Grundfall: Missbrauch der Vertretungsmacht


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Klassisches Klausurproblem

K ist als Koch im Restaurant des R auch für Obst- und Gemüsebestellungen bei Lieferant L zuständig. R hat ihm zwar eine unbeschränkte Außenvollmacht gegenüber L erteilt, jedoch hat er K angewiesen, stets nur regionale Produkte zu bestellen. K bestellt eine Kiste Ananas bei L.

Einordnung des Falls

Grundfall: Missbrauch der Vertretungsmacht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat eine eigene Willenserklärung im Namen des R abgegeben.

Ja!

Eine Hilfsperson gibt eine eigene Willenserklärung ab, wenn sie aus Sicht eines objektiven Empfängers über ein gewisses Maß an Entschließungsfreiheit verfügt. Die Willenserklärung gilt als in fremdem Namen abgegeben, wenn nach außen erkennbar ist, dass sie für einen anderen, nämlich den Vertreter gelten soll. Da R den K gegenüber L zu den Bestellungen bevollmächtigt hat, war nach außen erkennbar, dass K über ein gewisses Maß an Entschließungsfreiheit verfügt. Ferner war damit ersichtlich, dass K die Bestellungen für R tätigt.

2. K hat Vertretungsmacht für Obst- und Gemüsebestellungen bei L. Auch die Bestellung einer Kiste Ananas ist hiervon erfasst.

Genau, so ist das!

Allein eine Vollmachtserteilung führt nicht zwangsläufig dazu, dass der Vertreter mit Vertretungsmacht handelt. Vielmehr muss der Umfang der erteilten Vollmacht das getätigte Rechtsgeschäft erfassen. Der Umfang der Vollmacht ist durch Auslegung zu ermitteln. R hat dem K gegenüber L eine unbeschränkte Außenvollmacht für Obst- und Gemüsebestellungen erteilt. Hiervon wird auch die Bestellung einer Kiste Ananas erfasst.

3. Die Bestellung der Kiste Ananas wirkt für und gegen den R. Zwischen R und L kam ein Kaufvertrag zustande.

Ja, in der Tat!

Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB). Unerheblich ist, ob der Vertreter durch sein Handeln gegen das Grundverhältnis (= rechtliches Dürfen) verstößt. Solange er sich im Rahmen der Vertretungsmacht (= rechtliches Können) bewegt, wird der Geschäftsherr grundsätzlich wirksam verpflichtet. Dies nennt man einen sog. Missbrauch der Vertretungsmacht. K hat im Rahmen seiner Vertretungsmacht gehandelt und den R damit wirksam verpflichtet. Unerheblich ist, dass er von R die Weisung bekommen hat, nur regionale Produkte zu bestellen. Der Geschäftsherr hat im Falle eines Missbrauchs der Vertretungsmacht unter Umständen einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Vertreter wegen Verletzung des Grundverhältnisses.

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JO

jomolino

7.2.2022, 13:16:34

Vielleicht könntet ihr noch ergänzen in einer Frage, dass durch das überschreiten des dürfend ja RECHTSFOLGEn im innenverhältnis ausgelost werden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.2.2022, 12:41:37

Danke für den Hinweis, nomamo. Dass der Geschäftsherr gegen den Vertreter Schadensersatzansprüche aus dem Grundverhältnis geltend machen kann, haben wir in der letzten Aufgabe als Vertiefungshinweis erwähnt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

REUS04

Reus04

14.4.2023, 00:09:07

Hallo Jurafuchs Team, Was ist wenn R keine unbeschränkte Außenvollmacht erteilt hätte? Wäre K dann Vertreter ohne Vertretungsmacht?

REUS04

Reus04

17.4.2023, 11:11:50

?

TUBAT

TubaTheo

25.5.2023, 20:08:12

Hätte R die Außenvollmacht eingeschränkt, also dem L beispielsweise mitgeteilt, dass K nur regionale Produkte bestellen darf, so läge nur noch eine beschränkte Außenvollmacht vor. Würde K also trotzdem Ananas bestellen, so wäre K Vertreter ohne Vertretungsmacht. Da L allerdings über die Beschränkung der Vollmacht Bescheid weiß (Außenvollmacht), ist er quasi "selbst schuld", wenn er das Rechtsgeschäft eingeht. Er kannte ja den Mangel. Nach § 179 III S. 1 haftet K also dann auch als Vertreter ohne Vertretungsmacht nicht. Das wäre das, was ich dazu gesagt hätte. Falls das Jurafuchs-Team antwortet, sehen wir ja, ob es nicht doch anders ist. Beste Grüße ;)

QUIG

QuiGonTim

29.11.2023, 22:41:11

Macht es in diesem Fall Sinn auf die Wertung des § 170 BGB zu verweisen? Aus der Norm wird schließlich deutlich, dass der Außenvollmacht im Kollisionsfall Vorrang vor der Innenvollmacht gewährt wird.


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