§ 316 StGB: Verminderte Schuldfähigkeit nach Rückrechnung


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Nachdem T sich betrunken hat, ruft ihn um 20:30 Uhr unerwartet seine Freundin an. Sie erklärt, dass sie „sturmfrei“ habe. T fährt mit seinem Pkw - unter billigender Inkaufnahme seiner Fahruntüchtigkeit - sofort zu ihr. Eine um 24 Uhr entnommene Blutprobe ergibt eine BAK von 1,1‰.

Einordnung des Falls

§ 316 StGB: Verminderte Schuldfähigkeit nach Rückrechnung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den objektiven und subjektiven Tatbestand der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) rechtswidrig verwirklicht.

Ja!

T hat seinen Pkw unter Beherrschung der dafür erforderlichen technischen Funktionen bewegt, mithin ein Fahrzeug geführt. Dies geschah im öffentlichen Verkehrsraum und damit im Straßenverkehr. Ferner war T mit einer BAK von über 1,1‰ im Fahrtzeitpunkt nach gesicherten verkehrsmedizinischen Erkenntnissen unwiderlegbar nicht in der Lage, den Pkw sicher zu führen, zumal bei der Blutentnahme bereits eine BAK von 1,1‰ festgestellt wurde. Einer Rückrechnung bedarf es daher nicht. T war absolut fahruntüchtig. Die subjektive Tatseite ist ebenfalls erfüllt, weil T billigend in Kauf nahm, fahruntüchtig zu sein. Außerdem handelte T rechtswidrig.

2. T war im Zeitpunkt der Trunkenheitsfahrt schuldunfähig (§ 20 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei einer BAK von mindestens 3,0‰ zur Tatzeit ist regelmäßig Schuldunfähigkeit in Gestalt einer krankhaften seelischen Störung oder einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung (§ 20 StGB) gegeben. Hierbei sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und in eine Gesamtwürdigung einzustellen. T wies zum Zeitpunkt der Blutentnahme (24 Uhr) eine BAK von 1,1‰ auf, sodass die BAK auf die Tatzeit (20:30 Uhr) rückzurechnen ist. Als Ausfluss des „in dubio pro reo - Grundsatzes“ wird zu Gunsten des Täters keine abbaulose Resorptionsphase angenommen, ein stündlicher Abbau von 0,2‰ angesetzt und ein Sicherheitszuschlag von 0,2‰ addiert. Mangels anderweitiger Anzeichen ergibt sich aus folgender Berechnung, dass T nicht schuldunfähig war: 0,2‰ (Abbau-Wert) x 3,5 (Stunden) + 0,2‰ (Sicherheitszuschlag) + 1,1‰ (gemessene BAK) = 2,0‰ (Tatzeit-BAK)

3. Es kommt aber eine verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) des T im Zeitpunkt der Trunkenheitsfahrt in Betracht.

Ja, in der Tat!

§ 21 StGB enthält einen fakultativen Strafmilderungsgrund, der auf die Voraussetzungen des § 20 StGB Bezug nimmt. Als Leitlinie gilt, dass ab einer Tatzeit-BAK von 2,0‰ eine verminderte Schuldfähigkeit möglich ist. Dies ist indes kein medizinisch-statistischer Erfahrungssatz. Im Wege einer Gesamtwürdigung kann sich auch die volle Schuldfähigkeit des Täters ergeben. Mangels anderweitiger Anzeichen ist bei T mit einer BAK von 2,0‰ von verminderter Schuldfähigkeit auszugehen. Rechtsfolge ist eine fakultative Strafmilderung, deren Vornahme im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht. Daher solltest Du in Klausuren zum 1. Examen § 21 StGB allenfalls „anreißen“. Mit Blick auf § 323a StGB muss die 2,0‰-Grenze aber bekannt sein.

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