Zivilrecht
ZPO II: Zwangsvollstreckungsrecht
Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO
Statthaftigkeit / materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch
Statthaftigkeit / materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch
28. Mai 2025
16 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B verklagt K auf Zahlung von €50.000. K verliert den Prozess, verzichtet auf eine Berufung und zahlt direkt im Anschluss €50.000 an B. B beauftragt dennoch Gerichtsvollzieher G, der den Porsche des K pfändet. K möchte gegen die Pfändung gerichtlich vorgehen.
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Einordnung des Falls
Statthaftigkeit / materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K kann den verlorenen Prozess fortsetzen, um gegen die Pfändung des Porsches vorzugehen.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) ist der statthafte Rechtsbehelf, wenn K sich gegen den gerichtlich festgestellten Anspruch wendet.
Genau, so ist das!
3. K kann mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Pfändung des Porsches vorgehen.
Ja, in der Tat!
4. Die erfolgreiche Vollstreckungsabwehrklage beseitigt das Urteil, das B die €50.000 zugesprochen hat.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
evanici
9.9.2023, 09:30:46
Das heißt nach § 775 I Nr. 1 wäre die Entscheidung ihrerseits wieder ein vollstreckbarer Titel? Könnte man gegen diesen dann wieder
Vollstreckungsabwehrklageerheben?
BeepBoop
1.4.2024, 20:31:02
Die Entscheidung über die
Vollstreckungsabwehrklagewird zwar insgesamt für vorläufig vollstreckbar erklärt (um schon vor Rechtskrafteintritt die Folgen des § 775 Nr. 1 ZPO auszulösen), allerdings ist der Hauptausspruch als Gestaltungsentscheidung (= Vollstreckung wird für unzulässig erklärt) nicht vollstreckbar und insofern eine
Vollstreckungsabwehrklageauch nicht statthaft. Denkbar wäre allerdings, dass man isoliert gegen den Kostenfestsetzungs
beschluss, der einen Titel nach § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO darstellt, eine VAK erhebt (vgl. zur Anwendbarkeit § 795 ZPO). Zu letzterem gibt es in diesem Kapitel auch noch einen Fall.
Vanilla Latte
7.10.2023, 21:55:11
Könnt ihr vielleicht noch einige allgemeinere Fragen aufnehmen? Was sind zb
materiell rechtliche Einwendungen und vieles mehr. Dass man mehr eine richtige Einführung hat.
An
20.12.2023, 19:02:09
könntet ihr ggfs. bei frage zwei den Begriff des gerichtlich festgestellten Anspruchs präzisieren? man könnte darunter so auch den Anspruch auf Zahlung der 50k€ verstehen.

n.Mj
15.4.2024, 18:20:01
Ja, denke auch, dass es hier einer Präzisierung bedarf. Nach § 767 geht man ja gegen den „titulierten Anspruch“ vor und nicht gegen den Anspruch als solchen. Da hatte ich auch Verständnisprobleme

Larzed
15.6.2024, 09:38:25
Dass die
Vollstreckungsabwehrklagenicht das erste Urteil beseitigt kann man damit begründen, weil das erste Urteil Rechtsgrund für das Vollstreckungsverfahren ist?

Larzed
15.11.2024, 12:35:23
Würde man hypothetisch annehmen, das Urteil über den Anspruch im Erkenntnisverfahren würde auch beseitigt, könnte der Vollstreckungs
schuldner nach § 812 Abs. 1 satz 1 BGB die 50.000 € fordern? Oder maW der zugrundeliegende Titel bleibt als Rechtsgrund für die Leistung des
Schuldners aufrecht?

Sebastian Schmitt
19.11.2024, 10:06:57
Hallo @[Larzed](47547), ich bin nicht ganz sicher, ob ich Deine Frage(n) richtig verstehe. Kannst Du vielleicht genauer erklären, was Du insbesondere mit "beseitigt" meinst? Reden wir über ein vorläufig vollstreckbares Urteil, das aufgehoben oder abgeändert wird? Dann haben wir ja grds schon den Anspruch aus § 717 II 1 ZPO ("zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung"). Es gibt in bestimmten Konstellationen ggf Raum für
bereicherungsrechtliche Ansprüche, das sind aber eher Sonderfälle, zB eine vollständig abgeschlossene, aber
rechtswidrige Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil. Es dürfte jedenfalls klar sein, dass der Gläubiger nicht zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahltes
Geldohne Weiteres behalten darf, wenn sich nachträglich der Titel als unwirksam/
rechtswidrigherausstellt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Larzed
19.11.2024, 15:18:41
Also, dass faktisch keine
bereicherungsrechtlichen Ansprüche durchgehen, ist mir klar. Es geht eigentlich nur um mein eigenes Verständnis. Wenn ich die vollstreckbarkeit des Titels beseitigen, bleibt der Titel ja bestehen. Und so wie ich das verstehe, bildet der Titel den Rechtsgrund für die Zwangsvollstreckung. Ich wollte im Grunde nach nur wissen, ob man sich das so merken kann. Denn würde mit der
vollstreckungsabwehrklageauch das Urteil aus dem Erkenntnisverfahren aufgehoben, dann hätte der Kläger im Prinzip einen Anspruch aus
Bereicherungsrecht, sofern die Vollstreckung bereits vollzogen wurde. Denn der Titel bildet die Rechtsgrundlage. Deshalb ist es notwendig, dass die
vollstreckungsabwehrklagenur die vollstreckbarkeit des Titels beseitigt. Kann man sich das so merken?

Sebastian Schmitt
28.11.2024, 07:45:22
Hallo @[Larzed](47547), sorry, so ganz ist es glaube ich immer noch nicht bei mir angekommen, aber wir nähern uns. Die von Dir genannte Verknüpfung des Rechtsgrunds iSd BereicherungsR mit der Existenz des Titels scheint mir zumindest unglücklich und missverständlich und ich wäre damit zurückhaltend. Man mag zwar sagen, dass der
Vollstreckungsgläubigerden Betrag auf Grundlage des Titels erhalten hat. Ob er ihn auch behalten darf, den
bereicherungsrechtlichen Rechtsgrund für das
Geld, regelt nicht in erster Linie "der Titel" oder "die Zwangsvollstreckung", sondern die materiell-rechtliche Befugnis. Der
Vollstreckungsgläubigerdarf das ihm zugeflossene
Geldnicht deshalb behalten, weil (noch) ein Titel darüber in der Welt ist, sondern weil er einen
schuldrechtlichen Anspruch auf Zahlung des Betrags gegen den Vollstreckungs
schuldner hatte (den der Titel dann natürlich aufnimmt). Im Einzelnen zu Deinem letzten Beitrag: Ja, der Titel bleibt existent, wenn wir allein die Zwangsvollstreckung daraus für unzulässig erklären (zB iRv § 767 ZPO). Der Titel ist dann weniger der Rechtsgrund für die Zwangsvollstreckung, sondern mehr eine der nötigen Voraussetzungen, damit die Zwangsvollstreckung überhaupt rechtmäßig ist (neben zB einer Vollstreckungsklausel). Würde mit der
Vollstreckungsabwehrklageder Titel als solcher aufgehoben, hätte der Vollstreckungs
schuldner einen Anspruch auf Rückzahlung eines schon gezahlten Betrags (idR schon nach dem bereits genannten § 717 II 1 ZPO). Der inhaltliche Grund für einen solchen Anspruch wäre aber weniger, dass wir jetzt keinen Titel mehr haben, sondern eher, dass ein materiell-rechtlicher Grund besteht, aus dem der Vollstreckungs
schuldner nicht (mehr) zahlen muss. Umgekehrt gibt es eben auch die genannten Fälle, in denen der Titel besteht, also gerade nicht aufgehoben wurde, und die Zwangsvollstreckung erfolgreich und rechtmäßig durchgeführt wurde, der Vollstreckungs
schuldner aber trotzdem einen
bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung hat. Das sind die Fälle der sog verlängerten
Vollstreckungsabwehrklage(näher dazu zB BeckOK-ZPO/Preuß, 54. Ed, Stand 1.9.2024, § 767 Rn 74), die zeigen, dass man für einen Rechtsgrund iSd
Bereicherungsrechts eben nicht allein auf die formalisierte Zwangsvollstreckung schauen kann. Ist es damit klarer geworden? Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Larzed
28.11.2024, 08:23:45
Danke, jetzt blicke ich besser durch👍
BenRie
4.3.2025, 01:34:58
Liebes Jura-Fuchs Team, die Frage: «Die
Vollstreckungsabwehrklage(§ 767 ZPO) ist der statthafte Rechtsbehelf, wenn K sich gegen den gerichtlich festgestellten Anspruch wendet.» Ist sicher nicht so gemeint. K wendet sich ja gerade nicht gegen diesen Anspruch (Statthaft wäre dann eher die Berufung) - den hat er ja bereits erfüllt. Er möchte nur gegen die Vollstreckung des titulierten Anspruchs vorgehen. Hier sollte nochmal nachgebessert werden.