Pflichtengebundener Geschäftsführer IV
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
In dem Haus, das M von V gemietet hat, ist ein Wasserrohr gebrochen. Das daraus entweichende Wasser droht den Keller zu überschwemmen. Da V telefonisch nicht erreichbar ist, beauftragt M den Klempner K mit der Reparatur des Rohrbruchs für €240, welche dieser sofort ausführt.
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Einordnung des Falls
Pflichtengebundener Geschäftsführer IV
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat einen Anspruch auf Zahlung der €240 gegen V aus § 631 Abs. 1 BGB wegen des Reparierens des Rohrbruchs.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Reparieren des Rohrbruchs stellt für K ein auch fremdes Geschäft dar.
Genau, so ist das!
3. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach Auffassung des BGH widerlegbar vermutet.
Ja, in der Tat!
4. Die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB sind erfüllt.
Ja!
5. Das Reparieren des Rohrbruchs stellt eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.
Genau, so ist das!
6. Nach Auffassung des BGH steht K auch gegen V ein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA zu (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
DeliktusMaximus
7.5.2023, 02:41:47
Die GoA tritt also hinter die vertragliche Verpflichtung des § 535 BGB zurück?
InDubioProsecco
8.6.2023, 12:49:00
Das wäre auch meine Frage: Liegt hier ein tatbestandlicher Anspruch vor, dessen Durchsetzung wir ablehnen?
CR7
31.7.2023, 16:33:40
Das frage ich mich auch! 🤔💭
Bilbo
5.9.2023, 11:10:55
Same.
Blotgrim
23.5.2024, 16:19:28
Wenn ich die Problematik richtig verstanden habe ja. Der durch den Vertrag verpflichtete kann nicht von seinem Vertragspartner UND vom GH eine Vergütung verlangen, sondern nur von seinem Vertragspartner
Sebastian Schmitt
13.9.2024, 12:32:39
Hallo @[DeliktusMaximus](178154), iE lehnt der BGH einen
Aufwendungsersatzanspruchdes geschäftsführenden K gegen den Geschäftsherrn V aus GoA ab, wobei das mit § 535 BGB mE nur sehr begrenzt zu tun hat. Begründet wird es vielmehr damit, dass wir hier einen Vertrag zwischen M und K haben, der "die Entgeltfrage abschließend regelt" (so wörtlich BGH NJW-RR 2004, 956, 956). In solchen Fällen, so der BGH, sei die vertragliche Beziehung zwischen M und K vorrangig, K könne sich also nur an M und nicht (auch) an V halten. Das ist deshalb sinnvoll, weil V sonst das Insolvenzrisiko des M ggü K tragen würde, für den Fall, dass M pleite geht. Das soll nicht sein, deshalb korrigiert der BGH in diesen Fällen das Ergebnis. An welchem Prüfungspunkt der BGH das genau festmacht, ist nicht eindeutig. Es klingt aber nach einem Ausschluss des Anspruchs trotz eigentlich vorliegenden Tatbestandsvoraussetzungen aus übergeordneten Gründen, hier wegen des vorrangigen Vertragsverhältnisses zwischen M und K. Von einem TdL wird eingewandt (mE nicht ganz zu Unrecht), dass diese Korrektur des BGH überhaupt nur deshalb erforderlich sei, weil er vorschnell ein auch-fremdes Geschäft bzw dahingehenden
Fremdgeschäftsführungswillen annimmt (NJW 2010, 1243, 1245). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Wysiati
21.9.2024, 12:40:40
Hallo @[Sebastian Schmitt](263562), nach deiner Antwort sei also entscheidend, dass die Entgeltfrage abschließend geregelt sei. Das hat bei mir nämlich auch bei früheren Aufgaben schon zu Verwirrung geführt. Denn ihr schreibt in den Aufgaben, die Entgeltverpflichtung müsse „umfassend“ geregelt sein. Was für mich nach umfassenden Regelungen zu Zahlungsmodalitäten, Umfang und was man sonst alles vereinbaren kann klingt. Könntet ihr stattdessen vielleicht treffender schreiben „abschließend“ statt „umfangreich“ und, dass umfassend zur Zahlung verpflichtet sein muss, aber nicht die Regelungen „umfassend“ sein müssen? Außerdem: wäre dieser Aspekt des Ausschlusses des Anspruchs zur Prüfung nicht in der Anwendbarkeit am besten aufgehoben oder möchte man einfach zeigen, dass die TBM vorliegen, und erst danach ausschließen?
Sebastian Schmitt
21.9.2024, 13:19:07
Hallo @[Wysiati](262458), sorry für die Verwirrung, mein Fehler! Der BGH formuliert wie wir in der Aufgabe (und entgegen meiner obigen Ausführungen): "Eine Inanspruchnahme des „Geschäftsherrn” kommt dann nicht in Betracht, wenn die Verpflichtung des „Geschäftsführers” auf einem mit einem Dritten wirksam geschlossenen Vertrag beruht, der Rechte und Pflichten des „Geschäftsführers” und insbesondere die Entgeltfrage UMFASSEND regelt. Eine solche UMFASSENDE Regelung der Entgeltfrage innerhalb der wirksamen Vertragsbeziehung ist hinsichtlich des Ausgleichs für die jeweils erbrachten Leistungen auch im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich ABSCHLIEßEND." (BGH NJW-RR 2004, 956, 956) Ich kann verstehen, dass das in der Lösung sprachlich nicht eindeutig rüberkommt, aber wir würden vor diesem Hintergrund die Formulierung des BGH gerne beibehalten. Was der BGH mit seiner Formulierung im Detail meint und welche Anforderungen an eine "umfassende Regelung" zu stellen sind, bleibt leider etwas unklar, weil der BGH das nicht großartig präzisiert. Er begnügt sich mit der Feststellung, dass ein Pauschalbetrag als Vergütung vereinbart war, evtl genügte ihm das in diesem Fall für eine "umfassende Regelung". Weitere Erläuterungen unsererseits wären vor diesem Hintergrund bloße Vermutungen, auf die wir an dieser Stelle gerne verzichten würden. Zuletzt lässt sich sicher vertreten, dass das schon eine Frage des Anwendungsbereichs ist. Dem Urteil lässt sich wie gesagt weder das noch das Gegenteil eindeutig entnehmen. Dass es eine Frage des Anwendungsbereichs ist, ergibt sich jedenfalls nicht allein daraus, dass der BGH die Voraussetzungen der GoA nicht mehr im Detail prüft, weil das Urteil wegen § 313 III ZPO ja ohnehin nur die tragenden Erwägungen enthalten muss. Aus didaktischen Gründen würden wir für unseren Fall gerne die Voraussetzungen der GoA weiterhin einmal durchsprechen wollen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Wysiati
21.9.2024, 18:18:16
@[Sebastian Schmitt](263562) Vielen Dank für die detaillierte und klare Antwort. Vor allem auch für das genaue Zitat!
lexspecialia
28.8.2023, 18:04:09
Hallo miteinander. Unter welchen Prüfungspunkt lehne ich den
Aufwendungsersatzanspruchnach der GoA ab, also wo genau thematisiere ich dann den BGH: das die Entgeltfrage eben schon durch Vertrag geregelt ist ?
hannabuma
13.2.2024, 16:35:05
Du kannst das am Ende der Tatbestandsprüfung als seperaten Prüfungspunkt einbauen, und dort die vom BGH vertretene Einschränkung des Tatbestands vornehmen.
ajboby90
22.6.2024, 17:30:45
Ich verstehe überhaupt nicht, warum man hier eine Geschäftsführung durch K überhaupt thematisiert. Er ist doch nur der verpflichtete Handwerker. GoA kommt doch im Verhältnis M - V in Betracht, wegen der Beauftragung.
p6000
23.6.2024, 09:48:15
Indem K den Rohrbruch im Haus des V repariert, führt er eine tatsächliche Handlung (Geschäftsbesorgung) aus, die zumindest auch den Rechtskreis des V berührt (V ist schließlich Eigentümer des Hauses). Eine echte berechtigte GoA im Verhältnis M - V liegt aber durch das Beauftragen des K auch vor, da hast du Recht. Genau das ist auch ein Argument dafür, dass K gegen V keine Ansprüche aus GoA haben sollte. Denn dann wäre V sowohl gegenüber M als auch gegenüber K zum
Aufwendungsersatzverpflichtet. Du musst eine GoA im Verhältnis K - M allerdings trotzdem anprüfen und dann eben (nach Literaturansicht) beim
Fremdgeschäftsführungswilleaussteigen.
Leo Lee
23.6.2024, 14:13:23
Hallo ajboby, vielen Dank für deine sehr gute Frage! In der Tat könnte man meinen, die Frage sei im „falschen“ Kapitel, zumal der Handwerker einen Vertrag hat, aufgrund dessen er tätig wird. Beachte allerdings, dass gerade diese Konstellation die des sog. „pflichtengebundenen Geschäftsführers“ darstellt. D.h., ein Geschäftsführer, der aufgrund eines Vertrags beauftragt wird, hat zunächst einen vertraglichen Anspruch gegen den Besteller (also hier den M). Allerdings stellt sich ebenfalls die Frage, ob der Handwerker auch gegen den V, der ihn gerade NICHT beauftragt hat, ebenfalls einen Anspruch hat. Und weil hier ein Vertrag zw. K und V vorliegt, kommt eben eine GoA in Betracht. Allerdings stellt sich hier die o.g. Frage des pflichtengebundenen Geschäftsführers, der seine Leistungen bereits mit einem anderen (M) durchgeregelt hat. D.h. also: Fokus liegt hier auf die Ansprüche von K gegen V und nicht gegen M. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 47 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
paulmachtexamen
20.9.2024, 18:29:35
Bekommt M von V dann aber die 240€ über das Mietrecht nach 536a II Nr. 2 als
Aufwendungsersatzersetzt?