Auktion – "Huhu, Walther!"
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B nimmt zum ersten Mal an einer Weinauktion in Trier teil. Während der Versteigerung eines 1961er Château Haut Brion betritt sein Arbeitskollege W den Saal. B winkt ihm zu und ruft zur Begrüßung: “Huhu, Walther!“
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Einordnung des Falls
Auktion – "Huhu, Walther!"
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis entsteht, wenn die Beteiligten einen Vertrag schließen.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Eine Willenserklärung besteht aus einem subjektiven und einem objektiven Tatbestand.
Genau, so ist das!
3. Das Verhalten des B lässt auf das Vorliegen eines Handlungswillens schließen.
Ja, in der Tat!
4. Bs Verhalten lässt auf das Vorliegen eines Erklärungsbewusstseins schließen. B hatte Rechtsbindungswillen.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Niklas
8.1.2021, 13:44:37
Warum wird hier nicht auf das potenzielle Erklärungsbewusstsein eingegangen? Der Fall ist dafür beispielhaft. VG
lillschi
8.1.2021, 20:36:06
Ich verstehe was du meinst, aber hier ist schon aus objektiver Betrachtung kein Erklärungsbewusstsein vorhanden, da B zu seiner winkenden Bewegung auch noch den Namen ruft. Wie in der der Antwort beschrieben ist es nur als soziale Interaktion zu werten. Dann bleibt kein Raum mehr für potentielles Erklärungsbewusstsein. Dies ist eine leichte Abwandlung des Klassikers, den du (glaube ich) meinst.
Gerald von Trivia
12.4.2021, 09:35:47
Was unterscheidet diesen Fall hier, denn vom Klassiker in dem uns von Anfang an beigebracht wurde, dass es hier auf das potentielle Erklärungsbewusstsein ankommt?
Tigerwitsch
28.4.2021, 21:31:47
Im Rahmen des pot. Erklärungsbewusstsein kommt es darauf an, wie das Verhalten nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen wäre. Ein solches liegt dann vor, wenn der Erklärende hätte erkennen können, dass sein Verhalten von anderen als WE verstanden werden muss und nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der
Verkehrssitteauch so verstanden werden darf. Im Klassiker hebt der Erklärende die Hand, während der Auktionator den Zuschlag erteilen will; er sagt auch nichts weiter (auch wenn er jmd. zuwinkt). Im vorliegenden Fall winkt B einem anderen zu und ruft gleichzeitig dessen Vornamen. Er hat insoweit kein Erklärungsbewusstsein, da er zum ersten Mal bei einer Weinauktion ist und die Gepflogenheiten nicht kennt. Für ihn stellt es sich als normales Begrüßen dar.
Tigerwitsch
28.4.2021, 21:36:55
Schließlich konnte B auch nicht erkennen, dass sein Verhalten von anderen als eine Willenserklärung verstanden wird (er ist zum ersten Mal dabei). Nach der
Verkehrssitteist das Winken und dem zusätzlichen Rufen des Vornamens auch lediglich als Begrüßung zu qualifizieren. Mit anderen Worten kann dieses Verhalten nicht als „Hand heben“ als rechtliche Interaktion im Rahmen der Weinauktion verstanden werden. In jedem Fall ist das Winken des B lediglich eine soziale Interaktion.
/qwas
23.1.2024, 09:37:59
Ist es für die Auslegung aus Sicht eines objektiven Empfängers von Bedeutung, dass B zum ersten Mal dabei war? Ich hätte das im subjektiven TB der WE verortet.
mareike01
7.12.2022, 06:45:16
Wieder einmal ein hervorragendes Beispiel, dass der Sachverhalt genau zu lesen ist!
Trierer Weinversteigerer
16.8.2023, 15:26:42
Der Fall kommt mir irgendwie bekannt vor…
Jennifer Sophie
15.7.2024, 13:35:58
Hii, liege ich komplett falsch, oder gehören Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und
Geschäftswillenicht in den subjektiven
Tatbestand?? Warum wird ständig geschrieben "im Rahmen des objektiven TBs"? Der äußere
Tatbestand ist doch lediglich die ausdrückliche, konkludierte oder schweigende Erklärung?
Jan Ludwig
30.7.2024, 15:08:52
Der objektive
Tatbestand stellt das äußere Gegenstück zum subjektiven
Tatbestand dar. Beim objektiven
Tatbestand gucken wir, einfach gesagt, ob sich aus dem objektiven Verhalten der subjektive
Tatbestand feststellen lässt. Beispiel: Wir gucken im objektiven
Tatbestand, ob sich aus dem Verhalten objektiv Handlungswille des Erklärenden erkennen lässt. Ob dieser Handlungswille des Erklärenden dann auch
tatsächlich bei ihm vorliegt, prüfen wir dann im subjektiven
Tatbestand, nachdem wir den objektiven
Tatbestand bejaht haben.
Jennifer Sophie
30.7.2024, 15:22:34
Huh. Aber ich kann ja nicht im objektiven TB herausfinden was sein Wille ist? Das geht schon allein gegen den Wortlaut? Es gibt ja nicht grundlos den objektiven
Empfängerhorizont, indem geschaut wird ob eine *Erklärung* an sich vorliegt, der Wille und Bewusstsein geht dort erstmal außen vor und kommt dann im subjektiven TB. Wenn alles passt, hab ich eine Willenserklärung vorliegen.
Jan Ludwig
30.7.2024, 15:27:35
Genau, deswegen ermittelst du ja den Willen an sich erst im subjektiven
Tatbestand. Im objektiven
Tatbestand schaust du nur, ob sich das Verhalten aus Sicht eines objektiven Dritten so darstellt, als hätte der Erklärende den entsprechenden subjektiven Willen. Du guckst dir also im objektiven
Tatbestand nur das Verhalten an und guckst, ob sich der Erklärende so verhält als hätte er 1. Handlungswille, 2. Erklärungsbewusstsein und 3.
Geschäftswille.
Jennifer Sophie
30.7.2024, 15:31:08
ACHSO ich verstehe jetzt. Du bist ein Engel, Dankeschön!