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Klassisches Klausurproblem

In dem Haus, das M von V gemietet hat, ist ein Wasserrohr gebrochen. Das daraus entweichende Wasser droht den Keller zu überschwemmen. Da V telefonisch nicht erreichbar ist, beauftragt M den Klempner K mit der Reparatur des Rohrbruchs für € 240, welche dieser sofort ausführt.

Einordnung des Falls

Pflichtengebundener Geschäftsführer IV

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat einen Anspruch auf Zahlung der € 240 gegen V aus § 631 Abs. 1 BGB wegen des Reparierens des Rohrbruchs.

Nein!

Nach § 631 Abs. 1 BGB wird durch den Werkvertrag der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. V und K haben keinen Vertrag geschlossen. Daher hat K keinen Anspruch aus § 631 Abs. 1 BGB gegen V. Jedoch hat K mit M vereinbart, dass er den Rohrbruch reparieren wird. Dies stellt einen Werkvertrag dar, der K einen Anspruch gegen M auf Entrichtung des vereinbarten Werklohns in Höhe von €240 BGB gewährt.

2. Das Reparieren des Rohrbruchs stellt für K ein auch fremdes Geschäft dar.

Genau, so ist das!

Ein auch-fremdes Geschäft fällt nach außen erkennbar sowohl in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen, als auch in denjenigen des Geschäftsführers selbst. Das Reparieren des Rohrbruchs ist ein Geschäft des V als Vermieter und Eigentümer des Hauses und damit für K fremd. Da sich K jedoch gegenüber M gleichzeitig vertraglich zur Durchführung des Geschäfts verpflichtet hat, ist es auch ein Geschäft des K selbst.

3. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach Auffassung des BGH widerlegbar vermutet.

Ja, in der Tat!

Der Fremdgeschäftsführungswille wird laut BGH bei auch fremden Geschäften genauso wie bei objektiv fremden Geschäften grundsätzlich widerlegbar vermutet. Eine gegebenenfalls hierdurch zu weitreichende Bejahung von Ansprüchen aus GoA werde durch wertende Korrekturen an anderen Stellen verhindert. Die Reparatur des Wasserrohrs stellt für K ein auch-fremdes Geschäft dar. Nach Ansicht der Literatur muss dagegen der Fremdgeschäftsführungswillen stets positiv festgestellt werden. Nicht deutet darauf hin, dass K einen solchen Fremdgeschäftsführungswillen hatte. Vielmehr handelte er mit Eigengeschäftsführungswillen, weil er seine vertragliche Verpflichtung gegenüber M erfüllen wollte.

4. Die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB sind erfüllt.

Ja!

Nach § 677 BGB setzen Ansprüche aus echter GoA (egal, ob berechtigt oder unberechtigt) voraus, dass ein Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführt, (3) ohne vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Das Reparieren des Rohrbruchs stellt ein für K auch fremdes Geschäft dar. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet. V hat K weder zum Reparieren des Rohrbruchs beauftragt, noch war K gegenüber V sonst dazu berechtigt.

5. Das Reparieren des Rohrbruchs stellt eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.

Genau, so ist das!

Eine GoA ist nach § 683 S. 1 BGB berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist dabei stets vorrangig zu prüfen. Sein mutmaßlicher Wille wird erst relevant, wenn sein wirklicher Wille nicht ermittelbar ist, weil er diesen nicht geäußert hat. Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ergibt sich in der Regel aus seinem objektiven Interesse. V konnte seinen Willen in Bezug auf das Reparieren des Rohrbruchs nicht äußern, da er zu diesem Zeitpunkt nicht erreichbar war. Sein mutmaßlicher Wille ergibt sich aus seinem objektiven Interesse. Das Reparieren des Rohrbruchs durch K entsprach Vs objektivem Interesse, da andernfalls weitere Schäden am Haus durch das austretende Wasser verursacht worden wären.

6. Nach Auffassung des BGH steht K auch gegen V ein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA zu (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Laut BGH werde eine zu weitreichende Bejahung von Ansprüchen aus GoA durch die Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens bei auch fremden Geschäften durch Korrekturen an anderen Stellen verhindert. Eine solche Korrektur kann unter anderem in den Fällen des pflichtgebundenen Geschäftsführers vorzunehmen sein, in denen der Geschäftsführer aufgrund eines Vertrages mit einem Dritten zur Ausführung des Geschäfts verpflichtet ist. Sofern dieser Vertrag die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere die Entgeltfrage umfassend regle, werde ein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA verdrängt. Der Vertrag zwischen M und K regelt die Entgeltfrage.

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DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

7.5.2023, 02:41:47

Die GoA tritt also hinter die vertragliche Verpflichtung des § 535 BGB zurück?

INDUB

InDubioProsecco

8.6.2023, 12:49:00

Das wäre auch meine Frage: Liegt hier ein tatbestandlicher Anspruch vor, dessen Durchsetzung wir ablehnen?

CR7

CR7

31.7.2023, 16:33:40

Das frage ich mich auch! 🤔💭

BI

Bilbo

5.9.2023, 11:10:55

Same.

BL

Blotgrim

23.5.2024, 16:19:28

Wenn ich die Problematik richtig verstanden habe ja. Der durch den Vertrag verpflichtete kann nicht von seinem Vertragspartner UND vom GH eine Vergütung verlangen, sondern nur von seinem Vertragspartner

lexspecialia

lexspecialia

28.8.2023, 18:04:09

Hallo miteinander. Unter welchen Prüfungspunkt lehne ich den Aufwendungsersatzanspruch nach der GoA ab, also wo genau thematisiere ich dann den BGH: das die Entgeltfrage eben schon durch Vertrag geregelt ist ?

HAN

hannabuma

13.2.2024, 16:35:05

Du kannst das am Ende der Tatbestandsprüfung als seperaten Prüfungspunkt einbauen, und dort die vom BGH vertretene Einschränkung des Tatbestands vornehmen.

ajboby90

ajboby90

22.6.2024, 17:30:45

Ich verstehe überhaupt nicht, warum man hier eine Geschäftsführung durch K überhaupt thematisiert. Er ist doch nur der verpflichtete Handwerker. GoA kommt doch im Verhältnis M - V in Betracht, wegen der Beauftragung.

sme

sme

23.6.2024, 09:48:15

Indem K den Rohrbruch im Haus des V repariert, führt er eine tatsächliche Handlung (Geschäftsbesorgung) aus, die zumindest auch den Rechtskreis des V berührt (V ist schließlich Eigentümer des Hauses). Eine echte berechtigte GoA im Verhältnis M - V liegt aber durch das Beauftragen des K auch vor, da hast du Recht. Genau das ist auch ein Argument dafür, dass K gegen V keine Ansprüche aus GoA haben sollte. Denn dann wäre V sowohl gegenüber M als auch gegenüber K zum Aufwendungsersatz verpflichtet. Du musst eine GoA im Verhältnis K - M allerdings trotzdem anprüfen und dann eben (nach Literaturansicht) beim Fremdgeschäftsführungswille aussteigen.

LELEE

Leo Lee

23.6.2024, 14:13:23

Hallo ajboby, vielen Dank für deine sehr gute Frage! In der Tat könnte man meinen, die Frage sei im „falschen“ Kapitel, zumal der Handwerker einen Vertrag hat, aufgrund dessen er tätig wird. Beachte allerdings, dass gerade diese Konstellation die des sog. „pflichtengebundenen Geschäftsführers“ darstellt. D.h., ein Geschäftsführer, der aufgrund eines Vertrags beauftragt wird, hat zunächst einen vertraglichen Anspruch gegen den Besteller (also hier den M). Allerdings stellt sich ebenfalls die Frage, ob der Handwerker auch gegen den V, der ihn gerade NICHT beauftragt hat, ebenfalls einen Anspruch hat. Und weil hier ein Vertrag zw. K und V vorliegt, kommt eben eine GoA in Betracht. Allerdings stellt sich hier die o.g. Frage des pflichtengebundenen Geschäftsführers, der seine Leistungen bereits mit einem anderen (M) durchgeregelt hat. D.h. also: Fokus liegt hier auf die Ansprüche von K gegen V und nicht gegen M. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 47 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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