Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA

Pflichtengebundener Geschäftsführer IV

Pflichtengebundener Geschäftsführer IV

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

In dem Haus, das M von V gemietet hat, ist ein Wasserrohr gebrochen. Das daraus entweichende Wasser droht den Keller zu überschwemmen. Da V telefonisch nicht erreichbar ist, beauftragt M den Klempner K mit der Reparatur des Rohrbruchs für €240, welche dieser sofort ausführt.

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Einordnung des Falls

Pflichtengebundener Geschäftsführer IV

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat einen Anspruch auf Zahlung der €240 gegen V aus § 631 Abs. 1 BGB wegen des Reparierens des Rohrbruchs.

Nein!

Nach § 631 Abs. 1 BGB wird durch den Werkvertrag der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. V und K haben keinen Vertrag geschlossen. Daher hat K keinen Anspruch aus § 631 Abs. 1 BGB gegen V. Jedoch hat K mit M vereinbart, dass er den Rohrbruch reparieren wird. Dies stellt einen Werkvertrag dar, der K einen Anspruch gegen M auf Entrichtung des vereinbarten Werklohns in Höhe von €240 BGB gewährt.
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2. Das Reparieren des Rohrbruchs stellt für K ein auch fremdes Geschäft dar.

Genau, so ist das!

Ein auch-fremdes Geschäft fällt nach außen erkennbar sowohl in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen, als auch in denjenigen des Geschäftsführers selbst. Das Reparieren des Rohrbruchs ist ein Geschäft des V als Vermieter und Eigentümer des Hauses und damit für K fremd. Da sich K jedoch gegenüber M gleichzeitig vertraglich zur Durchführung des Geschäfts verpflichtet hat, ist es auch ein Geschäft des K selbst.

3. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach Auffassung des BGH widerlegbar vermutet.

Ja, in der Tat!

Der Fremdgeschäftsführungswille wird laut BGH bei auch fremden Geschäften genauso wie bei objektiv fremden Geschäften grundsätzlich widerlegbar vermutet. Eine gegebenenfalls hierdurch zu weitreichende Bejahung von Ansprüchen aus GoA werde durch wertende Korrekturen an anderen Stellen verhindert. Die Reparatur des Wasserrohrs stellt für K ein auch-fremdes Geschäft dar. Nach Ansicht der Literatur muss dagegen der Fremdgeschäftsführungswillen stets positiv festgestellt werden. Nicht deutet darauf hin, dass K einen solchen Fremdgeschäftsführungswillen hatte. Vielmehr handelte er mit Eigengeschäftsführungswillen, weil er seine vertragliche Verpflichtung gegenüber M erfüllen wollte.

4. Die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB sind erfüllt.

Ja!

Nach § 677 BGB setzen Ansprüche aus echter GoA (egal, ob berechtigt oder unberechtigt) voraus, dass ein Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführt, (3) ohne vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Das Reparieren des Rohrbruchs stellt ein für K auch fremdes Geschäft dar. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet. V hat K weder zum Reparieren des Rohrbruchs beauftragt, noch war K gegenüber V sonst dazu berechtigt.

5. Das Reparieren des Rohrbruchs stellt eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.

Genau, so ist das!

Eine GoA ist nach § 683 S. 1 BGB berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist dabei stets vorrangig zu prüfen. Sein mutmaßlicher Wille wird erst relevant, wenn sein wirklicher Wille nicht ermittelbar ist, weil er diesen nicht geäußert hat. Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ergibt sich in der Regel aus seinem objektiven Interesse. V konnte seinen Willen in Bezug auf das Reparieren des Rohrbruchs nicht äußern, da er zu diesem Zeitpunkt nicht erreichbar war. Sein mutmaßlicher Wille ergibt sich aus seinem objektiven Interesse. Das Reparieren des Rohrbruchs durch K entsprach Vs objektivem Interesse, da andernfalls weitere Schäden am Haus durch das austretende Wasser verursacht worden wären.

6. Nach Auffassung des BGH steht K auch gegen V ein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA zu (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Laut BGH werde eine zu weitreichende Bejahung von Ansprüchen aus GoA durch die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens bei auch fremden Geschäften durch Korrekturen an anderen Stellen verhindert. Eine solche Korrektur kann unter anderem in den Fällen des pflichtgebundenen Geschäftsführers vorzunehmen sein, in denen der Geschäftsführer aufgrund eines Vertrages mit einem Dritten zur Ausführung des Geschäfts verpflichtet ist. Sofern dieser Vertrag "die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere die Entgeltfrage umfassend reg[le]", werde ein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA verdrängt. Der Vertrag zwischen M und K regelt die Entgeltfrage. Nach einem anderen Senat des BGH genüge es für eine umfassende Regelung der Entgeltfrage, dass "die Entgeltlichkeit überhaupt und im Sinne einer umfassenden Vergütungspflicht des Auftraggebers vereinbart ist" (BGH NZV 2012, 535, 537).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

7.5.2023, 02:41:47

Die GoA tritt also hinter die vertragliche Verpflichtung des § 535 BGB zurück?

INDUB

InDubioProsecco

8.6.2023, 12:49:00

Das wäre auch meine Frage: Liegt hier ein tatbestandlicher Anspruch vor, dessen Durchsetzung wir ablehnen?

CR7

CR7

31.7.2023, 16:33:40

Das frage ich mich auch! 🤔💭

BI

Bilbo

5.9.2023, 11:10:55

Same.

BL

Blotgrim

23.5.2024, 16:19:28

Wenn ich die Problematik richtig verstanden habe ja. Der durch den Vertrag verpflichtete kann nicht von seinem Vertragspartner UND vom GH eine Vergütung verlangen, sondern nur von seinem Vertragspartner

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

13.9.2024, 12:32:39

Hallo @[DeliktusMaximus](178154), iE lehnt der BGH einen

Aufwendungsersatzanspruch

des geschäftsführenden K gegen den Geschäftsherrn V aus GoA ab, wobei das mit § 535 BGB mE nur sehr begrenzt zu tun hat. Begründet wird es vielmehr damit, dass wir hier einen Vertrag zwischen M und K haben, der "die Entgeltfrage abschließend regelt" (so wörtlich BGH NJW-RR 2004, 956, 956). In solchen Fällen, so der BGH, sei die vertragliche Beziehung zwischen M und K vorrangig, K könne sich also nur an M und nicht (auch) an V halten. Das ist deshalb sinnvoll, weil V sonst das Insolvenzrisiko des M ggü K tragen würde, für den Fall, dass M pleite geht. Das soll nicht sein, deshalb korrigiert der BGH in diesen Fällen das Ergebnis. An welchem Prüfungspunkt der BGH das genau festmacht, ist nicht eindeutig. Es klingt aber nach einem Ausschluss des Anspruchs trotz eigentlich vorliegenden Tatbestandsvoraussetzungen aus übergeordneten Gründen, hier wegen des vorrangigen Vertragsverhältnisses zwischen M und K. Von einem TdL wird eingewandt (mE nicht ganz zu Unrecht), dass diese Korrektur des BGH überhaupt nur deshalb erforderlich sei, weil er vorschnell ein auch-fremdes Geschäft bzw dahingehenden

Fremdgeschäftsführungswille

n annimmt (NJW 2010, 1243, 1245). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

WY

Wysiati

21.9.2024, 12:40:40

Hallo @[Sebastian Schmitt](263562), nach deiner Antwort sei also entscheidend, dass die Entgeltfrage abschließend geregelt sei. Das hat bei mir nämlich auch bei früheren Aufgaben schon zu Verwirrung geführt. Denn ihr schreibt in den Aufgaben, die Entgeltverpflichtung müsse „umfassend“ geregelt sein. Was für mich nach umfassenden Regelungen zu Zahlungsmodalitäten, Umfang und was man sonst alles vereinbaren kann klingt. Könntet ihr stattdessen vielleicht treffender schreiben „abschließend“ statt „umfangreich“ und, dass umfassend zur Zahlung verpflichtet sein muss, aber nicht die Regelungen „umfassend“ sein müssen? Außerdem: wäre dieser Aspekt des Ausschlusses des Anspruchs zur Prüfung nicht in der Anwendbarkeit am besten aufgehoben oder möchte man einfach zeigen, dass die TBM vorliegen, und erst danach ausschließen?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

21.9.2024, 13:19:07

Hallo @[Wysiati](262458), sorry für die Verwirrung, mein Fehler! Der BGH formuliert wie wir in der Aufgabe (und entgegen meiner obigen Ausführungen): "Eine Inanspruchnahme des „Geschäftsherrn” kommt dann nicht in Betracht, wenn die Verpflichtung des „Geschäftsführers” auf einem mit einem Dritten wirksam geschlossenen Vertrag beruht, der Rechte und Pflichten des „Geschäftsführers” und insbesondere die Entgeltfrage UMFASSEND regelt. Eine solche UMFASSENDE Regelung der Entgeltfrage innerhalb der wirksamen Vertragsbeziehung ist hinsichtlich des Ausgleichs für die jeweils erbrachten Leistungen auch im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich ABSCHLIEßEND." (BGH NJW-RR 2004, 956, 956) Ich kann verstehen, dass das in der Lösung sprachlich nicht eindeutig rüberkommt, aber wir würden vor diesem Hintergrund die Formulierung des BGH gerne beibehalten. Was der BGH mit seiner Formulierung im Detail meint und welche Anforderungen an eine "umfassende Regelung" zu stellen sind, bleibt leider etwas unklar, weil der BGH das nicht großartig präzisiert. Er begnügt sich mit der Feststellung, dass ein Pauschalbetrag als Vergütung vereinbart war, evtl genügte ihm das in diesem Fall für eine "umfassende Regelung". Weitere Erläuterungen unsererseits wären vor diesem Hintergrund bloße Vermutungen, auf die wir an dieser Stelle gerne verzichten würden. Zuletzt lässt sich sicher vertreten, dass das schon eine Frage des Anwendungsbereichs ist. Dem Urteil lässt sich wie gesagt weder das noch das Gegenteil eindeutig entnehmen. Dass es eine Frage des Anwendungsbereichs ist, ergibt sich jedenfalls nicht allein daraus, dass der BGH die Voraussetzungen der GoA nicht mehr im Detail prüft, weil das Urteil wegen § 313 III ZPO ja ohnehin nur die tragenden Erwägungen enthalten muss. Aus didaktischen Gründen würden wir für unseren Fall gerne die Voraussetzungen der GoA weiterhin einmal durchsprechen wollen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

WY

Wysiati

21.9.2024, 18:18:16

@[Sebastian Schmitt](263562) Vielen Dank für die detaillierte und klare Antwort. Vor allem auch für das genaue Zitat!

lexspecialia

lexspecialia

28.8.2023, 18:04:09

Hallo miteinander. Unter welchen Prüfungspunkt lehne ich den

Aufwendungsersatzanspruch

nach der GoA ab, also wo genau thematisiere ich dann den BGH: das die Entgeltfrage eben schon durch Vertrag geregelt ist ?

HAN

hannabuma

13.2.2024, 16:35:05

Du kannst das am Ende der Tatbestandsprüfung als seperaten Prüfungspunkt einbauen, und dort die vom BGH vertretene Einschränkung des Tatbestands vornehmen.

ajboby90

ajboby90

22.6.2024, 17:30:45

Ich verstehe überhaupt nicht, warum man hier eine Geschäftsführung durch K überhaupt thematisiert. Er ist doch nur der verpflichtete Handwerker. GoA kommt doch im Verhältnis M - V in Betracht, wegen der Beauftragung.

p6000

p6000

23.6.2024, 09:48:15

Indem K den Rohrbruch im Haus des V repariert, führt er eine tatsächliche Handlung (Geschäftsbesorgung) aus, die zumindest auch den Rechtskreis des V berührt (V ist schließlich Eigentümer des Hauses). Eine echte berechtigte GoA im Verhältnis M - V liegt aber durch das Beauftragen des K auch vor, da hast du Recht. Genau das ist auch ein Argument dafür, dass K gegen V keine Ansprüche aus GoA haben sollte. Denn dann wäre V sowohl gegenüber M als auch gegenüber K zum

Aufwendungsersatz

verpflichtet. Du musst eine GoA im Verhältnis K - M allerdings trotzdem anprüfen und dann eben (nach Literaturansicht) beim

Fremdgeschäftsführungswille

aussteigen.

LELEE

Leo Lee

23.6.2024, 14:13:23

Hallo ajboby, vielen Dank für deine sehr gute Frage! In der Tat könnte man meinen, die Frage sei im „falschen“ Kapitel, zumal der Handwerker einen Vertrag hat, aufgrund dessen er tätig wird. Beachte allerdings, dass gerade diese Konstellation die des sog. „pflichtengebundenen Geschäftsführers“ darstellt. D.h., ein Geschäftsführer, der aufgrund eines Vertrags beauftragt wird, hat zunächst einen vertraglichen Anspruch gegen den Besteller (also hier den M). Allerdings stellt sich ebenfalls die Frage, ob der Handwerker auch gegen den V, der ihn gerade NICHT beauftragt hat, ebenfalls einen Anspruch hat. Und weil hier ein Vertrag zw. K und V vorliegt, kommt eben eine GoA in Betracht. Allerdings stellt sich hier die o.g. Frage des pflichtengebundenen Geschäftsführers, der seine Leistungen bereits mit einem anderen (M) durchgeregelt hat. D.h. also: Fokus liegt hier auf die Ansprüche von K gegen V und nicht gegen M. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 47 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

paulmachtexamen

paulmachtexamen

20.9.2024, 18:29:35

Bekommt M von V dann aber die 240€ über das Mietrecht nach 536a II Nr. 2 als

Aufwendungsersatz

ersetzt?


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