Beschwerdefähigkeit des Nasciturus

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Bundestag hebt § 218 StGB (Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs) ersatzlos auf. Die in der zwanzigsten Woche schwangere S sieht dadurch das Recht auf Leben ihres ungeborenen Kindes K gefährdet und erhebt in dessen Namen Verfassungsbeschwerde.

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Einordnung des Falls

Beschwerdefähigkeit des Nasciturus

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn K – vertreten durch S – beschwerdefähig ist (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).

Genau, so ist das!

Fähig, eine Beschwerde zum BVerfG zu erheben (Beschwerdefähigkeit) ist jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt worden zu sein (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG). Beschwerdefähig sind alle Personen, die Träger eines der als verletzt gerügten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte sein können. Wer hinsichtlich des geltend gemachten Grundrechts grundrechtsfähig, ist somit auch beschwerdefähig. In diesem Sinne entspricht die Beschwerdefähigkeit der Grundrechtsfähigkeit.
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2. Das ungeborene Kind kann nie Träger von Grundrechten sein.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Embryo kann jedenfalls Träger des Rechts auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und der Menschenwürde sein (Art. 1 Abs. 1 GG). Er ist also hinsichtlich dieser Grundrechte grundrechtsfähig. Streitig ist nur, wann der Lebensschutz genau beginnt. Nach einer Ansicht beginnt er bereits mit der Verschmelzung> von Ei- und Samenzelle (Imprägnation), nach anderer Ansicht erst mit der Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter (Nidation). Auch die Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) hat pränatale Vorwirkungen, wie z.B. 1923 Abs. 2 BGB (Erbfähigkeit des nondum conceptus) zeigt.

3. S rügt hier die Verletzung des Grundrechts auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) des K. Ist K beschwerdefähig (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG)?

Ja!

Beschwerdefähig sind alle Personen, die Träger eines der als verletzt gerügten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte sein können.Maßgeblich ist also die Grundrechtsfähigkeit hinsichtlich des konkret gerügten Grundrechts. Jeder lebende Mensch ist Grundrechtsträger des Rechts auf Leben. Der Lebensschutz beginnt dabei spätestens mit der Nidation (so auch BVerfG). S ist in der zwanzigsten Woche schwanger. Damit hat die Nidation, die innerhalb der ersten Woche nach Befruchtung erfolgt, bereits stattgefunden. Der in S heranwachsende Embryo K ist bereits vom Recht auf Leben geschützt. Er ist somit hinsichtlich Art. 2 Abs. 2 S. 1 grundrechts- und damit auch beschwerdefähig.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Ala

Ala

5.9.2024, 12:33:14

Was ist mit der Aussage „Auf die tatsächliche Trägerschaft des gerügten Rechts kommt es nicht an.“ gemeint? Ist dee Satz etwas unglücklich formuliert und meint die

Grundrechtsmündigkeit

?


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