+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Student T nimmt die Geldautomatenkarte seiner Mitbewohnerin O aus deren auf dem Küchentisch liegenden Geldbörse. Damit geht er kurzerhand zum nächsten Bankautomaten, hebt 100 € in bar ab und legt die Karte wie von Anfang an geplant zurück in die Geldbörse.

Einordnung des Falls

Objekt der Zueignung | EC-Karten – Fall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat die EC-Karte, eine fremde bewegliche Sache, weggenommen im Sinne von § 242 Abs. 1 StGB.

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Ja, in der Tat!

Wegnahme bezeichnet den Bruch fremden und die Begründung neuen nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Gewahrsam wird als die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft, deren Reichweite sich anhand der Verkehrsanschauung bestimmt. Gegen einen zunächst bestehenden Alleingewahrsam der O an der Geldbörse und deren Inhalt spricht, dass sie diese in der Küche, also einem Gemeinschaftsraum aufbewahrte. Daher ist anzunehmen, dass Mitgewahrsam seitens aller Bewohner bestand. Indem T die O jedoch gänzlich von der tatsächlichen Sachherrschaft ausschloß, brach er den Mitgewahrsam der O, sodass eine Wegnahme in jedem Fall zu bejahen ist.

2. Gegenstand der Zueignung kann entweder die Sachsubstanz selbst oder der durch sie verkörperte Sachwert sein.

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Ja!

Nach der in der Rechtsprechung vorherrschenden Vereinigungstheorie ist maßgeblich, ob sich BGH: "der der Täter die Sache oder den in ihr verkörperten Sachwert mit Ausschlusswirkung gegen den Eigentümer dem eigenen Vermögen einverleibt."

3. T handelte in der Absicht, sich die Sachsubstanz der EC-Karte zuzueignen.

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Nein, das ist nicht der Fall!

T handelte zwar in der Absicht der vorübergehenden Aneignung, da er sich beim Abheben des Geldes eine Eigentümerstellung anmaßen muss. Aufgrund seines konkreten Rückführungswillens fehlt es jedoch hinsichtlich der Sachsubstanz am Vorsatz der dauerhaften Enteignung.

4. T handelte in der Absicht, sich den in der EC-Karte unmittelbar verkörperten Sachwert zuzueignen.

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Nein, das trifft nicht zu!

Die Codekarte verkörpert anders als das Sparbuch nicht das sich auf dem Konto befindlichen Guthaben sondern fungiert im Zusammenspiel mit einem Code vielmehr als Schlüssel zu einem bestimmten Girokonto.Nach der Absicht des T soll also die weggenommene Sache ohne Wertminderung wieder an die Berechtigte zurückgelangen. Insoweit handelt es sich nur um eine straflose Gebrauchsanmaßung, eine Strafbarkeit nach §242 Abs. 1 StGB scheidet folglich aus.

5. Eine Wegnahme an dem durch den Automaten ausgegebenen Bargeld scheidet aus, da dieser durch T äußerlich ordnungsgemäß bedient wurde.

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Ja!

Eine Wegnahme, genauer des Tatbestandsmerkmal des "Bruchs" würde durch ein tatbestandsausschließendes Einverständnis seitens der Bank ausgeschlossen. Fraglich ist, woran die Bank an solches Einverständnis knüpft bzw. knüpfen kann. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist hierfür das äußerlich funktionsgerecht Bedienen des Automaten, also Einführen der Codekarte sowie Eingabe des richtigen Codes maßgeblich (BGHSt 35, 152 = NJW 1988, 979).

6. Die Geldscheine im Ausgabefach des Geldautomaten sind für T fremd.

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Ja!

Die Geldscheine im Ausgabefach standen zunächst im Eigentum des Geldinstituts. Zwar erfolgte mit der Ausgabe ein Einigungsangebot gem. § 929 S. 1 BGB. Adressat ist nach den vertraglichen Beziehungen sowie der Interessenlage der berechtigte, nicht aber ein unberechtigter Benutzer des Geldautomaten. Dies gilt auch dann, wenn eine technisch ordnungsgemäße Bedienung des Automaten voranging, denn das Geldinstitut hat keinen Anlass, das ihm gehörende im Automaten befindliche Geld demjenigen zu übereignen, der unbefugt darauf zugreift. Eine Übereignung hat somit nicht stattgefunden.

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