+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
F verkauft mit notariellem Vertrag an D ohne Kenntnis ihres Ehemanns M ihr Hausgrundstück und erklärt zugleich die Auflassung. Dabei versichert F wahrheitswidrig, sie verfüge noch über weitere erhebliche Vermögenswerte. Als M hiervon erfährt, klärt er D auf und verweigert seine Zustimmung. D wird anschließend dennoch ins Grundbuch eingetragen.
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Einordnung des Falls
Nachträgliche Kenntnis kurz vor Eintragung ins Grundbuch
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. D ist nur Eigentümer des Grundstücks geworden, wenn das Verfügungsverbot aus § 1365 BGB nicht eingreift.
Ja!
Der Eigentumserwerb an einem Grundstück setzt eine wirksame Einigung über den Eigentumsübergang voraus (Auflassung, § 925 BGB). Nach § 1365 BGB bedürfen Geschäfte eines Ehegatten über (nahezu) das gesamte Vermögen, der Zustimmung des anderen Ehegatten, wenn sie in der Zugewinngemeinschaft leben. Der Ehegatte kann dem getätigten Geschäft auch nachträglich genehmigen (§ 1366 BGB). Tut er dies nicht, ist das Geschäft gegenüber jedermann unwirksam, § 1366 Abs. 4 BGB. Die §§ 1365, 1369 BGB stellen also absolute Verfügungsverbote dar. Der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis des Ehegatten ist nicht geschützt.F und M leben - mangels anderweitiger Angaben - im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Eine Zustimmung bzw. Genehmigung durch M liegt nicht vor. Die Auflassung ist somit nur wirksam, wenn eine solche nicht notwendig ist, weil die sonstigen Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind.
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2. Da F lediglich über ihr Grundstück verfügt hat, hat sie nach herrschender Auffassung keine „Verfügung über ihr Vermögen im Ganzen“ getroffen (§ 1365 Abs. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Nach der herrschenden Einzeltheorie ergibt sich aus dem Schutzzweck der Norm, dass auch Verfügungen über einen einzelnen Vermögensgegenstand ein Gesamtvermögensgeschäft i.S.d. § 1365 BGB darstellen, wenn dieses bei wirtschaftlicher Betrachtung faktisch nahezu das gesamte Vermögen des Ehegatten ausmacht. Davon ist auszugehen, wenn dem Ehegatten ein Restvermögen von weniger als 15% bei mittleren bzw. 10% bei großen Vermögen verbleibt.
Da F neben dem Hausgrundstück keine nennenswerten Vermögenswerte besitzt, handelt es sich hierbei nach der Einzeltheorie um ein Gesamtvermögensgeschäft.
3. § 1365 BGB greift allerdings nur, wenn der Verfügungsempfänger (hier D) von dem Charakter der Verfügung als „Verfügung über Vermögen im Ganzen“ Kenntnis hat.
Ja, in der Tat!
Aus Gründen des Verkehrsschutzes bedarf es bei Verfügungen über Einzelgegenstände aber zusätzlich der subjektiven Kenntnis (bzw. fahrlässigen Unkenntnis) des Vertragspartners, dass es sich um ein Gesamtvermögensgeschäft handelt.
Jedenfalls bei Abschluss des Kaufvertrags und der erklärten Auflassung durfte D aufgrund der Aussagen der F davon ausgehen, dass es sich nicht um ein Gesamtvermögensgeschäft handelt. Allerdings wurde M noch vor der Eintragung ins Grundbuch und damit vor Vollendung der Eigentumsübertragung von M über den Sachverhalt informiert. Entscheidend ist somit, auf welchen Zeitpunkt bezüglich der Kenntnis abzustellen ist.
Das Erfordernis der Kenntnis des Vertragspartners muss sich immer auf Charakter der Verfügung als „Verfügung über Vermögen im Ganzen“ beziehen. Eine fehlende Kenntnis davon, dass der Verfügende im gesetzlichen Güterstand lebt, ist unbeachtlich.
4. Ist D Eigentümer des Grundstücks geworden, wenn man im Hinblick auf seine (fehlende) Kenntnis auf die Vollendung des Eigentumserwerbs (=Eintragung ins Grundbuch) abstellt?
Nein!
Teilweise wird vertreten, dass es im Hinblick auf die Kenntnis vom Gesamtvermögensgeschäft auf die Vollendung des Rechtserwerbs ankomme. Begründet wird dies mit dem Schutzbedürfnis des Ehepartners, dem damit am stärksten Rücksicht getragen wird.Da D zum Zeitpunkt der Grundbucheintragung bereits darüber informiert war, dass das Grundstück nahezu das gesamte Vermögen der F darstellte, wäre die Auflassung und damit auch die Grundstücksübertragung aufgrund des Verfügungsverbotes aus § 1365 Abs. 1 BGB unwirksam.In Anlehnung an § 892 Abs. 2 BGB wird vereinzelt auch auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem der Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt eingeht.
5. Nach herrschender Auffassung ist im Hinblick auf die Kenntnis des Vertragspartners auf den Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts abzustellen.
Genau, so ist das!
Das abgeschlossene Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag) wird durch spätere Kenntnis des Vertragspartners von der Zustimmungsbedürftigkeit nicht tangiert. Es bleibt dabei, dass das Verpflichtungsgeschäft nicht zustimmungsbedürftig ist. Nach BGH und h.L. bedarf dann aber auch das Verfügungsgeschäft keiner Zustimmung mehr durch den anderen Ehepartner. Dafür spricht zum einen der Verkehrsschutz, zum anderen aber auch die Systematik. § 1365 Abs. 1 S. 2 BGB kann nicht unabhängig von S. 1 gelesen werden. Aus dem Verhältnis beider Sätze ergibt sich, dass das Erfüllungsgeschäft keiner Zustimmung bedarf, wenn auch das Verpflichtungsgeschäft keiner Zustimmung bedarf. Folglich müsse eine nachträgliche Kenntnis unbeachtlich bleiben.
6. Ist D wirksam Eigentümer geworden?
Ja, in der Tat!
Nach herrschender Auffassung kommt es für die subjektive Kenntnis des Vertragspartners vom Gesamtvermögensgeschäft auf den Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts an. Nachträgliche Kenntnis ist dagegen unschädlich.
D erfährt hier erst nach Abschluss des Kaufvertrags und der Auflassung davon, dass es sich bei dem Grundstück um nahezu das gesamte Vermögen der F handelt. Mangels subjektiver Kenntnis liegen die Vorraussetzungen des Verfügungsverbotes aus § 1365 Abs. 1 BGB hier nicht vor und D ist durch die Eintragung wirksam Eigentümer nach §§ 873 Abs. 1, 925 BGB geworden.Wäre die Übereignung dagegen unwirksam, so stünde F gegen D ein Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung zu (§ 894 BGB). Diesen könnte M in eigenem Namen geltend machen (§ 1368 BGB). In einer solch sachenrechtlichen Einkleidung könnte Dir diese Problematik in der Klausur begegnen.