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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A verkauft und liefert eine Waschmaschine an B. B verkauft und liefert die Waschmaschine weiter an C. Es stellt sich heraus, dass A unerkannt geisteskrank ist, weshalb der Kaufvertrag zwischen A und B nichtig ist (§ 105 BGB). Gleichzeitig ficht C den Kaufvertrag mit B wirksam an.

Einordnung des Falls

Leistungskette - Doppelmangel

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es bestehen Ansprüche aus Leistungskondiktion zwischen A und B und B und C.

Ja!

Beide Kausalverhältnisse (A - B, B - C) sind nichtig. A, B und C haben jeweils etwas durch Leistung erlangt und ohne Rechtsgrund. Es besteht ein Anspruch aus Leistungskondiktion zwischen A und B und zwischen B und C.

2. Nach der (älteren) Rechtsprechung erfüllt B den Herausgabeanspruch der A dadurch, dass sie Wertersatz leistet (§ 818 Abs. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Sind in einer Leistungskette beide Kausalverhältnisse unwirksam (Doppelmangel), so ging die (ältere) Rechtsprechung davon aus, dass der Bereicherungsanspruch gegen den Letztempfänger als Surrogat (§ 818 Abs. 1 BGB) abgetreten werden könne (Kondiktion der Kondiktion).Statt Wertersatz zu leisten, müsste B nach der älteren Rechtsprechung somit lediglich ihren Anspruch aus Leistungskondiktion gegen C an A abtreten (§ 398 BGB).In seiner neueren Rechtsprechung hat der BGH verschiedentlich anklingen lassen, dass er die Einwände der Literatur durchaus stichhaltig findet (vgl. bereits BGHZ 48, 70, 72). Allerdings konnte er die Frage in den neueren Entscheidungen jeweils offenlassen, sodass er noch nicht ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt ist (vgl. BGH NJW 2001, 2880).

3. Nach der h.L. erfüllt B den Herausgabeanspruch der A nur dadurch, dass sie Wertersatz leistet (§ 818 Abs. 2 BGB).

Ja!

Die ganz herrschende Lehre lehnt die Kondiktion der Kondiktion in Fällen des Doppelmangels ab. Die Abtretung des Herausgabeanspruchs würde dazu führen, dass der Bereicherungsgläubiger nicht nur die Einwendungen des Vertragspartners, sondern auch die Einwendungen des Dritten sich entgegenhalten lassen müsste (§ 404 BGB). Dies sei mit der Relativität der Schuldverhältnisse nicht vereinbar. Zudem hätte der Bereicherungsgläubiger das Insolvenzrisiko des Dritten zu tragen. Hierbei handelt es sich um einen Schuldner, mit dem er nicht kontrahieren wollte und an den er keine Leistung erbracht hat. Gegen die Auferlegung dieses Risikos spreche das Prinzip der Privatautonomie.In der Klausur empfiehlt es sich, die alte Sicht der Rechtsprechung nur kurz zu nennen und dann mit den Argumenten der h.L. abzulehnen.

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Larzed

Larzed

12.9.2022, 10:12:56

Das Bild wie C den Kaufvertrag buchstäblich anficht, bringt mich zum lächeln. Dafür geht mein Dank an eure Kunst- und Kreativabteilung. 😅👍

Nora Mommsen

Nora Mommsen

12.9.2022, 12:34:03

Hallo Larzed, mission accomplished! Das Lob reichen wir gerne weiter an unsern Zeichner. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

KLE

kleinerPadawan

14.4.2023, 19:26:33

Findet im Verhältnis A - B wirklich die Leistungskondition Anwendung, wenn diese geschaftsunfähig ist? Scheitert es hier nicht an der bewussten Vermögensmehrung? Ich hab es so gelernt, dass (volle) Geschäftsfähigkeit für dieses Bewusstsein nicht erforderlich ist, jedoch eine natürliche Einsichtsfähigkeit schon. Diese dürfte bei einer unerkannt geisteskranken und damit Geschäftsunfähigen aber nicht gegeben sein, oder? Oder mache ich hier einen Denkfehler?

Pilea

Pilea

8.10.2023, 09:31:08

Frage ich mich auch - ich dachte, nach der hM ist eine Leistung durch und an Geschäftsunfähige nicht möglich, weil die Tilgungsbestimmung als empfangsbedürftige Willenserklärung behandelt wird?

GVE

gottloser Vernunftsjurist

20.4.2024, 21:06:07

Hallo ihr zwei, das sind zwei richtig gute Beiträge, weswegen ich mich damit auch nochmal näher befasst habe. Beide Aussagen von euch fußen auf dem Grundproblem, ob dem Leistungszweck zwingend ein rechtsgeschäftliches Element innewohnen muss. Hierzu gibt es dann natürlich zwei Ansichten. "Aus dem finalen Merkmal der Zweckgerichtetheit wird vielfach der Schluss gezogen, dass mit jeder Leistung eine Zweckbestimmung einhergehe. Diese sei als Willenserklärung oder zumindest als geschäftsähnliche Handlung, auf die die Regeln über Willenserklärungen entsprechend anzuwenden sind, zu qualifizieren – mit der Folge, dass die zivilrechtlichen Regeln über die Geschäftsfähigkeit und die Anfechtbarkeit zur Anwendung gelangen [BGH und Teil der Lehre]. Die Gegenauffassung verneint die rechtsgeschäftliche Natur der Zweckbestimmung und verlangt lediglich einen natürlichen Leistungswillen. [Erman und HK-BGB" (Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 3 Rn. 25) Für diesen Fall bedeutet das: 1. Sofern man die Zweckgerichtetheit als tatsächliches Element ansieht, kommt es auf die natürliche Einsichtsfähigkeit an. Auch wenn jemand geschäftsunfähig ist, z.B. wegen einer unerkannten Geisteskrankheit, kann im konkreten Fall trotzdem noch die für eine Leistung i.S.d. Bereicherungsrechts erforderliche natürliche Einsichtsfähigkeit vorliegen. Entscheidend ist, ob der Leistende bei der Zuwendung noch in der Lage war, deren Bedeutung in ihren Grundzügen zu erkennen und sein Handeln danach auszurichten. Dies kann auch bei Geschäftsunfähigen im Einzelfall noch möglich sein. Es kommt also auf den konkreten geistigen Zustand zum Zeitpunkt der Leistung an. Die Geschäftsunfähigkeit indiziert zwar eine fehlende Einsichtsfähigkeit, schließt sie aber nicht zwingend aus. Je nach Begründung kann man also die Leistung hier annehmen oder nicht. 2. Wenn man beim Leistungszweck ein rechtsgeschäftliches Element verlangt, welcher Natur auch immer, dann mangelte es für die Leistung der notwendigen Geschäftsfähigkeit gem. § 105 II BGB. In Betracht käme dann noch die

Eingriffskondiktion

, wobei die Vorteile dieser Ansicht in der Folge fraglich bleiben.

Johannes Nebe

Johannes Nebe

23.8.2023, 09:51:31

Das Kausalgeschäft B-C ist doch eher unwirksam als nichtig, oder?

KLE

kleinerPadawan

23.8.2023, 10:04:53

Wo ist denn da bitte der Unterschied? Auch wenn im Gesetz beide Begriffe Verwendung finden, ist damit dasselbe gemeint. Wirkung bzw. Ergebnis sind doch das Gleiche. Habe noch die davon gehört, dass hier begrifflich unterschieden wird. Das ist wohl mal wieder juristische Haarspalterei überflüssig auf die Spitze getrieben xD

Johannes Nebe

Johannes Nebe

23.8.2023, 16:20:54

Ich dachte, ein nichtiges Rechtsgeschäft ist von Beginn an unwirksam, oder es, anders gesagt, ist nie existent gewesen. Kleiner Padawan, definiere für mich doch bitte genau die Grenze zwischen Haarspalterei und Präzision :)

LELEE

Leo Lee

24.8.2023, 15:06:08

Hallo kleinerPadawan und Johannes Nebe, vielen Dank für den produktive Diskurs! In der Tat liegen Nichtigkeit und Unwirksamkeit nah beieinander, hier jedoch der dogmatische Unterscheid: I. Nichtige Erklärungen und Rechtsgeschäfte sind zwar tatsächlich, aber nicht rechtlich existent: Etwa §§ 104 I, 105, 125 1, 134, 138 BGB. Nur ausnahmsweise sieht das Gesetz zur Vermeidung von Rückforderungsansprüchen die Möglichkeit der Heilung nichtiger Willenserklärungen oder Rechtsgeschäfte vor, so etwa § 311b I 2 BGB. II. Unwirksame Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte sind hingegen nicht bloß ein rein faktisches Geschehen, sondern erfüllen den Tatbestand einer Willenserklärung oder eines Rechtsgeschäfts. Sie sind auf Grund eines fehlenden Wirksamkeitserfordernisses allerdings (noch) nicht vollendet und daher auch (noch) ohne die gewollten Rechtsfolgen. Sie können jedoch noch WIRKSAM WERDEN. Beispiele hierfür sind: Verträge beschränkt Geschäftsfähiger (die schwebend unwirksam sind, aber noch wirksam werden können durch Zustimmung) oder Verträge des Vertreters ohne Vertretungsmacht. In der Klausur ist diese Unterscheidung nur von untergeordneter Bedeutung, da Sie auf das Ergebnis in den meisten Fällen (außer bei Genehmigungen nachträglich) keine Auswirkung haben :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

MayonnaiseOperator

MayonnaiseOperator

30.12.2023, 20:21:56

Liebes Jurafuchs-Team, inwiefern besteht hier ein Kondiktionsanspruch A gg B? Hierfür müsste A an den B geleistet haben, also *bewusst* (…) das Vermögen des B bereichert haben; schließt die Geschäftsunfähigkeit durch Geisteskrankheit nicht eben genau das aus? Die Einsichtsfähigkeit hinsichtlich der Leistung dürfe hier doch in einem solchen Fall nicht angenommen werden? LG!

Amelie

Amelie

14.5.2024, 13:19:23

Coole Frage! Habe gerade gegoogelt und bin hierauf gestoßen: “Zwar ist unter einer Leistung nach der gängigen Definition „jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens“ zu verstehen. Allerdings wird die Anwendung dieser Definition in schwierigen Fällen wohl kaum weiterhelfen. Denn zum einen muss der Leistende nicht wirklich bewusst, sondern lediglich zurechenbar handeln. Zum anderen ist nicht jeder verfolgte Zweck ausreichend.[...] Denn nach h.M. kann auch ein Geschäftsunfähiger eine wirksame Tilgungsbestimmung [auch Zweckbestimmung genannt] treffen.” https://www.juraindividuell.de/artikel/bereicherungsrechtliche-mehrpersonenverhaeltnisse/

DAV

david1234

23.2.2024, 18:33:18

Müsste der geschäftsunfähige nicht noch Eigentümer sei ? Sowohl dinglich als auch Verpflichtung nicht, da geschäftsunfähig? Abhandenkommen ist die Sache dann doch auch, da auch hier geschäftsunfähig, so wurde es in einem anderen Kapitel jedenfalls gelöst.

LELEE

Leo Lee

26.2.2024, 18:46:54

Hallo David, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat ist die geschäftsunfähige A noch die Eigentümerin. Beachte jedoch, dass es hier nicht darum geht, dass A aus einem dinglichen Anspruch, sondern aus einem bereicherungsrechtlichen Anspruch die Waschmaschine herausverlangt. D.h., dass in der Tat – wie du anmerkst – bei einem Geschäftsunfähigen sowohl 985 als auch 812 vorliegen wird. Da jedoch die vorliegende Einheit sich auf das Bereicherungsrecht fokussierte, haben wir sofort den 812 geprüft. Hier hat A genauso einen Anspruch, da hier jegliche schuldrechtliche Verträge unwirksam waren. Beachte i.Ü., dass nur die Verpflichtung unwirksam, die Verfügung jedoch wirksam sein kann, wenn die A z.B. bei der

Übereignung

in gesunder Verfassung war, bei der Verpflichtung jedoch nicht (nicht mal so seltene Konstellation in einer Klausur) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LS2024

LS2024

10.3.2024, 10:28:03

Hier hätte B doch als Nichtberechtigter verfügt, da A bei der dinglichen Einigung geschäftsunfähig war. Damit würde sich der Anspruch des A nach BHG direkt gegen C auf Herausgabe des erlangten richten (§ 816 I 2 BGB analog). Nach hL dagegen könnte A von B die Kondiktion seines Kondiktionsanspruchs gegen C verlangen. Damit ist die Lösung nach beiden Ansichten falsch.

JURA

juravulpes

12.3.2024, 09:06:48

Laut SV ist (nur) der Kaufvertrag nichtig, nicht die dingliche Einigung.

LS2024

LS2024

12.3.2024, 09:41:04

Mhm, fair. Nicht wirklich intuitiv, aber dann richtig.

Sassun

Sassun

13.7.2024, 11:55:47

Auch noch in der aktuellen Auflage des Grünebergs (Stand: 2024) wird die Doppelkondiktion mit Verweis auf den BGH als "h.M." dargestellt, Grüneberg/Sprau § 812 Rn. 67. Die Wertersatzlösung wird nur mit "a.A." genannt.

LELEE

Leo Lee

14.7.2024, 12:38:02

Hallo Sassun, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat ist es nicht immer glücklich, wie die Begriffe „h.M.“ und „a.A.“ benutzt werden. Beachte, dass „h.M.“ prinzipiell eine etwas ungenaue Begrifflichkeit ist, zumal dieser Begriff impliziert, dass diese Meinung sowohl in der Rsp. Als auch in der Literatur geteilt wird. Dies ist aber ganz klar – bei diesem Problem – nicht der Fall. Denn die Lehre steht ganz klar hinter der Wertzersatzlösung, weshalb die Bezeichnung als „a.A.“ insofern unglücklich ist. Der Grund dahinter ist (vermutlich) der folgende: Der Grüneberg ist ein Kommentar, der traditionell von „Praktikern“ bearbeitet wird (dies erkannt man z.B. daran, dass aus den 12 Bearbeitern nur ein Bearbeiter aus der Lehre stammt; der Rest sind Richter bzw. Notare). Auch der Herr Hartwig Sprau, der den 812 kommentiert hat, ist Vizepräsdient des Bayerischen Obersten Landesgerichts a.D., weshalb aus seiner Sicht der Ansatz der Rspr. die „h.M.“ darstellen dürfte; das ist übrigens keine Seltenheit in Kommentaren (i.Ü. gibt es auch das gegenteilige Beispiel, in dem ein Prof etwa im MüKo die Literaturmeinung als „h.M.“ darstellt). Ich hoffe, dass sich dadurch unsere Bezeichnung als „h.L.“ verständlich geworden ist und sind selbstverständlich hier, falls du weitere Nachfragen hast :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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