Maßgeblicher Zeitpunkt 1
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B ist Bucheigentümer eines Grundstücks, das in Wahrheit E gehört. B lässt das Grundstück an G auf. E stellt aufgrund einstweiliger Verfügung den Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs. Dann stellt G den Eintragungsantrag. Im Anschluss wird der Widerspruch ins Grundbuch eingetragen. Danach wird G als Eigentümer eingetragen.
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Einordnung des Falls
Maßgeblicher Zeitpunkt 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. G hat Eigentum nach §§ 873, 925 BGB erworben.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. G könnte gutgläubig Eigentum nach §§ 873, 925, 892 Abs. 1 BGB erworben haben.
Ja!
3. Der hier eingetragene Widerspruch des E ist unbeachtlich, da er zum nach § 892 Abs. 2 BGB maßgeblichen Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Eintragung noch nicht eingetragen war.
Nein!
4. G hat daher nicht nach §§ 873, 925, 892 Abs. 1 BGB gutgläubig Eigentum erworben.
Genau, so ist das!
5. § 892 Abs. 2 BGB ist auf den nach Stellung des Antrags auf Eintragung eingetragenen Widerspruch aber analog anzuwenden.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
evanici
17.9.2023, 20:07:26
Vielleicht verstehe ich es auch komplett falsch, dann einfach ignorieren... Aber könnte man nicht seinerseits für den Widerspruch auf den Gedanken von § 878 abstellen, dass es auf die Stellung des Antrags ankommt, sodass E das seinerseits Erforderliche getan hat, um die Wirkung des Widerspruchs herbeizuführen? Die Gutgläubigkeit bezieht ich in § 892 ja ausdrücklich nur auf die
positive Kenntnisund gerade nicht auf den Widerspruch, der ja den gutgläubigen Erwerb auch bei dessen fehlender Kenntnis sperrt...
Blotgrim
13.4.2024, 11:56:27
Ich glaube dass ist gar nicht nötig, da wir 892 II gar nicht anwenden, wenn ein Widerspruch eingetragen ist, auch wenn der Antrag auf Eintragung vor der Eintragung des Widerspruchs erfolgt. Deswegen müssen wir die Wirkung des Widerspruchs gar nicht vor verlagern
CR7
24.1.2024, 19:32:10
Ich verstehe nicht ganz, warum G hier nicht gutgläubig ist, der Einigungsantrag wurde doch vor Eintragung des Widerspruchs gestellt, damit lagen ja alle Voraussetzungen vor, oder kommt es auf die Eintragung selbst an?
CR7
25.1.2024, 09:58:45
Hat sich erledigt!
ajboby90
13.3.2024, 12:45:01
Warum hat es sich erledigt? Die Frage scheint mir berechtigt.
CR7
13.3.2024, 12:46:24
Ich meinte, für mich persönlich.
Flohm
26.8.2024, 15:25:21
@CR7 vielleicht kannst du kurz erklären, warum es für dich nun klar geworden ist.
Tobias Krapp
27.8.2024, 08:23:19
Hallo in die Runde, für @[ajboby90](222400), @[Flohm](210957) und alle Mitleser hier die Erklärung dazu: Der für § 892 BGB maßgebliche Zeitpunkt ist grundsätzlich der der Vollendung des Rechtserwerbs, also hier der Eintragung. Grundsätzlich müssen zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 892 BGB vorliegen. § 892 II BGB trifft hiervon für die Gutgläubigkeit eine abweichende Regelung: Ist beim Rechtserwerb die Eintragung erforderlich, so ist für die Gutgläubigkeit der Zeitpunkt der Stellung des Antrags (oder der Einging, falls diese später erfolgt) maßgeblich. § 892 II BGB gilt aber ausweislich des eindeutigen Wortlauts NUR für die Gutgläubigkeit. § 892 II BGB führt nicht dazu, dass generell für alle Voraussetzungen des § 892 I BGB der Zeitpunkt der Antragsstellung maßgeblich ist. § 892 II BGB ist also eine Ausnahme für die Gutgläubigkeit, keine allgemeine Regel. Für den Rest der Voraussetzungen gilt, dass maßgeblicher Zeitpunkt die Vollendung des Rechtserwerbs ist. Das gilt also auch für den Widerspruch. Ist ein solcher daher zum Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs eingetragen, ist ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich. Man käme darüber nur durch eine analoge Anwendung des § 892 II BGB auf den Widerspruch hinweg. Aus dem oben gesagten ergibt sich aber unmittelbar, warum dies nicht möglich ist. Zum einen (klassische Argumentation gegen eine Analogie, die euch so immer wieder begegnet): § 892 II BGB ist eine Ausnahmevorschrift. Ausnahmevorschriften analog anzuwenden wäre systemwidrig, da sie ja gerade eine AUSNAHME sind, und kein allgemeiner Rechtsgedanke, der sich auf andere Situationen übertragen lässt. Es besteht insoweit schon keine planwidrige Regelungslücke. Zum anderen besteht auch keine vergleichbare Interessenslage: § 892 II BGB bezieht sich auf die subjektiven Voraussetzungen. Der Widerspruch ist aber eine objektive Voraussetzung. Ob der Erwerber diesen kennt ist ohnehin egal, nur das Vorhandensein ist entscheidend. Daher ist im Ergebnis bei einem eingetragenen Widerspruch vor Eintragung kein gutgläubiger Erwerb anzunehmen. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
Flohm
27.8.2024, 09:56:39
Ach so! Super, vielen lieben Dank, jetzt hab auch ich es endlich verstanden! Eine Frage hab ich aber doch noch: Wann ist denn für den Erwerb eines Rechts die Eintragung nicht erforderlich ? Also wann ist man bei §892 I und nicht bei der Ausnahme in Abs. 2 ?
Tobias Krapp
27.8.2024, 11:48:02
Hallo Flohm, die Fälle, in denen eine Eintragung zum Rechtserwerb nicht erforderlich ist, sind sehr selten und nicht klausurrelevant. Man kann allenfalls an die Übertragung einer
Briefhypothekdenken, für die aber ohnehin noch besondere Vorschriften existieren. Zu den übrigen exotischen Fällen, in denen kein Eintragungserfordernis besteht, kann ich, falls es dich interessiert, MüKo BGB § 873 Rn. 95 empfehlen. Man ist bei der Frage der Gutgläubigkeit also regelmäßig im Abs. 2. Aber eben - wie oben erklärt - NUR für diese, nicht auch für die übrigen Voraussetzungen, wie den Widerspruch. Im Übrigen habe ich aufgrund der Nachfragen hier unter dieser Aufgabe und unter anderen Aufgaben in der Lektion die Aufgabe hier ergänzt, damit die Thematik um § 892 BGB etwas klarer wird. Danke an alle für eure Anmerkungen und Nachfragen, durch das Nachhaken merken wir, wo wir unsere Aufgaben noch ergänzen und Jurafuchs noch besser machen können :) Viele Grüße!
Lorenz
25.5.2024, 12:50:05
Wieso ist G nicht gutgläubig? Eintragung erfolgte ja später.
Leo Lee
27.5.2024, 10:36:34
Hallo Lorenz, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat könnte man meinen, dass G gutgläubig gewesen sei, da die Eintragung später erfolgte. Achte jedoch darauf, dass die Eintragung eines Widerspruchs diese Gutgläubigkeit (auch weil gerade eine analoge Anwendung auf den Widerspruch nicht stattfindet) ausschließt, selbst wenn der Erweber selbst redlich ist! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, H. Schäfer § 892 Rn. 40 sehr empfehlen. :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
PrüfungsProfi
5.7.2024, 09:52:19
Hier sind jetzt schon einige Gragen zum Thema der Gutgläubigkeit. Aber dass ich das richtig verstanden habe: Paragraf 892 II bezieht sich nur auf die Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs aus Abs. 1. Eine analoge Anwendung auf den eingetragenen Widerspruch ist nicht möglich. Dafür spricht der Wortlaut und auch dass eine Kenntnis von dem Widerspruch nicht erforderlich ist.
Tobias Krapp
27.8.2024, 08:28:44
Hallo PrüfungsProfi, genau so ist es! Ich habe es im benachbarten Thread hier https://applink.jurafuchs.de/1FWRWgkCoMb noch etwas ausführlicher dargelegt, wenn du es nochmal nachlesen willst. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
Tobias Krapp
27.8.2024, 11:14:14
Kleine Ergänzung: Ich habe nun aufgrund der Fragen und Anmerkungen zu dem Fall hier und in den anderen Fällen der Lektion hier den Fall angepasst, sodass die Diskussion klarer wird. Danke PrüfungsProfi, dass du uns mit den anderen aus der Community durch dein Nachhaken und Nachfragen dabei hilfst, Jurafuchs bis ins letzte Detail zu verbessern!
Taunus84
25.8.2024, 23:10:42
Ich verstehe die Reihenfolge der Events in der Frage so: 1. Auflassung 2. Widerspruchseintragung 3. Eintragungsantrag 4. Eintragung Dann brauche ich aber doch die Diskussion über eine analoge Anwendung des 892 gar nicht zu führen, da zum Zeitpunkt des Eintragungantrags ja bereits ein Widerspruch eingetragen war, oder stehe ich jetzt völlig auf der Leitung?
Tobias Krapp
27.8.2024, 07:37:02
Hallo Taunus84, einen Dreher in der Reihenfolge hast du drin, die Reihenfolge ist hier: 1. Auflassung 2. Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs 3. Antrag auf Eigentumsumschreibung 4. Eintragung des Widerspruchs 5. Eintragung des G als Eigentümer Der Widerspruch wurde hier also erst nach dem Antrag auf Eigentumsumschreibung eingetragen. Daher ist die analoge Anwendung § 892 BGB zu diskutieren. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
Tobias Krapp
27.8.2024, 11:09:58
Kleine Ergänzung: Da hier unter der Frage und den nachfolgenden Aufgaben in der Lektion einige Nachfragen aufgetaucht sind, habe ich die Aufgabe angepasst, sodass die Reihenfolge und Diskussion um § 892 BGB nun klarer wird. Danke, dass du uns mit deiner Anmerkung dabei hilfst, Jurafuchs noch besser zu machen!