Fall zum Nutzungsausfallschaden bei Nichtleistung - Jurafuchs

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs-Illustration zum Fall zum Nutzungsausfallschaden bei Nichtleistung: Auf einem Zeitstrahl erkennt man, wann ein Käufer von einem Verkäufer ein Ringlicht gekauft hat und wann dieses zu spät geliefert worden ist.
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Klassisches Klausurproblem

K bestellt bei V ein Ringlicht für ihren Youtubekanal. Da V nicht liefert, setzt K am 1.12. eine Nachfrist bis zum 6.12. Am 7.12 erklärt sie den Rücktritt. Ein anderes Ringlicht kann sie erst am 15.12. kaufen. K fordert Ersatz ihrer entgangenen Einnahmen am 3.12. (€400) und 10.12. (€800).

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Einordnung des Falls

Nutzungsausfallschaden bei Nichtleistung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat V, indem sie das Ringlicht nicht geliefert hat, ihre vertraglich geschuldete Pflicht verletzt?

Ja!

Eine Pflichtverletzung ist jede objektive Abweichung des Verhaltens einer Partei des Schuldverhältnisses vom geschuldeten Pflichtenprogramm des § 241 BGB. Bei einem Kaufvertrag ist der Verkäufer verpflichtet die Sache zu übergeben und zu übereignen.Da K und V nichts anderes vereinbart haben, war V sofort (§ 271 Abs. 1 BGB) verpflichtet, das Ringlicht an K zu versenden. Indem sie dies unterlassen hat, hat sie ihre Pflicht verletzt.
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2. Ist die Art des Schadens entscheidend für die Frage, ob und welche zusätzlichen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch notwendig sind (§280 Abs. 2, 3 BGB)?

Genau, so ist das!

Grundtatbestand ist § 280 Abs. 1 BGB. Ob zu den dort geregelten Voraussetzungen, noch weitere treten, bestimmt sich maßgeblich nach dem eingetretenen Schaden. Beeinträchtigungen des Leistungsinteresses (Schaden statt der Leistung) sind nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 3, 281-283 BGB bzw. § 311a Abs. 2 S. 1 BGB ersetzbar. Diese sollen den Schuldner davor schützen, dass der Gläubiger ihn vorschnell auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Sie dienen damit der Sicherung des Vorrangs des Anspruchs auf Erfüllung. Bei Beeinträchtigungen des Integritätsinteresses (Schaden neben der Leistung) bedarf es dagegen - außer beim Verzögerungsschaden (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) - keiner weiteren Voraussetzungen.In der Klausur ist für jede Schadensposition gesondert zu ermitteln, ob ein Schaden statt oder neben der Leistung vorliegt!

3. Handelt es sich bei Bei Ks entgangenen Werbeeinnahmen vom 3.12. um einen Schaden neben der Leistung?

Ja, in der Tat!

Zum Schadensersatz neben der Leistung gehören alle Beeinträchtigungen der Rechtsgüter des Gläubigers, die auch bei einer Leistungserbringung zum spätestmöglichen Zeitpunkt nicht mehr entfielen.Selbst wenn V innerhalb der gesetzten Nachfrist (bis 6.12.) das Ringlicht geliefert hätte, so wäre der Verdienstausfall vom 3.12. (€200) bestehen geblieben. Damit liegt ein Schaden neben der Leistung vor.

4. Ist Anspruchsgrundlage für die entgangenen Einnahmen vom 3.12. allein § 280 Abs. 1 BGB?

Nein!

Schäden neben der Leistung sind allein unter den Voraussetzungen von § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen, sofern es sich bei ihnen nicht um Verzögerungsschäden handelt. Verzögerungsschäden setzen nach § 280 Abs. 2, 286 BGB zusätzlich Schuldnerverzug voraus.Die Pflichtverletzung der V besteht in der verzögerten Lieferung. Somit kann K die Werbeeinnahmen nur bei Schuldnerverzug als Schaden ersetzt verlangen.

5. Kann K, da V sich am 3.12. im Schuldnerverzug befand, die entgangenen Einnahmen von € 400 nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ersetzt verlangen?

Genau, so ist das!

Der Schuldner gerät in Verzug, wenn er zu einem Zeitpunkt nicht erfüllt, in dem die Forderung wirksam, durchsetzbar und fällig ist, angemahnt (sofern eine Mahnung nicht entbehrlich ist (§ 286 Abs. 2 BGB)) und noch möglich (nachholbar) ist und er die Verzögerung zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB). Ks Forderung ist wirksam, durchsetzbar und sofort (§ 271 Abs. 1 BGB) fällig gewesen. Sie hatte V am 1.12. gemahnt. Das Vertretenmüssen wird vermutet. Durch die Mahnung am 1.12. geriet V in Verzug, der am 3.12. noch fortdauerte. Die entgangenen Gewinne (§§ 249 Abs. 1, 252 BGB) von €400 kann sie nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ersetzt verlangen.

6. Kann K, da V sich am 10.12. im Schuldnerverzug befand, die entgangenen Einnahmen von €800 nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ersetzt verlangen?

Nein, das trifft nicht zu!

Der Schuldnerverzug endet, wenn die Leistungspflicht des Schuldners erlischt. Durch den am 7.12. erklärten Rücktritt erlischt Vs Anspruch, das Ringlicht zu liefern. Zugleich endet aber auch der Schuldnerverzug. Da sich V somit am 10.12. nicht mehr im Schuldnerverzug befindet, kann K für die entgangenen Einnahmen keinen Ersatz nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB verlangen.

7. Handelt es sich bei Ks entgangenen Werbeeinnahmen vom 10.12. um einen Schaden statt der Leistung? Es könnte ein Anspruch nach § 280 Abs. 1, 3, 281 BGB vorliegen.

Ja!

Zum Schadensersatz statt der Leistung gehören nach h.M. alle Schadensposten, die durch eine Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunk entfallen würden. Verzögerungsschäden, die nach diesem Zeitpunkt entstehen, können nur noch als Bestandteil des Schadensersatzes statt der Leistung ersetzt werden.Durch den Rücktritt erlischt der Anspruch des Schuldners, die Leistung zu erbringen. Der letztmögliche Zeitpunkt für V, das Ringlicht zu liefern, war somit zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 7.12. Hätte V zu diesem Zeitpunkt geliefert, hätte K den Werbeauftrag am 10.12. wahrnehmen können. Bei den entgangenen Gewinnen handelt es sich insoweit um einen Schaden statt der Leistung. Anspruchsgrundlage hierfür ist §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB.

8. Kann K die entgangenen Einnahmen am 10.12 (€800) nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB ersetzt verlangen?

Genau, so ist das!

Der Anspruch setzt voraus: (1) Schuldverhältnis(=Kaufvertrag), (2) der Schuldner leistet - trotz Möglichkeit - nicht ordnungsgemäß(=Mangel),(3) erfolgloser Ablauf einer vom Gläubiger gesetzte, angemessene Nachfrist, (4) Vertretenmüssen des Schuldners und (5) Schaden des Gläubigers .K und V haben einen Kaufvertrag geschlossen und V trotz der bis zum 6.12 gesetzten Frist nicht geliefert. Das Vertretenmüssen wird vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Da K auf die Schnelle kein Ersatzlicht bekam, beruhten die entgangen Gewinne auf der Verzögerung. K kann die €800 als Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB ersetzt verlangen. Hier zeigt sich, dass man sauber die Schadenspositionen trennen muss. Die "gleiche" Schadensart (=Nutzungsausfall) kann einmal Schaden statt oder neben der Leistung sein.
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