Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Verwaltungsrecht BT: Versammlungsrecht
Aufhebung des Versammlungsverbot der Corona-Demonstration
Aufhebung des Versammlungsverbot der Corona-Demonstration
31. Mai 2025
9 Kommentare
4,7 ★ (17.857 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Querdenker Q meldet für den 29.08. eine Demo mit 20.000 Teilnehmern an. Die zuständige Behörde P erlässt am 26.08. wegen der Infektionsgefahr ein Versammlungsverbot und stützt sich auf Erfahrungen aus vergangenen Querdenker-Demos. P ordnet auch die sofortige Vollziehbarkeit an.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Aufhebung des Versammlungsverbot der Corona-Demonstration
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Statthafter Rechtsbehelf gegen die Anordnung des P ist ein Antrag des Q auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Antrag des Q ist begründet, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das Aussetzungsinteresse des Q das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.
Genau, so ist das!
3. Rechtsgrundlage für den Erlass des Versammlungsverbots ist § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG).
Ja, in der Tat!
4. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG setzt voraus, dass der Verdacht besteht, dass die öffentliche Sicherheit durch die Versammlung gefährdet wird.
Nein!
5. Bei Durchführung der Versammlung ist eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hinreichend konkret zu erwarten, denn die Teilnehmer tragen keinen Mund-Nasen-Schutz.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Die unmittelbare Gefährdung ergibt sich hier aus der mangelnden Befolgungsbereitschaft der Teilnehmer hinsichtlich des Mindestabstands, die auch bei vergangenen Querdenker-Demos zu erkennen war.
Nein, das trifft nicht zu!
7. Eine hinreichend konkrete Gefährdung ergibt sich aus der kritischen Haltung der Teilnehmer gegenüber Corona-Maßnahmen und der Nähe der Versammlung zur rechtsextremen Szene.
Nein!
8. Hier besteht somit keine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersG sind nicht erfüllt.
Genau, so ist das!
9. Der Antrag des Q auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO) ist begründet.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
urmomlinda
10.2.2021, 09:24:27
Zur Rechtsgrundlage für das Verbot: wird 15 VersG nicht von 28 I 2 Infektions
schutzgesetzverdrängt? Schließlich hat der Gesetzgeber in 28 I 3 InfSchG Art. 8 explizit als einschränkbares Grundrecht genannt?

Wendelin Neubert
10.2.2021, 23:10:22
Liebe urmolinda, vielen Dank für deine interessante Rechtsfrage, die nicht abschließend geklärt ist: Nach dem Spezialitätsgrundsatz müsste ein Versammlungsverbot, das mit Infektionsschutz begründet wird, auf 28 Abs. 1 IfSG gestützt werden (so VG Neustadt a.d. Weinstraße,
Beschlussvom 02.04.2020 - 5 L 333/20.NW -, RdNr. 21f.). Darauf deutet auch 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG hin. Andere Gerichte stützen Corona-bedingte Versammlungsverbote auf 15 Abs. 1 VersG (zB VGH Kassel,
Beschlussvon 14.04.2020 - 2 B 985/20 -, RdNr. 10). Das OVG hat sich dazu nicht geäußert. Das BVerfG hat in seiner Eilentscheidung im vorliegenden Fall nicht beanstandet, dass das Verbot auf 15 Abs. 1 VersG gestützt wurde (
Beschlussvom 30.08.2020 - 1 BvQ 94/20 -, RdNr. 16), ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen.

Wendelin Neubert
10.2.2021, 23:11:15
Allerdings dürfte dies im Ergebnis nicht entscheidend sein: Maßgeblich ist, dass die besondere Bedeutung, die
Art. 8 GGbeansprucht, bei allen Versammlungsverboten berücksichtigt werden muss - ob im Rahmen von 15 Abs. 1 VersG oder 28 Abs. 1 IfSG. Hoffe das beantwortet deine Frage! Beste Grüße - Wendelin, für das Jurafuchs-Team
Milian
26.9.2021, 18:39:51
Liebes Team, In Berlin gilt inzwischen ein spezielleres eigenes VersG. Habt ihr bewusst (zB aus Lehrzwecken) auf die Anwendung dessen zugunsten des Bundes-VersG
verzichtet?

Lukas_Mengestu
4.10.2021, 14:53:34
Hallo Milian, vielen Dank für den Hinweis! Da das
Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin erst zum 28.02.2021 in Kraft getreten ist, hatte das OVG hier noch unter
Verwendungder "alten" Gesetzeslage entschieden. Bei neueren Entscheidungen werden wir aber natürlich auch das neue Landesrecht verlinken, wobei sich im Bezug auf den konkreten Fall dadurch inhaltlich nichts ändert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
lisi99
24.5.2022, 07:47:04
Hallo, weshalb findet hier das Bundes- und nicht das Landesrecht a Anwendung (weil im Sachverhalt kein Land steht oder war das im Originalfall auch so)?

Lukas_Mengestu
24.5.2022, 09:41:48
Hallo lisi99, da es in unserem Sachverhalt an einem Hinweis auf das Bundesland fehlt, ist hier in der Tat das Bundesgesetz anzuwenden. Zum Zeitpunkt der Entscheidung gab es zudem das
Versammlungsfreiheitsgesetz noch nicht (erst am 28.2.2021 in Kraft getreten), sodass auch das VG Berlin bzw. OVG Berlin-Brandenburg Bundesrecht angewandt haben :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team