Kommerzialisierungsgedanke bzgl. Internetanschlusses


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Klassisches Klausurproblem

Der Internetanbieter von Student S ist Unitymedia (U). Als er seinen Vertrag auf eine schnellere Leitung umstellen lässt, fällt sein Internetanschluss komplett aus. Als er zwei Monate später immer noch ohne Internet dasteht, wechselt er zur Telekom und verlangt von U Ersatz für die entgangene Nutzungsmöglichkeit des Internets.

Einordnung des Falls

Kommerzialisierungsgedanke bzgl. Internetanschlusses

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hat einen Schaden erlitten.

Ja!

Ob jemand einen Schaden erlitten hat, wird durch die Differenzhypothese ermittelt, indem ein Vergleich zwischen zwei Güterlagen vorgenommen wird: (1) Was ist jetzt die konkrete tatsächliche Lage des Geschädigten mit schädigendem Ereignis und (2) wie wäre jetzt seine hypothetische Lage, wenn das Schadensereignis nicht eingetreten wäre? Ein Schaden liegt vor, wenn sich ein Unterschied zwischen beiden Güterlagen ergibt, der sich zu Lasten des Geschädigten auswirkt.Hätte U nicht vertragswidrig kein Internet zur Verfügung gestellt, hätte S nicht 2 Monate lang die Nutzungsmöglichkeit des Internets eingebüßt.

2. Der Schaden des S ist nach § 249 BGB im Wege der Naturalrestitution ersetzbar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Geschädigte kann vom Schädiger verlangen, dass dieser den Zustand herstellt, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB, Naturalrestitution). Voraussetzung für die Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 und 2 BGB ist jedoch, dass die Wiederherstellung noch möglich ist. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss zu § 251 Abs. 1 BGB, der subsidiär erst bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution einschlägig ist (Vorrang der Naturalrestitution).Die verlorene Nutzungsmöglichkeit kann nicht wiederhergestellt werden, sodass S diesbezüglich nicht Naturalrestitution nach § 249 BGB verlangen kann.

3. S kann die entgangene Nutzungsmöglichkeit als Nichtvermögensschaden nach § 253 BGB ersetzt verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden (§ 253 Abs. 1 BGB). Solche Fälle sind unter anderem die Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung (§ 253 Abs. 2 BGB) oder nutzlos aufwendete Urlaubszeit (§ 651n Abs. 2 BGB).Entschädigung für die entgangene Nutzungsmöglichkeit des Internets ist nicht speziell geregelt, sodass die entgangene Nutzungsmöglichkeit nicht entschädigt werden könnte.

4. S kann die entgangene Nutzungsmöglichkeit als Nichtvermögensschaden nach § 251 BGB ersetzt verlangen.

Nein!

§ 251 BGB ermöglicht Ersatz für eine eingetretene Vermögensminderung (Schadenskompensation). § 251 BGB gilt (1) nur für Vermögensschäden und ist auch nur dann einschlägig, (2) wenn die Naturalrestitution unmöglich (§ 251 Abs. 1 BGB) oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist (§ 251 Abs. 2 BGB, zusammen der Vorrang der Naturalrestitution).Hier ist die Naturalrestitution zwar unmöglich. Nichtvermögensschäden sind jedoch nicht nach § 251 BGB ersetzbar. Die Ersetzbarkeit der entgangenen Nutzungsmöglichkeit hängt also allein davon ab, ob sie einen Vermögensschaden iSv § 251 BGB darstellt.

5. Die entgangene Nutzungsmöglichkeit ist immer ein nach § 251 Abs. 1 BGB ersetzbarer Vermögensschaden, weil die Nutzungsmöglichkeit gegen Geld erworben werden kann (Kommerzialisierungsgedanke).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Vermögens- wird vom Nichtvermögensschaden danach abgegrenzt, ob der jeweilige Schaden in Geld messbar ist. Es gibt jedoch keine allgemeingültigen Kriterien dafür, wann eine solche Messbarkeit vorliegt. Weil prinzipiell alles gegen Geld erwerbbar und damit messbar ist, kommt es auf eine Kommerzialisierung jedoch grundsätzlich nicht an (kein „Kommerzialisierungsgedanke“). Ansonsten würde die von § 253 Abs. 1 BGB grundsätzlich angeordnete Nichtersetzbarkeit von Nichtvermögensschaden unterlaufen.

6. Eine entgangene private Nutzungsmöglichkeit kann ausnahmsweise als Vermögensschaden nach § 251 Abs. 1 BGB ersetzbar sein.

Ja, in der Tat!

Nach der Rechtsprechung ist die entgangene privaten Nutzungsmöglichkeit nur ein Vermögensschaden, wenn (1) es sich um ein Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung handelt, (2) in den Gegenstand selbst eingegriffen wurde und (3) die Nutzungsbeeinträchtigung fühlbar ist.Von zentraler Bedeutung können etwa sein: Das Kfz oder Fahrrad als Fortbewegungsmittel, die Wohnung, oder der Internetzugang. Die Nutzungsbeeinträchtigung ist fühlbar, wenn der Geschädigte (1) einen Nutzungswillen und (2) eine hypothetische Nutzungsmöglichkeit hat. Daran fehlt es etwa, wenn der Geschädigte einen vergleichbaren Ersatzgegenstand hat oder wenn der Geschädigte im Krankenhaus liegt und er den Gegenstand deshalb ohnehin nicht hätte nutzen können.

7. Das Internet ist ein Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung.

Ja!

BGH: Die Nutzbarkeit des Internets sei ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung sei und bei dem sich eine Funktionsstörung als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirke. Das Internet ersetze wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr andere Medien. Darüber hinaus ermögliche es den weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern. Zudem werde es zunehmend zur Anbahnung und zum Abschluss von Verträgen, zur Abwicklung von Rechtsgeschäften und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten genutzt. (RdNr. 23).

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