Irrtum bzgl. Rechtswidrigkeit

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist mit O auf einer Kneipentour. T gibt vor, sein Geld vergessen zu haben und bittet O, ihm €50 für die Getränke zu „leihen“. In Wahrheit denkt T, dass O ihm noch €50 schulde und er so wieder an sein Geld komme. Tatsächlich schuldet D, und nicht O, dem T die €50.

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Einordnung des Falls

Irrtum bzgl. Rechtswidrigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat O durch Täuschung zu einer Vermögensverfügung bewegt, § 263 StGB.

Genau, so ist das!

Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt . T täuschte O über seine Absicht, ihm O die €50 später wieder zurückzahlen zu wollen und rief einen entsprechenden Irrtum bei ihm hervor. Indem O dem T die €50 gegeben hat, hat er über sein Vermögen verfügt.
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2. O erlitt einen Vermögensschaden.

Ja, in der Tat!

Ein Vermögensschaden ist ein negativer Saldo, welches im Wege einer Gesamtbetrachtung aller Zu- und Abflüsse im Zusammenhang mit der Vermögensverfügung ermittelt wird.. Bleibt die in Aussicht stehende Gegenleistung hinter der versprochenen Leistung des Opfers zurück, so ist dessen Vermögensbestand gemindert, also auf seiner Seite ein Schaden eingetreten. Das Vermögen des O wurde um €50 gemindert. Da T kein Interesse an der Rückzahlung hat, ist Os Rückzahlungsanspruch (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB) kein wirtschaftliches Äquivalent, sodass ein negativer Saldo vorliegt.

3. T handelte mit Bereicherungsabsicht.

Ja!

Die Bereichungsabsicht ist die Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. (dolus directus 1. Grades). Dabei ist ein Vermögensvorteil jede wirtschaftliche Besserstellung des Täters oder des Dritten. T wollte sich einen Vermögensvorteil in Form der €50 verschaffen.

4. T hatte keinen Anspruch auf die €50 und hat sich damit wegen vollendeten Betruges strafbar gemacht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die erstrebte Bereicherung muss rechtswidrig sein. Der Vorsatz des Täters muss sich auch auf die Rechtswidrigkeit beziehen, wobei dolus eventualis genügt. Die erlangte Bereicherung ist rechtswidrig, wenn der Täter (oder der begünstigte Dritte) keinen fälligen und einredefreien Anspruch auf den erlangten Vorteil hat oder durch ihn die Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs abwehren kann. T geht irrig davon aus, dass er einen Anspruch gegen O auf €50 hat. Dadurch entfällt sein Vorsatz nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB hinsichtlich des Schadens und hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Bereicherung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAN

Daniel

16.12.2022, 16:12:36

Der Fall verwirrt mich. Müsste nicht die

Bereicherungsabsicht

(=Absicht rechtswidriger Bereicherung) bereits zu verneinen sein?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.12.2022, 16:43:18

Hallo Daniel, in diesem Fall haben wir die

Bereicherungsabsicht

absichtlich in die einzelnen Unterprüfpunkte aufgeteilt um diese zu verdeutlichen. Die gängige Definition lautet Absicht rechtswidriger Bereicherung. Daher prüfen wir erst die

Bereicherungsabsicht

als solche und in einem zweiten Schritt die Rechtswidrigkeit also das Fehlen eines entsprechenden Anspruchs. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

FABY

Faby

18.4.2023, 20:18:29

Ich finde die Art der Fragestellung auch verwirrend und bin auch "drauf reingefallen". Noch verwirrender ist, dass nach der Frage, ob

Bereicherungsabsicht

vorliegt (was bejaht wird), dann die Definition folgt ("

Bereicherungsabsicht

ist die Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen") und man sich dann direkt denkt: Hä? Ja ist doch rechtswidrig in dem Fall? Also die Art der Fragestellung und die Subsumtion passt nicht zur Definition, die einem dann präsentiert wird. Vielleicht kann man die Fragestellung konkretisieren, indem man deutlicher macht, dass man mit "

Bereicherungsabsicht

" noch nicht auch das Element der Rechtswidrigkeit meint, z.B. als Frage: "Es müsste Absicht rechtswidriger Bereicherung vorliegen. Dazu müsste zunächst

Bereicherungsabsicht

vorliegen. Liegt hier

Bereicherungsabsicht

vor?". Ist zwar so etwas länger, aber man tappt nicht in die Falle und wundert sich. Vielleicht habt ihr ja auch eine andere Formulierungsidee...

Kind als Schaden

Kind als Schaden

29.11.2023, 14:18:53

Fabys Kritik ist vollständig zu unterschreiben, die Aufgabe müsste dringend überarbeitet werden mMn.

JO

JohnnyLbd

1.7.2024, 12:19:54

Hey, ich kann die Subsumtion nicht ganz nachvollziehen: "Dadurch entfällt sein

Vorsatz

nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB hinsichtlich des Schadens und hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Bereicherung" Im Subjektiven Tb prüfen wir ja zuerst a.

Vorsatz

, wo wir dann meiner Ansicht nach aufgrund des Tb-Irrtums des T gem. § 16 I StGB rausfallen. Die Subsumtion geht ja aber gerade auch auf die Rechtswidrigkeit der Bereicherung ein, welche doch erst im nächsten Punkt nach

Vorsatz

unter b.

Bereicherungsabsicht

zu prüfen wäre und damit hier nichtmal relevant oder ? Kann mir das jemand erklären ?

PAT

Patrick4219

30.7.2024, 14:09:55

Ich glaube dein Problem ist ledoglich, dass vorliegend ein anderer Aufbau gewählt wurde. Hier hat man die

Bereicherungsabsicht

vor dem

Vorsatz

geprüft. Dies ist meiner Meinung nach auch in Ordnung bzw. richtig, da wir zB beim Mord die subjektiven Mordmerkmale ja auch vor dem

Vorsatz

prüfen (Vorrang des Speziellen vor dem Allgemeinen).


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