. Das dies der Rechtssicherheit dient ist mir noch zu abstrakt. Könnte das jemand vielleicht etwas konkreter erläutern? Danke im Voraus!
Elee
29.10.2024, 00:08:48
Du stellst die Frage, warum der
Schuldner sein Gestaltungsrecht innerhalb der nach § 767 Abs. 2 ZPO maßgeblichen Frist (§ 296a bzw. § 339 ZPO) geltend machen muss, um mit seiner Einwendung i.R.d.
Vollstreckungsgegenklagegehört zu werden. Die
Präklusiondes § 767 Abs. 2 ZPO dient – wie auch andere
Präklusionsvorschriften – der Absicherung der Rechtskraft von
Urteilen. Der
Schuldner kann nur solche materiell-rechtlichen Einwendungen vorbringen, die auf einer nachträglichen Änderung der
Tatsachenberuhen. Mit „nachträglich“ meine ich den Ablauf der o.g. Fristen. Gäbe es diese Vorschrift nicht, könnte der
Schuldner Einwendungen vorbringen, obwohl über deren (Nicht)Existenz bereits i.R.d. Erkenntnisverfahrens rechtskräftig entschieden worden ist. Die Rechtskraft des den zu vollstreckenden Anspruch feststellenden
Urteils könnte auf diese Weise ausgehebelt werden. Bei Gestaltungsrechten stellt sich hier die Schwierigkeit, dass der Zeitpunkt ihrer Entstehung und Wirkungsentfaltung typischerweise auseinanderfallen, weil letztere eine Rechtshandlung des Berechtigten erfordert (die Gestaltungserklärung), erstere aber ex lege eintritt. So erklärt sich das Problem, ob man für die Gründe, auf denen die Einwendung beruht, auf die Gestaltungslage oder auf die Ausübung des Gestaltungsrechts abstellt. Hält man es wie die Rspr., entscheidet man sich für eine konsequente Umsetzung des Normzwecks, die Rechtskraft abzusichern (während die letztere Auslegungsvariante in dogmatischer Hinsicht stimmiger wäre). Von Bedeutung ist dabei der Sinn und Zweck der Rechtskraft: Könnte der zur Ausübung eines Gestaltungsrechts Berechtigte von seinem Gestaltungsrecht auch noch nachträglich Gebrauch machen und i.R.d. Vollstreckungsabwehrklage als materiell-rechtliche Einwendung geltend machen, bestünde für ihn womöglich ein Anreiz, die „finale“ Entscheidung durch die Gerichte hinauszuzögern. Im Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden und möglichst kostenschonenden Justiz (Prozessökonomie) ist es den Parteien zu versagen, Prozessverschleppung zu betreiben. Was wären etwa die Mühen, die der Kläger zur Durchsetzung seiner Rechte unternimmt, noch wert, wenn er sich auf das ihm Recht gebende und (zb. wegen Ablaufs der Rechtsmittelfristen, § 705 S. 1 ZPO) formell rechtskräftig gewordene
Urteilnicht verlassen kann? Das Vertrauen in die Justiz ist essenziell für einen funktionierenden Rechtsstaat. Letztlich fördert die Rechtskraft damit auch den Rechtsfrieden. Dieses gewichtige Interesse der Allgemeinheit an der Verbindlichkeit rechtskräftiger
Urteile rechtfertigt das Zurücktreten des Individualinteresses an der Einwendung (hier) der nachträglichen Ausübung eines Gestaltungsrechts. Ich hoffe, das beantwortet deine Frage.

FW
30.10.2024, 10:12:34
@[Elee](134555) Danke!!! Sehr verständlich und ausführlich erklärt.