Bekanntgabe eines Widerspruchsbescheids

12. Dezember 2024

4,8(13.787 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Wegen andauernder Pöbelei erhält Radaubruder R einen Platzverweis für einen Monat. R legt Widerspruch ein. Die Widerspuchsbehörde hilft dem Widerspruch nicht ab und erlässt den Widerspruchsbescheid. Diesen übergibt Behördenleiter B dem R persönlich.

Diesen Fall lösen 81,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Bekanntgabe eines Widerspruchsbescheids

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Widerspruchsbescheid ist ein Verwaltungsakt. Er bedarf deshalb für seine Wirksamkeit der Bekanntgabe. Die Bekanntgabe als solche ist zu unterscheiden von der Ordnungsgemäßheit der Bekanntgabe.

Ja!

Die Bekanntgabe als solche bzw. Bekanntgabe im Rechtssinne ist Wirksamkeitsvoraussetzung des Verwaltungsakts (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG). Davon zu unterscheiden ist die Ordnungsgemäßheit bzw. Form der Bekanntgabe. Sie richtet sich nach § 41 VwVfG sowie den Formvorschriften des § 37 Abs. 2-4 VwVfG und Spezialvorschriften. War die Bekanntgabe nicht ordnungsgemäß, hat dies nach h.M. grundsätzlich nicht die Unwirksamkeit zur Folge. Fehler bei der Form der Bekanntgabe können geheilt werden oder unbeachtlich sein. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe ist maßgeblich für die Berechnung der Widerspruchs-/Klagefrist (§§ 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 S. 2 VwGO).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Weil der Behördenleiter R den Widerspruchsbescheid unmittelbar übergab, ist die Bekanntgabe unwirksam.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 41 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Für den Widerspruchsbescheid ist eine besondere Form der Bekanntgabe gesetzlich vorgeschrieben: Der Widerspruchsbescheid wird von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zugestellt (§ 73 Abs. 3 S. 2 VwGO). Diese Form der Bekanntgabe ist maßgeblich (§ 41 Abs. 5 VwVfG). Die Zustellung kann nicht nur durch Postzustellungsurkunde, Übergabeeinschreiben oder Einschreiben mit Rückschein (§§ 3f. VwZG) erfolgen. Vielmehr kann die Behörde die Zustellung auch selbst ausführen (§ 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 3 VwZG iVm § 5 VwZG).Der Behördenleiter ist ein Bediensteter iSv § 5 Abs. 1 VwZG, sodass auch die persönliche Übergabe eine wirksame Bekanntgabe darstellt.Zu Beweiszwecken muss der Empfänger ein Empfangsbekenntnis unterschreiben (§ 5 Abs. 1 S. 3 VwZG).
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Melanie 🐝

Melanie 🐝

16.1.2021, 11:44:06

Ich finde es gut, dass es in dem Level immer rum den gleichen

Grundfall

(pöbelnder R) ging und dann Abwandlungen deutlich wurden 👌 so musste man sich weniger in einen neuen Fall reindenken

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

17.1.2021, 15:12:50

Danke für das Lob Melanie! Gebe es an die fallerstellenden Kolleg*innen weiter!

Sassun

Sassun

11.11.2024, 16:31:51

Weil die Unterscheidung in Bekanntgabe als solche und Ordnungsgemäßheit der Bekanntgabe so gepredigt wurde, hier eine kleine Aufbaufrage. Würde man im Gutachten dann mit (gedanklich) a) Bekanntgabe als solche (1) Sachlich zuständige

Behörde

(2) In Amtlicher Eigenschaft (3) Bekanntgabewille (4) Inhaltseröffnung ggü. Betroffenem beginnen um dann später in der formellen

Rechtmäßigkeit

die Ordnungsgemäßheit der Bekanntgabe zu prüfen? (hier dann insb. VwZG).

LELEE

Leo Lee

1.12.2024, 08:32:12

Hallo Sassun, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Du hast völlig Recht. Da all diese Punkte zu einer ordnungsgem. Bekanntgabe gehören, müsste man in einem Fall, in dem die Bekanntgabe schwerpunktmäßig behandelt wird, all diese Punkte ggf. schematisch durchgehen. Es kann natürlich sein, dass es bestimmte Überschneidungen gibt zw. der form. RMK und der Bekanntgabe. In den allermeisten Fällen überschneiden sich die Punkte nicht, zumal bei der form. RMK außer Zust., Verfahren und Form die Bekanntgabe grds. nicht behandelt wird. I.Ü. kann ich hierzu die Lektüre vom Schoch/Schneider, Baer

§ 41 VwVfG

Rn. 21 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen