„Normalfall“ - vorzugsweise Befriedigung (Zulässigkeit)

22. Mai 2025

3 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Hochzeitsausstatter H aus Hamburg betreibt in den Räumen der E eine Boutique. Dort hat H eine teure Mingvase aufgestellt. Als H weder Rechnungen seines Lieferanten L noch die Pacht an E bezahlt, lässt L die Mingvase pfänden.
Wie kommt E an die Pachtzahlung?

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Einordnung des Falls

„Normalfall“ - vorzugsweise Befriedigung (Zulässigkeit)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E kann sich im Wege der Drittwiderspruchsklage auf das Verpächterpfandrecht berufen (§ 771 ZPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Pfand- oder Vorzugsrecht stellt kein die Veräußerung hinderndes Recht dar. Dem Inhaber eines besitzlosen Pfand-oder Vorzugsrecht steht deshalb die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) nicht zur Verfügung. Statthaft ist gemäß § 805 ZPO die Klage auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös der Zwangsvollstreckung. Die Zwangsvollstreckung wird dadurch nicht verhindert. Allerdings kann man durch § 805 ZPO erreichen, dass man bis zur Höhe seiner Forderung aus dem Vollstreckungserlös der gepfändeten Sache vor dem Vollstreckungsgläubiger befriedigt wird.
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2. Zuständig für die Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805 ZPO) ist immer das Amtsgericht.

Nein, das trifft nicht zu!

Je nach Höhe des Streitwerts ist die Klage nach § 805 Abs. 2 ZPO beim • Vollstreckungsgericht (= Amtsgericht des Vollstreckungsbezirks, Legaldefinition des § 764 Abs. 2 ZPO) • oder beim dazugehörigen Landgericht zu erheben. Für das Landgericht richtet sich die Zuständigkeit dann nach § 805 Abs. 2 ZPO iVm §§ 23 Nr. 1, 71 GVG. § 805 Abs. 2 ZPO regelt die örtliche und die sachliche Zuständigkeit. Insgesamt ist die Zuständigkeit ausschließlich, gemäß § 802. Vorliegend ist das AG oder das LG Hamburg zuständig, weil die Zwangsvollstreckung in die Vase in Hamburg stattfindet.

3. Das Rechtsschutzbedürfnis beginnt mit Pfändung der Sache und endet mit vollständiger Auszahlung des Vollstreckungserlöses.

Ja!

Ist der Erlös bereits ausgezahlt, kann daraus auch nicht mehr vorzugsweise befriedigt werden. Dem Inhaber des Pfand-oder Vorzugsrechts bleiben dann nur noch materielle Ansprüche, etwa aus den §§ 812ff. BGB. E ist rechtsschutzbedürftig. Die Zwangsvollstreckung steht unmittelbar bevor, weil die Mingvase bereits gepfändet ist.

4. Außerdem müssen die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Zivilklage vorliegen.

Genau, so ist das!

Wie bei anderen Klagen können auch weitere Probleme in der Zulässigkeit bestehen. Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen solltest du nur dann ansprechen, wenn der Aktenauszug Anlass dazu gibt, wenn etwa die Parteien über weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen streiten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JJO

JJO

6.6.2024, 15:50:47

Gilt der Grundsatz, dass auch bei einer Klage nach §

805 ZPO

die allgemeinen Prozessvoraussetzungen (§§ 50 ff. ZPO) vorliegen müssen, für alle Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung? Für die

Vollstreckungsabwehrklage

, die Drittwiderspruchsklage und die Vorzugsklage müsste dies unproblematisch sein. Aber gelten die allgemeinen Prozessvoraussetzungen (Parteifähigkeit,

Postulationsfähigkeit

, Rechtshängigkeit etc.) auch für die

Vollstreckungserinnerung

und die sofortige

Beschwer

de? Wurde leider bisher in keinem Schema erwähnt. Bin daher etwas verwirrt.

GELD

Geldhatmanzuhaben

16.7.2024, 14:54:16

Meines Erachtens ja, da jeweils eine Prozesshandlung vorliegt.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

16.4.2025, 16:30:18

Hallo @[JJO](160002) und @[

Geld

hatmanzuhaben](256626), das ist eine sehr spannende Frage. Ich habe dazu kaum etwas finden können, die einschlägigen Kommentare erwähnen diese Voraussetzungen bei den zuletzt genannten Rechtsbehelfen in der Regel nicht. Ganz an der Gesetzessystematik orientiert würde ich grundsätzlich jedoch sagen: Alles, was in Buch 1 der ZPO (Allgemeine Vorschriften) steht, gilt grundsätzlich auch in den anderen Büchern, also auch in der Zwangsvollstreckung. Die Rechtshängigkeitssperre dagegen ist in

§ 261 ZPO

, also den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug, geregelt und findet daher unmittelbar keine Anwendung. Man könnte diesbezüglich höchstens über eine analoge Anwendung nachdenken, dazu habe ich aber nichts gefunden. Die Vorschriften hinsichtlich der materiellen Rechtskraft (

§ 322 ZPO

) sollen aber wohl entsprechend anwendbar sein, BeckOK ZPO/Preuß, 56. Ed. 1.3.2025, ZPO § 766 Rn. 65. Mit dem gleichen Argument würde ich das auch für die Rechtshängigkeitssperre vertreten. Trotz Anwendbarkeit von § 78 ZPO besteht beim Vollstreckungsgericht nie Anwaltszwang, da es sich dabei um Amtsgerichte handelt, § 764 ZPO. Für die Einlegung der sofortigen

Beschwer

de kann es ebenfalls keinen Anwaltszwang geben, da nach § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO die Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle stets möglich ist, wenn in der vorherigen Instanz kein Anwaltszwang galt. Das ist beim Vollstreckungsgericht stets der Fall. Aufgrunddessen gilt dann auch für die Einlegung der sofortigen

Beschwer

de über § 78 Abs. 3 Var. 3 ZPO, dass kein Anwaltszwang gilt. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team


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