Zivilrecht

ZPO II: Zwangsvollstreckungsrecht

Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO

Statthaftigkeit / materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch

Statthaftigkeit / materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch

13. Juli 2025

20 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B verklagt K auf Zahlung von €50.000. K verliert den Prozess, verzichtet auf eine Berufung und zahlt direkt im Anschluss €50.000 an B. B beauftragt dennoch Gerichtsvollzieher G, der den Porsche des K pfändet. K möchte gegen die Pfändung gerichtlich vorgehen.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit / materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann den verlorenen Prozess fortsetzen, um gegen die Pfändung des Porsches vorzugehen.

Nein!

Die Zwangsvollstreckung ist das Verfahren, in dem Leistungsansprüche durch staatlichen Zwang verwirklicht werden; es ist unabhängig vom Erkenntnisverfahren, in dem der Anspruch festgestellt wird. Durch den Rechtsmittelverzicht des B wird das Urteil rechtskräftig; der Rechtsstreit ist damit abgeschlossen. Die Rechtsbehelfe des Zwangsvollstreckungsrechts leiten einen neuen Rechtsstreit ein und setzen nicht den früheren fort. K kann also nicht einfach den verlorenen Prozess fortsetzen, um gegen die Pfändung vorzugehen.
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2. Die Vollstreckungsabwehrklage767 ZPO) ist der statthafte Rechtsbehelf, wenn K sich gegen den gerichtlich festgestellten Anspruch wendet.

Genau, so ist das!

Die Vollstreckungsabwehrklage ist statthaft (§ 767 Abs. 1 ZPO), wenn der Kläger als Schuldner des Vollstreckungsverfahrens gegen den Beklagten als Vollstreckungsgläubiger materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhebt. K müsste materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch des B erheben.

3. K kann mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Pfändung des Porsches vorgehen.

Ja, in der Tat!

K kann hier gegen den Anspruch des B auf Zahlung von €50.000 einwenden, er habe bereits gezahlt, d.h. den Anspruch des B erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Einwand, erfüllt zu haben, ist ein materiell-rechtlicher Einwand, der sich gegen den Anspruch selbst richtet. Die Erfüllung ist damit ein Grund, auf dem eine Einwendung im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage767 ZPO) beruhen kann. Der richtige Rechtsbehelf für K ist somit die Vollstreckungsabwehrklage.

4. Die erfolgreiche Vollstreckungsabwehrklage beseitigt das Urteil, das B die €50.000 zugesprochen hat.

Nein!

Bei der Vollstreckungsabwehrklage handelt es sich nach herrschender Meinung um eine prozessuale Gestaltungsklage. Sie beseitigt nicht das Endurteil als Vollstreckungstitel (§ 704 ZPO), sondern nur dessen Vollstreckbarkeit. Wenn die Vollstreckungsabwehrklage des K erfolgreich ist, erklärt das Gericht die Zwangsvollstreckung für unzulässig. Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen (§ 775 Nr. 1 ZPO).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

9.9.2023, 09:30:46

Das heißt nach § 775 I Nr. 1 wäre die Entscheidung ihrerseits wieder ein vollstreckbarer Titel? Könnte man gegen diesen dann wieder

Vollstreckungsabwehrklage

erheben?

BEEPB

BeepBoop

1.4.2024, 20:31:02

Die Entscheidung über die

Vollstreckungsabwehrklage

wird zwar insgesamt für vorläufig vollstreckbar erklärt (um schon vor Rechtskrafteintritt die Folgen des § 775 Nr. 1 ZPO auszulösen), allerdings ist der Hauptausspruch als Gestaltungsentscheidung (= Vollstreckung wird für unzulässig erklärt) nicht vollstreckbar und insofern eine

Vollstreckungsabwehrklage

auch nicht statthaft. Denkbar wäre allerdings, dass man isoliert gegen den

Kostenfestsetzungsbeschluss

, der einen Titel nach § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO darstellt, eine VAK erhebt (vgl. zur Anwendbarkeit § 795 ZPO). Zu letzterem gibt es in diesem Kapitel auch noch einen Fall.

VALA

Vanilla Latte

7.10.2023, 21:55:11

Könnt ihr vielleicht noch einige allgemeinere Fragen aufnehmen? Was sind zb materiell rechtliche Einwendungen und vieles mehr. Dass man mehr eine richtige Einführung hat.

AN

An

20.12.2023, 19:02:09

könntet ihr ggfs. bei frage zwei den Begriff des gerichtlich festgestellten Anspruchs präzisieren? man könnte darunter so auch den Anspruch auf Zahlung der 50k€ verstehen.

n.Mj

n.Mj

15.4.2024, 18:20:01

Ja, denke auch, dass es hier einer Präzisierung bedarf. Nach § 767 geht man ja gegen den „titulierten Anspruch“ vor und nicht gegen den Anspruch als solchen. Da hatte ich auch Verständnisprobleme

M.E

m.e.l.a.n.i.e

9.6.2025, 17:36:29

Es ist nach meinem Verständnis schon der Anspruch auf Zahlung der 50k gemeint (= titulierter Anspruch). Der titulierte Anspruch ist doch der "Anspruch an sich", oder nicht? Nur haben sich seit dem Endurteil und der ZV Umstände ergeben, die die ZV unzulässig werden lassen, weil der materiell-rechtliche Anspruch nicht mehr wie tituliert besteht, wie hier durch Erfüllung. Hätte K schon während des Erkenntnisverfahrens erfüllt, wäre der Anspruch nicht tituliert worden. (Wenn das so nicht richtig ist, klärt mich gerne auf.) Die Frage müsste also m.A.n. lauten: "..., wenn K materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhebt".

Larzed

Larzed

15.6.2024, 09:38:25

Dass die

Vollstreckungsabwehrklage

nicht das erste Urteil beseitigt kann man damit begründen, weil das erste Urteil Rechtsgrund für das Vollstreckungsverfahren ist?

FL

Florian

1.7.2025, 09:25:36

Nein, das ist einfach die gesetzliche Grundkonzeption. Berufung beseitigt den Titel an sich,

Vollstreckungsabwehrklage

nur die Vollstreckbarkeit, indem sie die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt.

Larzed

Larzed

15.11.2024, 12:35:23

Würde man hypothetisch annehmen, das Urteil über den Anspruch im Erkenntnisverfahren würde auch beseitigt, könnte der Vollstreckungsschuldner nach § 812 Abs. 1 satz 1 BGB die 50.000 € fordern? Oder maW der zugrundeliegende Titel bleibt als Rechtsgrund für die Leistung des Schuldners aufrecht?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

19.11.2024, 10:06:57

Hallo @[Larzed](47547), ich bin nicht ganz sicher, ob ich Deine Frage(n) richtig verstehe. Kannst Du vielleicht genauer erklären, was Du insbesondere mit "beseitigt" meinst? Reden wir über ein vorläufig vollstreckbares Urteil, das aufgehoben oder abgeändert wird? Dann haben wir ja grds schon den Anspruch aus § 717 II 1 ZPO ("zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung"). Es gibt in bestimmten Konstellationen ggf Raum für bereicherungsrechtliche Ansprüche, das sind aber eher Sonderfälle, zB eine vollständig abgeschlossene, aber

rechtswidrig

e Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil. Es dürfte jedenfalls klar sein, dass der Gläubiger nicht zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahltes Geld ohne Weiteres behalten darf, wenn sich nachträglich der Titel als unwirksam/

rechtswidrig

herausstellt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Larzed

Larzed

19.11.2024, 15:18:41

Also, dass faktisch keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche durchgehen, ist mir klar. Es geht eigentlich nur um mein eigenes Verständnis. Wenn ich die vollstreckbarkeit des Titels beseitigen, bleibt der Titel ja bestehen. Und so wie ich das verstehe, bildet der Titel den Rechtsgrund für die Zwangsvollstreckung. Ich wollte im Grunde nach nur wissen, ob man sich das so merken kann. Denn würde mit der

vollstreckungsabwehrklage

auch das Urteil aus dem Erkenntnisverfahren aufgehoben, dann hätte der Kläger im Prinzip einen Anspruch aus Bereicherungsrecht, sofern die Vollstreckung bereits vollzogen wurde. Denn der Titel bildet die Rechtsgrundlage. Deshalb ist es notwendig, dass die

vollstreckungsabwehrklage

nur die vollstreckbarkeit des Titels beseitigt. Kann man sich das so merken?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

28.11.2024, 07:45:22

Hallo @[Larzed](47547), sorry, so ganz ist es glaube ich immer noch nicht bei mir angekommen, aber wir nähern uns. Die von Dir genannte Verknüpfung des Rechtsgrunds iSd BereicherungsR mit der Existenz des Titels scheint mir zumindest unglücklich und missverständlich und ich wäre damit zurückhaltend. Man mag zwar sagen, dass der Vollstreckungsgläubiger den Betrag auf Grundlage des Titels erhalten hat. Ob er ihn auch behalten darf, den bereicherungsrechtlichen Rechtsgrund für das Geld, regelt nicht in erster Linie "der Titel" oder "die Zwangsvollstreckung", sondern die materiell-rechtliche Befugnis. Der Vollstreckungsgläubiger darf das ihm zugeflossene Geld nicht deshalb behalten, weil (noch) ein Titel darüber in der Welt ist, sondern weil er einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zahlung des Betrags gegen den Vollstreckungsschuldner hatte (den der Titel dann natürlich aufnimmt). Im Einzelnen zu Deinem letzten Beitrag: Ja, der Titel bleibt existent, wenn wir allein die Zwangsvollstreckung daraus für unzulässig erklären (zB iRv §

767 ZPO

). Der Titel ist dann weniger der Rechtsgrund für die Zwangsvollstreckung, sondern mehr eine der nötigen Voraussetzungen, damit die Zwangsvollstreckung überhaupt rechtmäßig ist (neben zB einer Vollstreckungsklausel). Würde mit der

Vollstreckungsabwehrklage

der Titel als solcher aufgehoben, hätte der Vollstreckungsschuldner einen Anspruch auf Rückzahlung eines schon gezahlten Betrags (idR schon nach dem bereits genannten § 717 II 1 ZPO). Der inhaltliche Grund für einen solchen Anspruch wäre aber weniger, dass wir jetzt keinen Titel mehr haben, sondern eher, dass ein materiell-rechtlicher Grund besteht, aus dem der Vollstreckungsschuldner nicht (mehr) zahlen muss. Umgekehrt gibt es eben auch die genannten Fälle, in denen der Titel besteht, also gerade nicht aufgehoben wurde, und die Zwangsvollstreckung erfolgreich und rechtmäßig durchgeführt wurde, der Vollstreckungsschuldner aber trotzdem einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung hat. Das sind die Fälle der sog verlängerten

Vollstreckungsabwehrklage

(näher dazu zB BeckOK-ZPO/Preuß, 54. Ed, Stand 1.9.2024, § 767 Rn 74), die zeigen, dass man für einen Rechtsgrund iSd Bereicherungsrechts eben nicht allein auf die formalisierte Zwangsvollstreckung schauen kann. Ist es damit klarer geworden? Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Larzed

Larzed

28.11.2024, 08:23:45

Danke, jetzt blicke ich besser durch👍

BENR

BenRie

4.3.2025, 01:34:58

Liebes Jura-Fuchs Team, die Frage: «Die

Vollstreckungsabwehrklage

767 ZPO

) ist der statthafte Rechtsbehelf, wenn K sich gegen den gerichtlich festgestellten Anspruch wendet.» Ist sicher nicht so gemeint. K wendet sich ja gerade nicht gegen diesen Anspruch (Statthaft wäre dann eher die Berufung) - den hat er ja bereits erfüllt. Er möchte nur gegen die Vollstreckung des titulierten Anspruchs vorgehen. Hier sollte nochmal nachgebessert werden.

M.E

m.e.l.a.n.i.e

9.6.2025, 17:23:47

Zur Ergänzung: Es handelt sich um die 2. Frage. In der Erläuterung ist es dann wieder richtig: "... statthaft, wenn der Kläger als Schuldner des Vollstreckungsverfahrens gegen den Beklagten als Vollstreckungsgläubiger materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhebt".

FL

Florian

1.7.2025, 09:20:28

Sehe ich auch so, dass das verwirrend sein kann. @[Tim Gottschalk](287974) @[Sebastian Schmitt](263562) @[Wendelin Neubert](409)


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