Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Stellvertretung

Handeln unter fremdem Namen - Identitätstäuschung

Handeln unter fremdem Namen - Identitätstäuschung

19. August 2025

26 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

A sieht ihrer Schwester S sehr ähnlich. Sie geht in eine Bank und erklärt dem Bankangestellten B, dass ihr Name S sei und sie ein Darlehen in Höhe von €5.000 aufnehmen möchte. Dabei legt sie den Ausweis von S vor. Da S eine gute Kreditwürdigkeit hat, bewilligt B das Darlehen.

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Einordnung des Falls

Handeln unter fremdem Namen - Identitätstäuschung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat eine eigene Willenserklärung abgegeben.

Genau, so ist das!

Tritt eine Person nach außen erkennbar als Hilfsperson auf, muss untersucht werden, ob sie eine eigene Willenserklärung (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB) abgibt oder lediglich die Willenserklärung ihres Geschäftsherrn überbringt (Botenschaft). Wenn die handelnde Person jedoch gar nicht als Hilfsperson auftritt, sondern nach außen erkennbar ein Eigengeschäft tätigen möchte, bedarf es einer solchen Untersuchung nicht. In diesem Fall liegt denklogisch eine eigene Willenserklärung vor. A hat nicht zu erkennen gegeben, dass sie für S handelt. Vielmehr hat sie behauptet, ihr Name sei S.
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2. A hat die Willenserklärung in fremdem Namen abgegeben.

Nein, das trifft nicht zu!

Vom Handeln in fremdem Namen nach § 164 Abs. 1 BGB ist das Handeln unter fremden Namen abzugrenzen. Beim Handeln unter fremden Namen möchte die handelnde Person nach außen erkennbar ein Eigengeschäft abschließen und behauptet dabei, Träger eines Namens zu sein, der nicht ihrem eigenen entspricht. A wollte den Darlehensvertrag nach außen erkennbar als Eigengeschäft abschließen. Dabei hat sie behauptet, ihr Name sei S.

3. Wer beim Handeln unter fremden Namen aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet wird, richtet sich danach, wer aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers Vertragspartner wird.

Ja!

Entscheidend ist, ob bei der Art des konkreten Rechtsgeschäfts nach objektivem Empfängerhorizont die Identität des Vertragspartners von Bedeutung ist. Bei einem Geschäft, bei dem die Identität des Vertragspartners nicht relevant ist, erwartet ein objektiver Erklärungsempfänger, einen Vertrag mit der Person zu schließen, die vor ihm steht. Verwendet diese nicht ihren eigenen Namen, ist dies eine bloße sog. Namenstäuschung. Ist die Identität des Vertragspartners dagegen für ein Geschäft von Bedeutung, erwartet ein Erklärungsempfänger, mit dem wahren Namensträger zu kontrahieren. Ist dies nicht die Person, die den Namen für sich verwendet, liegt eine sog. Identitätstäuschung vor. Die Namenstäuschung wird teils auch als "Handeln unter falschem Namen" bezeichnet.

4. Es liegt eine bloße Namenstäuschung vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Namenstäuschung liegt vor, wenn die handelnde Person bei Abgabe einer Willenserklärung einen Namen verwendet, der nicht ihrem eigenen entspricht, ein objektiver Erklärungsempfänger jedoch davon ausgeht, mit der vor ihm stehenden Person und nicht mit dem wahren Namensträger zu kontrahieren. Dies ist dann der Fall, wenn die Identität des Vertragspartners für die Art des konkreten Rechtsgeschäfts nicht von Bedeutung ist. Ist die Identität des Vertragspartners für die Art des konkreten Rechtsgeschäfts aber von Bedeutung, geht ein objektiver Erklärungsempfänger davon aus, mit dem wahren Namensträger zu kontrahieren. Dann liegt eine Identitätstäuschung vor. Bei Darlehensverträgen spielt die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers und damit seine Identität eine entscheidende Rolle. Bei einem solchen geht ein objektiver Erklärungsempfänger stets davon aus, den Vertrag mit dem wahren Namensträger zu schließen.

5. Wenn S den Darlehensvertrag mit der Bank genehmigt, wird sie Vertragspartnerin des Darlehensvertrags.

Ja, in der Tat!

Das entsprechende Geschäft zwischen dem Vertragspartner und dem wahren Namensträger kommt in analoger Anwendung des § 164 Abs. 1 BGB zustande, wenn die handelnde Person Vertretungsmacht hat. Besteht keine Vertretungsmacht, so sind die §§ 177, 179 BGB analog anzuwenden. Nach § 177 Abs. 1 BGB analog kann der wahre Namensträger den Vertrag genehmigen und somit an sich ziehen. A hatte keine Vertretungsmacht für S. Wenn S jedoch den Vertrag genehmigt, wird sie dadurch Vertragspartnerin.

6. Wenn S den Darlehensvertrag nicht genehmigt, haftet A nach § 179 BGB analog.

Ja!

Auf den Fall des Handelns unter fremdem Namen werden die §§ 164 ff. BGB analog angewendet. Dementsprechend findet auch § 179 BGB analog Anwendung. Falls eine Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch den wahren Namensträger nicht erfolgt, ist der unter fremdem Namen Handelnde dem Vertragspartner nach dessen Wahl entweder zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet.

7. Bei der Identitätstäuschung sind die §§ 164 ff. BGB unmittelbar anwendbar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei der Identitätstäuschung sind die §§ 164 ff. BGB nicht direkt anwendbar, da kein Handeln im fremden Namen vorliegt. Das Offenkundigkeitsprinzip ist damit nicht gewahrt. Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 S. 1 BGB nicht vor.

8. §§ 164 ff. BGB sind auf die Identitätstäuschung aber analog anwendbar.

Ja, in der Tat!

Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Das Gesetz sieht für Fälle, in denen aus Sicht des objektiven Erklärungsempfängers ein Vertrag mit dem wahren Namensträger geschlossen wird, es aber an den Voraussetzungen der Stellvertretung mangelt, keine Regelungen vor. Angesichts dessen, dass der Gesetzgeber mit den §§ 164 ff. BGB den Regelungsbedarf bei Auftreten einer Person für eine andere und die daraus folgenden Probleme (§§ 177 ff. BGB) grundsätzlich gesehen hat, erscheint diese Regelungslücke plandwidrig. Hinsichtlich der Interessenlage ist zu bedenken, dass die Drittwirkung der Erklärung des Handelnden bei der Stellvertretung darauf beruht, dass diese aus Sicht des Geschäftspartners wie eine Erklärung des Vertretenen selbst wirkt. Genauso liegt es auch bei der Identitätstäuschung: Hier wirkt die Erklärung aus Sicht des Geschäftspartners wie eine Erklärung des Namensträgers selbst. Der Geschäftspartner ist damit im gleichen Maße schutzwürdig. Auch aus Sicht des Handelnden und des Namensträgers ist die Interessenlage vergleichbar: Besteht Vertretungsmacht oder genehmigt der Namensträger, ist das Rechtsgeschäft ihm im gleichen Maße wie bei der Stellvertertung zurechenbar; besteht keine Vertretungsmacht und genehmigt der Namensträger nicht, ist der Handelnde im gleichen Maße wie bei der Stellvertretung der falsus procurator nicht schutzwürdig. Damit liegt eine vergleichbare Interessenlage vor und die §§ 164 ff. BGB sind analog anwendbar.
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