Leistungskette - unentgeltliche Verfügung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A leiht B eine Lichterkette für Bs Weihnachtsbaum. B geht, bevor er die Lichterkette aufhängen will, noch bei ihrer Freundin C vorbei. Weil Cs Weihnachtsbaum so dürftig aussieht, schenkt B der C kurzerhand As Lichterkette. A verlangt die Lichterkette zurück.

Diesen Fall lösen 80,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Leistungskette - unentgeltliche Verfügung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat gegen C einen Anspruch auf Herausgabe der Lichterkette aus § 985 BGB.

Nein!

Der Anspruch aus § 985 BGB setzt voraus: (1) Eigentum des Anspruchstellers, (2) Besitz des Anspruchsgegners, (3) Fehlendes Recht zum Besitz des Anspruchsgegners (§ 986 BGB).A war ursprünglich Eigentümerin der Lichterkette. Sie hat B durch die Leihe (§ 598 BGB) auch lediglich den Besitz an der Kette eingeräumt. B und C haben sich aber über den Eigentumsübergang geeinigt. B hat C die Lichterkette übergeben. Es handelte sich um ein Verkehrsgeschäft. B und C waren zum Zeitpunkt der Übergabe einig, dass das Eigentum an G übergehen soll. B war zwar nicht verfügungsbefugt. C war insoweit aber gutgläubig (§ 932 Abs. 2 BGB). Insoweit hat C die Kette gutgläubig erworben (§§ 929 S. 1, 932 BGB) und A hierdurch ihr Eigentum verloren.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Hat A hat gegen C einen Anspruch auf Rückübereignung und Rückgabe der Lichterkette aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Leistungskondiktion setzt voraus, dass der Bereicherungsgläubiger etwas ohne rechtlichen Grund an den Bereicherungsschuldner geleistet hat. Eine Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.A hat lediglich den Besitz der Lichterkette (=etwas) an B übergeben und damit bewusst und zweckgerichtet Bs Vermögen vermehrt. Folglich lag ihrerseits nur eine Leistung an B, nicht aber an C vor. C hat das Eigentum und den Besitz dagegen durch Leistung der B erhalten.

3. Auch wenn zwischen A und C keine Leistungsbeziehung besteht, kann sie von C Übereignung und Herausgabe der Lichterkette nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB verlangen.

Ja, in der Tat!

Der Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 2 BGB setzt voraus, dass ein Nichtberechtigter eine unentgeltliche, wirksame Verfügung tätigt. B als Nichtberechtigte über As Eigentum verfügt. Denn durch die Schenkung hat C gutgläubig Eigentum erworben (§§ 929 S. 1, 932 BGB). Die Verfügung war unentgeltlich. Ein Anspruch auf Herausgabe nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB besteht. Hier steht ausnahmsweise nicht der Vorrang der Leistungskondiktion dem Anspruch entgegen. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB lässt für den Fall der unentgeltlichen Verfügung durch einen Nichtberechtigten ausdrücklich einen Durchgriff gegen den Empfänger zu.

4. Daneben hat A gegen C einen Anspruch aus Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Nein!

Die Rückabwicklung fehlgeschlagener Vertragsbeziehungen geschieht grundsätzlich nur zwischen den Leistungspartnern (Vorrang der Leistungskondiktion). Eine Direktkondiktion außerhalb dieser Leistungsbeziehungen kommt primär nach den Sondertatbeständen der §§ 816 und 822 BGB in Betracht.B hat durch die Schenkung der Lichterkette ziel- und zweckgerichtet Cs Vermögen gemehrt, mithin eine Leistung erbracht. Diese vorrangige Leistungsbeziehung sperrt einen Bereicherungsanspruch des A gegen C aus allgemeiner Nichtleistungskondiktion (Subsidiaritätsgrundsatz).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

HAN

hannabuma

11.2.2024, 15:06:55

Ist es egal, ob man beim Vorliegen einer vorrangigen Leistungsbeziehung auf diejenige zwischen A und B oder diejenige zwischen B und C abstellt?

_Andor_

_Andor_

28.5.2024, 11:31:37

M.E. wird die Direktkondiktion des A gegen C in Form der § 812 I 1 Alt. 2 unmittelbar durch die Leistungsbeziehung B-C gesperrt. Grund für das Subsidiaritätsdogma ist ja gerade die Sachnähe von Parteien in Schuldverhältnissen. C hat sich B autonom als Vertragspartner ausgesucht und muss sich grundsätzlich auch nur mit ihm (und nicht mit anderen, wie zB A) auseinandersetzen. Daher ist es m.E. nicht egal, auf welche Beziehung man abstellt, sondern im vorliegenden Fall rührt die Sperrung aus dem Verhältnis B-C her.

ACDC

acdc

11.8.2024, 17:41:51

Sind die Kondiktionen aus § 816 als spezielle Ausgestaltungen der

Nichtleistungskondiktion

nicht auch grundsätzlich leges speciales zu § 812 I 1 Alt. 2?


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura

7 Tage kostenlos* ausprobieren

* nach Ablauf 7-tägige Probeabos: ab 7,99 € Monat; weitere Infos