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Klassisches Klausurproblem

Prokurist P ist bei Autohaus A angestellt. G möchte seinen Gebrauchtwagen verkaufen und verspricht P eine „Vermittlungsprämie“, wenn A das Auto des G überteuert ankauft. Kurz darauf schließt P im Namen des A mit G einen entsprechenden Kaufvertrag.

Einordnung des Falls

Kollusion

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P ist als Prokurist grundsätzlich zum Ankauf von Autos bevollmächtigt.

Diese Rechtsfrage lösen 99,2 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

Ja, in der Tat!

Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 49 Abs. 1 HGB). Dabei ist es unerheblich, ob das konkrete Geschäft typischerweise zu dem Handelsgewerbe gehört, in dem der Prokurist angestellt ist. Damit sind auch branchenfremde Geschäfte von der Prokura gedeckt. Ausgeschlossen sind aber sog. Grundlagengeschäfte (wie die Änderung des Unternehmensgegenstandes, Betriebseinstellung oder -veräußerung, Liquidation), Prinzipalgeschäfte (wie die Erteilung von Prokura/Unterprokura, § 48 Abs. 1 HGB; Anmeldung der Firma zum Handelsregister, §§ 29, 31 HGB) und Grundstücksgeschäfte (§ 49 Abs. 2 HGB). Bei einem Autohaus gehört der Ankauf der Fahrzeuge sogar zu einem branchenüblichen Geschäft. P hatte somit grundsätzlich Vollmacht.

2. Der Kaufvertrag ist wegen Kollusion und damit Sittenwidrigkeit nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen 74,0 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

Ja!

Wenn der Vertreter und sein Geschäftsgegner „hinter dem Rücken” des Vertretenen und zu dessen Schaden gehandelt haben (Kollusion), ist ihre Absprache sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) und daher nichtig.Kollusion liegt vor, wenn Vertreter und Geschäftsgegner bewusst zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirken, etwa dann, wenn sich der Vertreter im Einverständnis mit dem Vertragspartner zum Schaden des Vertretenen einen Vorteil verschafft. Hier haben P und G eine Vereinbarung getroffen, bei der P zum Nachteil des A einen Vorteil erhalten hat. Mithin haben P und G kollusiv zusammengewirkt und der Kaufvertrag ist nichtig.

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DG

DGR

18.1.2022, 00:15:49

Kommt hier auch ein Insichgeschäft in Betracht?

VI

Victor

18.1.2022, 08:52:47

Nein da der P nicht auf beiden Seiten auftritt. Das hier ist ein klassischer Fall der Kollusion. Anders wäre es, wenn er auch den V vetritt und dann für ihn mit A einen Kaufvertrag abschliesst. Hier handelt V aber selbstständig. Somit § 181 BGB (-)

QU

QuiGonTim

29.10.2023, 21:40:41

Wie würde der Aufbau eines solchen Falles in der Klausur aussehen? Bejaht man zunächst die Wirkung der WE des P für und gegen das Autohaus nach § 164 Abs. 1 S. 1 BGB, kommt dann aber unter „rechtshindernde Einwendungen“ zur Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB?

LL

Leo Lee

5.11.2023, 08:30:39

Hallo QuiGonTim, wir würden vorschlagen, in der Klausur wie folgt vorzugehen: I. Voraussetzungen einer Stellvertretung (eigene WE, im fremden Namen…II. Kein Ausschluss. Bei „Kein Ausschluss“ würdest du dann die Kollusion erwähnen und subsumieren. Man kann es zwar als rechtshindernde Einwendung beschreiben; da es jedoch hier nicht darum geht, dass der Vertrag an sich sittenwidrig ist, sondern nur die Stellvertretung, würden wir empfehlen, diesen Fall der Sittenwidrigkeit (Kollusion) als „Ausschlussgrund“ der Stellvertretung zu prüfen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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