Öffentliches Recht

VwGO

Verpflichtungsklage

Begründetheit VK: Fehlende Spruchreife: Bescheidungsurteil

Begründetheit VK: Fehlende Spruchreife: Bescheidungsurteil

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Aktivistin A plant einen Informationsstand zur deutschen Klimapolitik an einer Bundesstraße. Sie beantragt dafür eine Sondernutzungsgenehmigung. Die Straßenbaubehörde lehnt diese mit der Begründung ab, dass solche Aktionen nicht unter eine Sondernutzung fielen und sie daher keine Genehmigung erteilen dürfe.

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Einordnung des Falls

Begründetheit VK: Fehlende Spruchreife: Bescheidungsurteil

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die von A erhobene Verpflichtungsklage ist zulässig. Die Begründetheit wird in der Regel nach dem sog. Anspruchsaufbau geprüft.

Genau, so ist das!

Liegen die Sachurteilsvoraussetzungen vor, muss im Rahmen der Begründetheit der Verpflichtungsklage geprüft werden, ob die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Dies ist der Fall, wenn der Kläger einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts hat. Dass die Behörde diesen Anspruch nicht erfüllt, begründet die (rechtswidrige) Verletzung der subjektiven Rechte des Klägers. Nach dem Anspruchsaufbau muss (1) eine passende rechtmäßige Anspruchsgrundlage vorliegen, (2) die Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsgrundlage erfüllt sein und (3)geprüft werden, ob die Behörde die richtige Rechtsfolge gewählt hat.
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2. Für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis an einer Bundesstraße fehlt es schon an einer passenden Anspruchsgrundlage.

Nein, das trifft nicht zu!

In der Begründetheit der Verpflichtungsklage muss nach dem sog. Anspruchsaufbau zunächst eine rechtmäßige Anspruchsgrundlage vorliegen, die zum Klagebegehren passt. A begehrt die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis an einer Bundesstraße. Diese richtet sich nach § 8 FStrG und kann grundsätzlich erteilt werden. Von der Rechtmäßigkeit der Norm ist auszugehen. Es kann vorkommen, dass Du mit Dir unbekannten Anspruchsgrundlagen arbeiten musst. In der Regel wirst Du aber Hinweise im Sachverhalt finden, die Dir dabei helfen, die richtige Norm zu finden. Manchmal ist diese sogar mit abgedruckt. Nimm Dir die Zeit, die unbekannte Norm in Ruhe zu lesen und schaue Dir auch mal die Vorschriften „drumherum“ an.

3. As geplanter Stand ist eine Sondernutzung. Die Straßenbaubehörde kann daher grundsätzlich eine Sondergenehmigung erteilen.

Ja!

Der Tatbestand von § 8 FStrG setzt voraus, dass eine Sondernutzung begehrt wird. Eine Sondernutzung ist eine Nutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus (§ 8 Abs. 1 S. 1 FStrG). Gemeingebrauch ist die Nutzung der Bundesfernstraßen im Rahmen der Widmung und der verkehrsbehördlichen Vorschriften zum Verkehr (§ 7 Abs. 1 S. 1 FStrG). Kein Gemeingebrauch liegt z.B. dann vor, wenn jemand die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt (§ 7 Abs. 1 S. 3 FStrG). A will die Straße nicht zum Verkehr nutzen, sondern einen Informationsstand errichten. Dies ist eine Sondernutzung im Sinne von § 8 FStrG. Der Tatbestand ist erfüllt.

4. Die Rechtsfolge des § 8 FStrG sieht eine gebundene Entscheidung der Straßenbaubehörde vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis steht im Ermessen der Behörde. Das heißt, dass nicht jeder Antrag auf Sondernutzungserlaubnis genehmigt werden muss, nur weil der Tatbestand von § 8 FStrG erfüllt ist. Allerdings muss die Behörde ihr Ermessen rechtmäßig ausüben. Als Ermessensfehler kommen in Betracht: (1) Ermessensnichtgebrauch, (2) Ermessensfehlgebrauch, (3) Ermessensüberschreitung. Weiterhin kann es Fälle geben, in denen das Ermessen auf Null reduziert ist, da die Behörde im konkreten Fall nur eine einzige rechtmäßige Entscheidung treffen kann.

5. Das Gericht kann die Straßenbaubehörde dazu verpflichten, die Genehmigung an A zu erteilen.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Gericht kann die Behörde nur dann zum Erlass eines konkreten Verwaltungsakts verpflichten, wenn die Sache spruchreif ist (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Dies kommt in der Regel dann nicht in Betracht, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung der Behörde handelt. In diesen Fällen wäre ein Vornahmeurteil eine unzulässige Beschränkung der Exekutiven. Es kommt nur ein Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO) in Betracht. Das Gericht verpflichtet die Behörde, den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu prüfen und den Antragsteller erneut zu bescheiden. Über den konkreten Inhalt des neuen Verwaltungsakts entscheidet aber weiterhin ausschließlich die Behörde. Vorliegend kommt der Behörde ausweislich der einschlägigen Rechtsgrundlage des § 8 FStrG Ermessen zu. Das Gericht kann daher die Behörde nur zur ermessensfehlerfreien Neubescheidung des Klägers verurteilen.

6. Hier hat die Behörde ihr Ermessen von vornherein nicht ausgeübt. Es liegt damit ein Ermessensfehler vor. Die Verpflichtungsklage ist begründet.

Ja!

Ist an den Tatbestand der Anspruchsgrundlage eine Ermessensentscheidung der Behörde geknüpft, so kann die Entscheidung der Behörde nur auf das Vorliegen sog. Ermessensfehler überprüft werden. Von einem Ermessensnichtgebrauch spricht man, wenn die Behörde keinerlei Ermessenserwägungen anstellt, obwohl ihr von Gesetzes wegen Ermessen zusteht. Hier hat die Straßenbaubehörde von vornherein keine Abwägung vorgenommen, weil sie davon ausgegangen ist, dass § 8 FStrG nicht einschlägig sei. A hat daher einen Anspruch auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO). Die Verpflichtungsklage ist begründet. Der Ermessensnichtgebrauch wird auch als Ermessensunterschreitung bezeichnet.
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