§ 476 I 1 bei Umgehung

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Studentin S bestellt bei Becherlieferant L 100 Plastikbecher. Dabei behauptet S am Telefon, sie sei Clubbetreiberin. Als scheinbare Unternehmerin erhofft sie sich bessere Konditionen. In Wahrheit braucht sie die Becher für eine WG-Party. S und L vereinbaren am Telefon einen Gewährleistungsausschluss. Die Becher werden mit Rissen ausgeliefert.

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Einordnung des Falls

§ 476 I 1 bei Umgehung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Grundsätzlich können bei einem Verbrauchsgüterkauf alle Gewährleistungsrechte beschränkt werden (§ 476 Abs. 1 S. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann sich der Unternehmer nicht auf solche Vereinbarungen berufen, die zum Nachteil des Verbrauchers von den §§ 433ff. BGB abweichen (§ 476 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies gilt sowohl für neue als auch für gebrauchte bewegliche Sachen.Eine Ausnahme besteht für Schadensersatzrechte. Diese stehen nach § 476 Abs. 3 BGB zur Disposition der Parteien. Dies ist auch mit der zugrundeliegenden europäischen Verbraucherrechte-Richtlinie verinbar, da diese keine Schadensersatzansprüche des Verbrauchers vorsieht.
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2. Der Gewährleistungsausschluss zwischen S und L ist unwirksam, weil S tatsächlich Verbraucherin ist und ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt.

Nein!

Verbraucher ist nach jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, welche – wie hier – weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (§ 13 BGB). Die §§ 474ff. BGB sind jedoch nach Treu und Glauben nicht anwendbar, wenn der Vertragspartner des Unternehmers bei Abschluss des Vertrages wahrheitswidrig als Gewerbetreibender auftritt und dadurch einen gewerblichen Geschäftszweck vortäuscht (§ 242 BGB, venire contra factum proprium). S hat bewusst wahrheitswidrig einen gewerblichen Verwendungszweck vorgetäuscht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

robse27

robse27

15.6.2023, 11:44:49

Ich habe eine Frage bzgl. der ersten Aufgabe bei dem Becher-Fall („Grundsätzlich können bei einem

Verbrauchsgüterkauf

die Gewährleistungsrechte beschränkt werden.“). Richtig sei „Nein“, verwiesen wird auf § 476 I 1. Allerdings erlaubt doch Abs. 3, dass dies für einen Anspruch auf SE gerade nicht gelte. Wäre die Antwort dann nicht eher „Ja“ (oder wegen dem „grundsätzlich“ dann doch nein)? Vielleicht könnte man ja die Ausnahme für den Schadensersatz (§ 476 III) bei der Erklärung noch ergänzen. 😊 LG Robert

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.6.2023, 16:01:55

Hallo Robse, herzlich willkommen im Forum und vielen Dank für Deinen guten Hinweis! Wir haben die Frage nun etwas eindeutiger formuliert und auch im Hinweistext noch ergänzt, dass Schadensersatzrechte in der Tat davon ausgenommen und grundsätzlich dispositiv sind. Damit sollte es nun noch klarer sein :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Bubbles

Bubbles

11.3.2024, 15:24:37

Der die Unternehmereigenschaft vortäuschende Verbraucher wird nicht zum Unternehmer, da die Verbrauchereigenschaft nach hM objektiv zu bestimmen ist. Es ist ihm wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nur verwehrt sich auf den Schutz der §§ 474 ff zu berufen. (Liauw, Jura 2014, 388, 389; MüKoBGB/Lorenz, § 474 Rn. 30; Eckpfeiler/Beckmann, 2022, N 295)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

12.3.2024, 12:14:33

Hallo Bubbles, danke dir für deinen Kommentar! Genauso ist es, und so stellt es unsere Lösung auch dar. Die E kann sich wegen des Grundsatzes venire contra factum proprium nicht auf Gewährleistungsrechte berufen. Sie ist nicht durch das Vortäuschen am Telefon tatsächlich zur Unternehmerin geworden. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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