Pflichtengebundener Geschäftsführer IV

16. April 2025

21 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

In dem Haus, das M von V gemietet hat, ist ein Wasserrohr gebrochen. Das daraus entweichende Wasser droht den Keller zu überschwemmen. Da V telefonisch nicht erreichbar ist, beauftragt M den Klempner K mit der Reparatur des Rohrbruchs für €240, welche dieser sofort ausführt.

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Einordnung des Falls

Pflichtengebundener Geschäftsführer IV

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat einen Anspruch auf Zahlung der € 240 gegen V aus § 631 Abs. 1 BGB wegen der Reparatur des Rohrbruchs.

Nein!

Nach § 631 Abs. 1 BGB wird durch den Werkvertrag der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Hier hat K den M mit der Reparatur gegen Zahlung von €240 beauftragt. K und M haben damit einen Werkvertrag geschlossen (§ 631 Abs. 1 BGB). V und K haben dagegen keinen Vertrag geschlossen. Daher hat K keinen Anspruch aus § 631 Abs. 1 BGB gegen V. Der Vertrag zwischen K und M hat erzeugt keinerlei vertragliche Bindung im Verhältnis zu V. (Relativität der Schuldverhältnisse).
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2. K könnte jedoch einen Aufwendungsersatzanspruch (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) gegen V haben. Liegen die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB vor?

Genau, so ist das!

Ein auch-fremdes Geschäft fällt nach außen erkennbar sowohl in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen, als auch in denjenigen des Geschäftsführers selbst. Das Reparieren des Rohrbruchs ist ein Geschäft des V als Vermieter und Eigentümer des Hauses und damit für K fremd. Da sich K jedoch gegenüber M gleichzeitig vertraglich zur Durchführung des Geschäfts verpflichtet hat, ist es auch ein Geschäft des K selbst.

3. Da die Reparatur auch dem mutmaßlichen Willen des V entspracht, liegt eine echte, berechtigte GoA vor (§§ 677, 683 S. 1 BGB). Steht somit nach Auffassung des BGH dem K gegen V ein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA, gerichtet auf Zahlung der €240, zu (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Laut BGH werde eine zu weitreichende Bejahung von Ansprüchen aus GoA durch die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens bei auch fremden Geschäften durch Korrekturen an anderen Stellen verhindert. Eine solche Korrektur kann unter anderem in den Fällen des pflichtgebundenen Geschäftsführers vorzunehmen sein, in denen der Geschäftsführer aufgrund eines Vertrages mit einem Dritten zur Ausführung des Geschäfts verpflichtet ist. Sofern dieser Vertrag die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere die Entgeltfrage umfassend regle, werde ein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA verdrängt. Der Vertrag zwischen M und K regelt die Entgeltfrage abschließend. K kann daher keinen Aufwendungsersatz aus GoA gegen V geltend machen, sondern er muss sich an seinen Vertragspartner M halten. Gegen diesen hat K einen Anspruch auf Werklohn aus § 631 Abs. 1 BGB. Für eine tiefere Darstellung dieser Fallgruppe schaue Dir die früheren Aufgaben in diesem Kapitel an.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

7.5.2023, 02:41:47

Die GoA tritt also hinter die vertragliche Verpflichtung des § 535 BGB zurück?

INDUB

InDubioProsecco

8.6.2023, 12:49:00

Das wäre auch meine Frage: Liegt hier ein tatbestandlicher Anspruch vor, dessen Durchsetzung wir ablehnen?

CR7

CR7

31.7.2023, 16:33:40

Das frage ich mich auch! 🤔💭

BI

Bilbo

5.9.2023, 11:10:55

Same.

BL

Blotgrim

23.5.2024, 16:19:28

Wenn ich die Problematik richtig verstanden habe ja. Der durch den Vertrag verpflichtete kann nicht von seinem Vertragspartner UND vom GH eine Vergütung verlangen, sondern nur von seinem Vertragspartner

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

13.9.2024, 12:32:39

Hallo @[DeliktusMaximus](178154), iE lehnt der BGH einen Aufwendungsersatzanspruch des geschäftsführenden K gegen den Geschäftsherrn V aus GoA ab, wobei das mit § 535 BGB mE nur sehr begrenzt zu tun hat. Begründet wird es vielmehr damit, dass wir hier einen Vertrag zwischen M und K haben, der "die Entgeltfrage abschließend regelt" (so wörtlich BGH NJW-RR 2004, 956, 956). In solchen Fällen, so der BGH, sei die vertragliche Beziehung zwischen M und K vorrangig, K könne sich also nur an M und nicht (auch) an V halten. Das ist deshalb sinnvoll, weil V sonst das Insolvenzrisiko des M ggü K tragen würde, für den Fall, dass M pleite geht. Das soll nicht sein, deshalb korrigiert der BGH in diesen Fällen das Ergebnis. An welchem Prüfungspunkt der BGH das genau festmacht, ist nicht eindeutig. Es klingt aber nach einem Ausschluss des Anspruchs trotz eigentlich vorliegenden Tatbestandsvoraussetzungen aus übergeordneten Gründen, hier wegen des vorrangigen Vertragsverhältnisses zwischen M und K. Von einem TdL wird eingewandt (mE nicht ganz zu Unrecht), dass diese Korrektur des BGH überhaupt nur deshalb erforderlich sei, weil er vorschnell ein auch-fremdes Geschäft bzw dahingehenden

Fremdgeschäftsführungswille

n annimmt (NJW 2010, 1243, 1245). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

WY

Wysiati

21.9.2024, 12:40:40

Hallo @[Sebastian Schmitt](263562), nach deiner Antwort sei also entscheidend, dass die Entgeltfrage abschließend geregelt sei. Das hat bei mir nämlich auch bei früheren Aufgaben schon zu Verwirrung geführt. Denn ihr schreibt in den Aufgaben, die Entgeltverpflichtung müsse „umfassend“ geregelt sein. Was für mich nach umfassenden Regelungen zu Zahlungsmodalitäten, Umfang und was man sonst alles vereinbaren kann klingt. Könntet ihr stattdessen vielleicht treffender schreiben „abschließend“ statt „umfangreich“ und, dass umfassend zur Zahlung verpflichtet sein muss, aber nicht die Regelungen „umfassend“ sein müssen? Außerdem: wäre dieser Aspekt des Ausschlusses des Anspruchs zur Prüfung nicht in der Anwendbarkeit am besten aufgehoben oder möchte man einfach zeigen, dass die TBM vorliegen, und erst danach ausschließen?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

21.9.2024, 13:19:07

Hallo @[Wysiati](262458), sorry für die Verwirrung, mein Fehler! Der BGH formuliert wie wir in der Aufgabe (und entgegen meiner obigen Ausführungen): "Eine Inanspruchnahme des „Geschäftsherrn” kommt dann nicht in Betracht, wenn die Verpflichtung des „Geschäftsführers” auf einem mit einem Dritten wirksam geschlossenen Vertrag beruht, der Rechte und Pflichten des „Geschäftsführers” und insbesondere die Entgeltfrage UMFASSEND regelt. Eine solche UMFASSENDE Regelung der Entgeltfrage innerhalb der wirksamen Vertragsbeziehung ist hinsichtlich des Ausgleichs für die jeweils erbrachten Leistungen auch im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich ABSCHLIEßEND." (BGH NJW-RR 2004, 956, 956) Ich kann verstehen, dass das in der Lösung sprachlich nicht eindeutig rüberkommt, aber wir würden vor diesem Hintergrund die Formulierung des BGH gerne beibehalten. Was der BGH mit seiner Formulierung im Detail meint und welche Anforderungen an eine "umfassende Regelung" zu stellen sind, bleibt leider etwas unklar, weil der BGH das nicht großartig präzisiert. Er begnügt sich mit der Feststellung, dass ein Pauschalbetrag als Vergütung vereinbart war, evtl genügte ihm das in diesem Fall für eine "umfassende Regelung". Weitere Erläuterungen unsererseits wären vor diesem Hintergrund bloße Vermutungen, auf die wir an dieser Stelle gerne verzichten würden. Zuletzt lässt sich sicher vertreten, dass das schon eine Frage des Anwendungsbereichs ist. Dem Urteil lässt sich wie gesagt weder das noch das Gegenteil eindeutig entnehmen. Dass es eine Frage des Anwendungsbereichs ist, ergibt sich jedenfalls nicht allein daraus, dass der BGH die Voraussetzungen der GoA nicht mehr im Detail prüft, weil das Urteil wegen § 313 III ZPO ja ohnehin nur die tragenden Erwägungen enthalten muss. Aus didaktischen Gründen würden wir für unseren Fall gerne die Voraussetzungen der GoA weiterhin einmal durchsprechen wollen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

WY

Wysiati

21.9.2024, 18:18:16

@[Sebastian Schmitt](263562) Vielen Dank für die detaillierte und klare Antwort. Vor allem auch für das genaue Zitat!

lexspecialia

lexspecialia

28.8.2023, 18:04:09

Hallo miteinander. Unter welchen Prüfungspunkt lehne ich den Aufwendungsersatzanspruch nach der GoA ab, also wo genau thematisiere ich dann den BGH: das die Entgeltfrage eben schon durch Vertrag geregelt ist ?

HAN

hannabuma

13.2.2024, 16:35:05

Du kannst das am Ende der Tatbestandsprüfung als seperaten Prüfungspunkt einbauen, und dort die vom BGH vertretene Einschränkung des Tatbestands vornehmen.

ajboby90

ajboby90

22.6.2024, 17:30:45

Ich verstehe überhaupt nicht, warum man hier eine Geschäftsführung durch K überhaupt thematisiert. Er ist doch nur der verpflichtete Handwerker. GoA kommt doch im Verhältnis M - V in Betracht, wegen der Beauftragung.

Neal Caffrey

Neal Caffrey

23.6.2024, 09:48:15

Indem K den Rohrbruch im Haus des V repariert, führt er eine tatsächliche Handlung (

Geschäftsbesorgung

) aus, die zumindest auch den Rechtskreis des V berührt (V ist schließlich Eigentümer des Hauses). Eine echte berechtigte GoA im Verhältnis M - V liegt aber durch das Beauftragen des K auch vor, da hast du Recht. Genau das ist auch ein Argument dafür, dass K gegen V keine

Ansprüche aus GoA

haben sollte. Denn dann wäre V sowohl gegenüber M als auch gegenüber K zum Aufwendungsersatz verpflichtet. Du musst eine GoA im Verhältnis K - M allerdings trotzdem anprüfen und dann eben (nach Literaturansicht) beim

Fremdgeschäftsführungswille

aussteigen.

LELEE

Leo Lee

23.6.2024, 14:13:23

Hallo ajboby, vielen Dank für deine sehr gute Frage! In der Tat könnte man meinen, die Frage sei im „falschen“ Kapitel, zumal der Handwerker einen Vertrag hat, aufgrund dessen er tätig wird. Beachte allerdings, dass gerade diese Konstellation die des sog. „pflichtengebundenen Geschäftsführers“ darstellt. D.h., ein Geschäftsführer, der aufgrund eines Vertrags beauftragt wird, hat zunächst einen vertraglichen Anspruch gegen den Besteller (also hier den M). Allerdings stellt sich ebenfalls die Frage, ob der Handwerker auch gegen den V, der ihn gerade NICHT beauftragt hat, ebenfalls einen Anspruch hat. Und weil hier ein Vertrag zw. K und V vorliegt, kommt eben eine GoA in Betracht. Allerdings stellt sich hier die o.g. Frage des pflichtengebundenen Geschäftsführers, der seine Leistungen bereits mit einem anderen (M) durchgeregelt hat. D.h. also: Fokus liegt hier auf die Ansprüche von K gegen V und nicht gegen M. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 47 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

paulmachtexamen

paulmachtexamen

20.9.2024, 18:29:35

Bekommt M von V dann aber die 240€ über das Mietrecht nach 536a II Nr. 2 als Aufwendungsersatz ersetzt?


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