Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Stellvertretung

Handeln UNTER fremdem Namen: Identitätstäuschung

Handeln UNTER fremdem Namen: Identitätstäuschung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

A sieht ihrer Schwester S sehr ähnlich. Sie geht in eine Bank und erklärt dem Bankangestellten B, dass ihr Name S sei und sie ein Darlehen in Höhe von € 5000 aufnehmen möchte. Dabei legt sie den Ausweis von S vor. Da S eine gute Kreditwürdigkeit hat, bewilligt B das Darlehen.

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Einordnung des Falls

Handeln UNTER fremdem Namen: Identitätstäuschung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat eine eigene Willenserklärung abgegeben.

Genau, so ist das!

Tritt eine Person nach außen erkennbar als Hilfsperson auf, muss untersucht werden, ob sie eine eigene Willenserklärung (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB) abgibt oder lediglich die Willenserklärung ihres Geschäftsherrn überbringt (Botenschaft). Wenn die handelnde Person jedoch gar nicht als Hilfsperson auftritt, sondern nach außen erkennbar ein Eigengeschäft tätigen möchte, bedarf es einer solchen Untersuchung nicht. In diesem Fall liegt denklogisch eine eigene Willenserklärung vor. A hat nicht zu erkennen gegeben, dass sie für S handelt. Vielmehr hat sie behauptet, ihr Name sei S.
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2. A hat die Willenserklärung in fremdem Namen abgegeben.

Nein, das trifft nicht zu!

Vom Handeln in fremdem Namen nach § 164 Abs. 1 BGB sind das Handeln unter falschem Namen (Namenstäuschung) und das Handeln unter fremdem Namen (Identitätstäuschung) abzugrenzen. In beiden Fällen möchte die handelnde Person nach außen erkennbar ein Eigengeschäft abschließen und behauptet dabei, Träger eines Namens zu sein, der nicht ihrem eigenen entspricht. A wollte den Darlehensvertrag nach außen erkennbar als Eigengeschäft abschließen. Dabei hat sie behauptet, ihr Name sei S.

3. Ob eine Namenstäuschung oder eine Identitätstäuschung vorliegt, richtet sich danach, wer aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers Vertragspartner wird.

Ja!

Entscheidend ist, ob bei der Art des konkreten Rechtsgeschäfts nach objektivem Empfängerhorizont die Identität des Vertragspartners von Bedeutung ist. Bei einem Geschäft, bei dem die Identität des Vertragspartners nicht relevant ist, erwartet ein objektiver Erklärungsempfänger einen Vertrag mit der Person zu schließen, die vor ihm steht. Verwendet diese nicht ihren eigenen Namen, ist dies eine bloße Namenstäuschung. Ist die Identität des Vertragspartners dagegen für ein Geschäft von Bedeutung, erwartet ein Erklärungsempfänger, mit dem wahren Namensträger zu kontrahieren. Ist dies nicht die Person, die den Namen für sich verwendet, liegt eine Identitätstäuschung vor.

4. A hat unter fremdem Namen gehandelt.

Genau, so ist das!

Eine Person handelt unter fremdem Namen, wenn sie bei Abgabe einer Willenserklärung einen Namen verwendet, der nicht ihrem eigenen entspricht und ein objektiver Erklärungsempfänger davon ausgeht, mit dem wahren Namensträger zu kontrahieren. Dies ist dann der Fall, wenn die Identität des Vertragspartners für die Art des konkreten Rechtsgeschäfts von Bedeutung ist. Bei Darlehensverträgen spielt die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers und damit seine Identität eine entscheidende Rolle. Bei einem solchen geht ein objektiver Erklärungsempfänger stets davon aus, den Vertrag mit dem wahren Namensträger zu schließen.

5. Wenn S den Darlehensvertrag mit der Bank genehmigt, wird sie Vertragspartnerin des Darlehensvertrags.

Ja, in der Tat!

Handelt eine Person unter fremdem Namen, so kommt das entsprechende Geschäft zwischen dem Vertragspartner und dem wahren Namensträger in analoger Anwendung des § 164 Abs. 1 BGB zustande, wenn die handelnde Person Vertretungsmacht hat. Besteht keine Vertretungsmacht, so sind die §§ 177, 179 BGB analog anzuwenden. Nach § 177 Abs. 1 BGB analog kann der wahre Namensträger den Vertrag genehmigen und somit an sich ziehen. A hatte keine Vertretungsmacht für S. Wenn S jedoch den Vertrag genehmigt, wird sie dadurch Vertragspartnerin.

6. Wenn S den Darlehensvertrag nicht genehmigt, haftet A nach § 179 BGB analog.

Ja!

Auf den Fall des Handelns unter fremdem Namen werden die §§ 164ff. BGB analog angewendet. Dementsprechend findet auch § 179 BGB analog Anwendung. Falls eine Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch den wahren Namensträger nicht erfolgt, ist der unter fremdem Namen Handelnde dem Vertragspartner nach dessen Wahl entweder zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AL

Al.Isa

5.11.2021, 09:06:27

Wäre es möglich wieder zu aktivieren dass man die Aufgaben als Favorit speichern kann?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.11.2021, 09:19:52

Hallo Al.lsa, wenn Du oben links auf den mittleren Button klickst, dann kannst Du einen Fall einer persönlichen Playlist hinzufügen. Du könntest Diese zB Favorit nennen. Wäre Dir damit schon geholfen? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

20.3.2022, 16:35:56

Woran liegt es, dass die Normen hier analog angewendet werden? Weil es mangels Offenkundigkeit keine Stellvertretung ist?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.3.2022, 12:09:16

Hallo QuiGonTim, so ist es! Die §§ 177, 179 BGB finden unmittelbare Anwendung für den Fall, dass der Vertreter "im Namen eines anderen" einen Vertrag schließt, also die Vertretung offenkundig macht, ihm hierfür aber die Vertretungsmacht fehlt. Da hier A lediglich "

unter fremden Namen

" agiert, sind die Normen nur analog anwendbar. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jan

Jan

13.9.2023, 10:02:54

Hallo, ich finde, so wie ihr das formuliert habt, wird nicht klar, dass sowohl die Identitäts- als auch die

Namenstäuschung

beides Fälle des Handelns

unter fremdem Namen

sind, also

Handeln unter fremdem Namen

von Handeln in fremdem Namen abgegrenzt werden muss, und dann in ersterem Fall erst im zweiten Schritt die Abgrenzung zwischen Identitäts- und

Namenstäuschung

vorgenommen werden muss. Könnt ihr ja vielleicht ändern, danke!

QUIG

QuiGonTim

18.9.2023, 16:44:26

Liebes Jurafuchs-Team, könntet ihr noch ein paar Argumente für die analoge Anwendung einbauen?

Klima-Kleber

Klima-Kleber

13.2.2024, 11:59:36

ja, das wäre hilfreich. Schade, dass JF die Forums-Moderation nicht ernst zu nehmen scheint. Die App hat so viel Potential. Zwar stellt es für Examenskandidat:innen kein großes Problem dar, sich auf die Suche nach gelungener Argumentation zu begeben. Dennoch erfordert dies einen zeitlichen Mehraufwand und u.U. ein zwischenzeitliches Verlassen der App. Eine gelungene Forums-Moderation würde den Mehrwert der App massiv steigern. Mein Abo werde ich jedenfalls nicht verlängern. Ich sehe nämlich nicht, dass man sich in dieser Hinsicht weiterentwickeln möchte.

Kind als Schaden

Kind als Schaden

24.4.2024, 17:37:59

Bro, schau dich mal auf Jurafuchs um. Es wird immer wieder etwas verbessert oder erweitert. Du kannst ja mal zu einem Repetitor deiner Wahl gehen und deren Unterlagen auf Fehler/Ungenauigkeiten untersuchen, da wirst du genauso fündig wie in jedem Lehrbuch, Vorlesung oder eben auch Jurafuchs. Im Gegensatz zu den genannten gibt es bei Jurafuchs aber ja eine Community, die in der Regel sehr positiv mit Vorschlägen umgeht.

Niklas3461

Niklas3461

16.6.2024, 13:53:59

Warum wird erst groß über die Abgrenzung der

Identitätstäuschung

und der

Namenstäuschung

gesprochen, nur um dann nicht festzustellen, um welchen Fall des Handels

unter fremden Namen

s es sich hier handelt?

LELEE

Leo Lee

17.6.2024, 13:11:07

Hallo Niklas3461, vielen Dank für deinen sehr berechtigten Einwand! In der Tat ist es für die hiesige Aufgabe – wenn man davon ausgeht, dass man eine Klausur löst – nicht zwingend nötig, in dieser Breite nochmal auf den abstrakten Maßstab einzugehen. Allerdings bezwecken wir mit den „klassischen Aufgaben“ vornehmlich die Vermittlung des „Grundgerüsts“. D.h., dass die Nutzer von Jurafuchs bei diesen Arten allen voran immer wieder mit den abstrakten Maßstäben konfrontiert werden sollen, damit diese – bewusst oder unbewusst – in „Fleisch und Blut“ übergehen. Für die konkrete Anwendung dieser Maßstäbe gibt es dann wiederum unsere jüngste Erneuerung, die Klausurfunktion :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Niklas3461

Niklas3461

17.6.2024, 14:07:17

Vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort.

Whale

Whale

26.6.2024, 11:19:01

Im Fall steht, dass bei einem Vertreter ein Vertrag zwischen dem Vertretenen und dem Vertragspartner nach § 164 analog geschlossen, falls dieser wirklich Vertretungsmacht hat. In was für einem Fall sollte er denn dann

unter fremdem Namen

handeln? Wenn man denselben Fall wie hier nähme, würde das heiße, dass S die A bevollmächtigt hat, letztere aber dem Offenkundigkeitsprinzip nicht gerecht wird, sodass es zu einer Vertretung unter fremdem und nicht im fremden Namen kommt, oder?

purplepolar

purplepolar

26.8.2024, 16:24:49

Leider muss ich mich den anderen Thread-Schreibern anschließen. Es ist sehr verwirrend, dass bei dem Hotelbesuch des Politikers angegeben wird, es werde '

unter fremdem Namen

' gehandelt, DENN es geht dem Gegenüber eigentlich nur um die Person, die VOR IHM steht. Gleichzeitig aber bei dem Fall mit der Schwester darauf hingewiesen, dass '

unter fremdem Namen

' gehandelt wird WEIL es dem Vertragspartner darum geht, mit der GENANNTEN Person einen Vertrag abzuschließen. Die Erklärung ist sehr verwirrend, da sie einzeln gelesen für den Leser bedeuten, dass nur diese genannte Variante "

unter fremdem Namen

" handelt. Letztlich geht es doch einzig um die Unterscheidung zwischen 'Identität' und 'Name', die relevant ist. Wahrscheinlich hilft es bei der Erklärung "

unter fremdem Namen

" direkt BEIDE Fälle zu nennen, damit man es nicht exklusiv versteht.


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