+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Eine Leitung des A ist defekt, wodurch fortwährend kohlenwasserstoffhaltige Flüssigkeit auf das Grundstück des Nachbarn N läuft. Das Erdreich des N wird verseucht. Den Defekt hat A nicht zu vertreten. Die Abtragung des Erdreiches ist nur möglich, indem Ns geliebte Julietrosen zerstört werden.

Einordnung des Falls

Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. N hat einen Anspruch gegen A auf Beseitigung der Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB.

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Genau, so ist das!

Der Anspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer ist, (2) eine Eigentumsbeeinträchtigung vorliegt, (3) der Anspruchsgegner Störereigenschaft hat, (4) die Eigentumsbeeinträchtigung rechtswidrig ist. Zudem darf (5) keine Pflicht zur Duldung der Störung bestehen. N ist Eigentümer des Grundstücks. Das Eindringen der schädlichen Flüssigkeit auf das Grundstück ist eine Beeinträchtigung von außen. Die Beeinträchtigung geht von As Grundstück aus, also vom Zustand einer Sache in seinem Herrschaftsbereich. Er ist somit Zustandsstörer. Die Störung war auch rechtswidrig und es ist keine Duldungspflicht ersichtlich.

2. Es ist unumstritten, welchen Umfang der Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB hat.

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Nein, das trifft nicht zu!

Im Hinblick auf die Abgrenzung des verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB und den verschuldensabhängigen Schadensersatzansprüchen (zB § 823 Abs. 1 BGB) ist die Reichweite des Beseitigungsanspruches strittig.Bedeutsam wird der Streit vor allem in Fällen, in denen es am Verschulden des Störers fehlt.

3. Nach der Usurpationstheorie kann der Eigentümer lediglich den Rückzug des Störers aus seinem Rechtskreis verlangen.

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Ja!

Die (Rechts-)Usurpationstheorie wird teilweise in der Literatur vertreten und ist am engsten gefasst. Die Vertreter gehen davon aus, Störer sei, wer das Eigentum eines anderen für sich in Anspruch nimmt (Usurpation) und dadurch in die Sachherrschaft des Berechtigten eingreift. Daher sei auf Rechtsfolgenseite auch lediglich der Rückzug aus dem Rechtskreis gefordert.Im vorliegenden Fall müsste A danach nur den Leitungsdefekt beheben, sodass keine weitere Flüssigkeit austritt. Die Kontamination des Erdreiches durch das eingedrungene Wasser, wäre dagegen eine Frage des Schadensersatzes, der hier mangels Verschuldens aber nicht greift.

4. Nach der actus contrarius-Theorie hat der Störer die Störungsquelle zu beseitigen.

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Genau, so ist das!

Diese ebenfalls in der Literatur vertretene Ansicht ist weiter gefasst als die Usurpationstheorie. Die Vertreter verstehen die Beeinträchtigung als fortwirkenden Verzicht auf Gütergenuss bzw. fortwirkende Störungsquelle und verlangen daher die Beseitigung dieser Störungsquelle als actus contrarius zur Beeinträchtigung. Vorliegend müsste also nicht nur der Leitungsdefekt behoben werden. Da sich das ausgetretene Wasser nicht vom kontaminierten Erdreich trennen lässt, müsste vielmehr auch dieses abgetragen werden. Das Auffüllen des Erdreiches und das Ersetzen der Rosen sind dagegen nicht geschuldet.

5. Am weitesten geht die Wiederbenutzbarkeitstheorie der Rspr.

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Ja, in der Tat!

Die Rspr. vertritt den Standpunkt, der Störer sei zur Beseitigung der Beeinträchtigung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verpflichtet. Dies sei notwendig, um einen dem Inhalt des Eigentums entsprechenden Zustand zu schaffen und den Eigentümer ausreichend zu schützen. N könnte hier von A also sowohl die Behebung des Leitungsdefekts, die Beseitigung der Flüssigkeit, den Austausch des Erdreiches als auch Ersatz für die Rosen verlangen.

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PET

Petrus

20.4.2023, 19:25:29

In den vorherigen Aufagben wurde geschrieben, dass man bei § 1004 BGB nur Beseitigung der Störung in Natur verlangen kann, aber keinen Schadensersatz. Könnte man hier also doch (nach Ansicht der Rspr) Schadensersatz in Geld für die Rosen fordern oder nur das Einpflanzen neuer Rosen als Folgenbeseitigung?

DIAA

Diaa

15.10.2023, 16:21:44

Das frage ich mich auch

EVA

evanici

17.9.2023, 11:28:52

Ich verstehe nicht, warum es einen Unterschied macht, ob A die Störung zu verschulden hat oder nicht. Hätte er sie zu verschulden, würde sich am Anspruchsumfang aus § 1004 doch gar nichts ändern, oder?

LO

Lorenz

2.10.2023, 16:07:17

Dann ist aber der Streit entbehrlich, da §823 greift.


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