Übergabe einer Willenserklärung mithilfe eines Empfangsboten
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S will eine Wohnung kündigen, die er von V gemietet hat. Nach dem Mietvertrag muss die Kündigung bis zum 31.3. erfolgen. S trifft am Morgen des 31.3. Vs Ehefrau F bei Lidl, die mit V zusammen wohnt. Er gibt F die Kündigung und bittet sie um Weitergabe an V.
Einordnung des Falls
Übergabe einer Willenserklärung mithilfe eines Empfangsboten
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Kündigung ist wirksam geworden, als S sie der F ausgehändigt hat.
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Nein, das trifft nicht zu!
2. Die Kündigung ist wirksam geworden, als unter normalen Umständen mit der Weiterleitung der Erklärung von F an V zu rechnen war.
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Ja!
3. Die Weiterleitung von F an V war noch am 31.3. zu erwarten.
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Genau, so ist das!
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EFN
26.7.2021, 14:09:00
Standard Fall, aber was hier nicht beachtet wird ist, dass Ehepartner nicht gleichzeitig heißt, dass die beiden zusammen wohnen. Sehr konservative Einstellung über Ehe und meiner Meinung nach veraltet. Der SV könnte dabei genauer sein.

Harun
25.10.2021, 20:31:13
Blödsinn. Selbstverständlich wird der Grossteil eines Ehepaars zusammen in einer Wohnung leben. Hier geht es nicht um gleichgeschlechtliche Paare deren Existenz verneint wird.

Lukas_Mengestu
16.12.2021, 14:21:10
Danke euch beiden. Um Missverständnisse zu vermeiden, haben wir klargestellt, dass V und F eine gemeinsame Wohnung besitzen. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
silasowicz
4.8.2023, 16:04:19
Ich finde es jedenfalls auch tatsächlich etwas voreilig, den Ehepartner selbst bei gemeinsamer Wohnung nur wegen der Verkehrsanschauung als Empfangsbote einzustufen, zumal es ja eine Erleichterung für den Erklärenden darstellt auf den Ehepartner zurückgreifen zu können...

iudexaquo
8.9.2023, 21:48:58
In der Erklärung steht aber auch, dass „unter normalen Umständen“ mit einer Kenntnisnahme noch am selben Tag zu rechnen ist. Das ist mMn auch lebensnah, eine solche Vermutung anzunehmen.
QuiGonTim
17.8.2023, 16:46:42
Ihr habt bei den Beispielen für mögliche Empfangsboten im Falle des Geschäftsmannes den kaufmännischen Angestellten genannt. Dieser wird m.E. jedoch regelmäßig Erklärungsvertreter sein.
Leo Lee
19.8.2023, 11:33:14
Hallo QuiGonTim, vielen Dank für den Hinweis! Diese Möglichkeit haben wir nun ergänzt im Text. Beachte jedoch, dass Angestellt - wie von dir auch zu Recht angemerkt - i.d.R. also in der Praxis Empfangsvertreter sein werden, hierfür sie jedoch gem. § 164 III BGB natürlich mit der entsprechenden Vertretungsmacht ausgestattet werden müssen. Hierzu kann ich MüKo-BGB, 9. Auflage, Schubert § 164 Rn. 259 f. empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
Unerkannt Geisteskrank
23.11.2023, 21:01:38
Wenn ich es richtig verstanden habe, liegt als in der Übergabe des Briefs die Abgabe der WE und der Zugang wird für den Moment angenommen, in dem die Ehefrau auf den Ehemann trifft und dadurch mit einem Zugang in den Machtbereich des Ehemanns zu rechnen ist. Könnte man ferner den Zugang auch annehmen, wenn der Brief der Frau übergeben wird, wenn man annimmt, dass eine GBR aus den Eheleuten besteht.
Leo Lee
25.11.2023, 11:51:06
Hallo Unerkannt Geisteskrank, die Übergabe wird hier „fiktiv“ definiert. D.h., dass der Zugang dann vorliegt, wann gewöhnlicherweise mit Weiterleitung zu rechnen war und nicht unbedingt dann, wenn die Ehefrau den Brief tatsächlich übergibt (als Merkposten kann man sich einfach vorstellen, dass Empfangsbote wie ein Briefkasten ist, der auch nicht tatsächlich geleert sein muss!). Magst du vielleicht noch kurz mitteilen, was du mit GBR genau meinst? Dann kann ich dir auch diesbzgl. gerne eine Antwort geben :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Unerkannt Geisteskrank
26.11.2023, 00:01:03
Vielen Dank für die Antwort! Wenn man annimmt, dass zwischen den Eheleuten eine GBR besteht, könnte man dann durch die Übergabe an die Ehefrau auch einen direkten Zugang an den Ehemann annehmen, der über das Innenverhältnis zu Stande kommt?