Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Kausalität
Zeitlich versetzte Schussabgabe (Beweisschwierigkeiten bei Feststellung der Kausalität)
Zeitlich versetzte Schussabgabe (Beweisschwierigkeiten bei Feststellung der Kausalität)
2. April 2025
25 Kommentare
4,7 ★ (32.813 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A und B geben unabhängig voneinander jeweils einen Schuss auf O ab. Die beiden Schüsse treffen zeitlich versetzt ins Herz und O stirbt. Unklar ist, ob der erste oder der zweite Schuss den Tod verursacht hat.
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Einordnung des Falls
Zeitlich versetzte Schussabgabe (Beweisschwierigkeiten bei Feststellung der Kausalität)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Schüsse von A und B können zwar jeder für sich allein (alternativ), aber nicht beide gemeinsam (kumulativ) hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele. Beide Schüsse sind nach der modifizierten conditio-sine-qua-non-Formel kausal für den Tod.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
VictorPepper
22.11.2019, 12:04:46
Gehen also beide Täter lediglich mit einer Strafe wegen versuchten Mordes aus der Angelegenheit?
ruo-fan Wu
24.11.2019, 12:56:23
Ja ist es, da die Kausalität hier kumulativ ist, was ich aber nicht verstehe. Wie kann EIN Schuss ins Herz nicht kausal für den Tod des O sein

Elijah
2.12.2019, 14:28:48
Müsste nicht schon die erste Schuss kausal sein?
Tr(u)mpeltier
2.12.2019, 17:17:23
@victorpepper: jedenfalls wegen versuchten Totschlags, da der Sachverhalt bzgl. mordmerkmalen etwas dünn ist. "nur" Versuch ist insofern irrelevant, da hierdurch der Strafrahmen gleich bleibt und es im Ermessen des Gerichtes bleibt, ob die Strafe nach 23 abs. 2 iVm
49 StGBgemildert wird. Eine Milderung scheint hier indes aufgrund des tatsächlich eingetretenen Todes nicht in Betracht kommen @Elijah: das Beispiel ist vllt etwas unglücklich gewählt, da tatsächlich schwer vorstellbar ist, dass ein Schuss ins Herz nicht tödlich ist. Aber geh einfach von einem Sachverhalt aus, in dem du 2 mögliche Ursachen hast, die Ärzte faktisch jedoch nicht wissen, welche hiervon tödlich war.
Tr(u)mpeltier
2.12.2019, 17:19:33
@ru: Achtung, es liegt gerade keine
kumulative Kausalitätvor. Denn die beiden Kugeln bewirken nicht gemeinsam den Erfolg. Vielmehr lässt sich in tatsächlicher Hinsicht nicht beweisen, welche Kugel tödlich war. Eine von beiden war für sich genommen indes bereits tödlich (in Abgrenzung zum gift Mischer Fall mit der jeweils nicht tödlichen dosis, die erst im zusammenspiel fatale Wirkung entfaltet).

Agit
27.3.2020, 03:26:48
Ja, nur wegen Versuchs. Das ist gerecht.

Isabell
12.4.2020, 15:44:24
Das ist bei mehreren Verletzungen, die dem Opfer zeitnah beigebracht wurden und jede für sich tötlich gewesen wäre, nicht ungewöhnlich, dass die Rechtsmedizin gerade nicht mit absoluter Gewissheit sagen kann welche davon jetzt konkret zum Tod geführt hat.
s.t.
15.8.2021, 13:21:11
Es wäre vllt sinnvoller zu sagen, dass der 1. getroffene Schuss normal Kausal war, der andere eben nicht (zeitlich versetzt) und dann auf dubio pro reo hindeutet... finde sonst überspringt man einen Schritt und das führt zu weiteren Fragen..

GilgameshTG
22.6.2022, 19:57:17
Der erste Schuss ist kausal, der zweite trifft eben nur noch eine "Quasi-Leiche". Ist auch kein Fall überholender Kausalität, da das Opfer zuerst am ersten Schuss stirbt.
In dubio pro reomuss dann aber davon ausgegangen werden, dass beide Personen den zweiten Schuss abgegeben hätten und somit beide nur eine "Leiche" erschossen hätten. Darum bei beiden Versuch.
Timurso
23.1.2023, 14:05:37
Der erste Schuss ist nicht kausal. Auch wenn der erste Schuss nicht abgegeben worden wäre, hätte der zweite Schuss das Opfer getötet (
in dubio pro reofür den ersten Schützen, dass der zweite Schuss den Tod herbeigeführt wurde).
Elias Von der Brelie
7.5.2023, 19:03:00
Es scheint nicht weit bekannt zu sein, aber bei einem Schuss ins Herz stirbt man nicht sofort. Wenn einem das Herz vollständig aus der Brust gerissen wird lebt man im Durchschnitt noch um die 3 Sekunden weiter. Somit ist nicht sicher ob nun die "3 Sekunden" des ersten Schusses abgelaufen sind und deshalb der Tot eintrat, oder ob dieser durch den Zweiten Schuss letztendlich vorher ausgelöst wurde. Deshalb ist es unsicher welcher der beiden Schüsse den Tot verursacht hat, und somit darf der Richter sich logischerweise nicht einfach einen von beiden aussuchen.
Strand Spaziergang
15.8.2023, 18:07:33
Glaube, ich verstehe langsam, warm das so geregelt ist. Man kann ja tatsächlich nicht sagen, ob jeder Schuss alleine tödlich gewesen wäre. Das wäre ja tatsächlich total ungerecht, wenn man dann jemanden als Täter bestraft. Aber bedeutet hier die Wertung mit „
in dubio pro Reo“, dass sich zwei Täter verabreden können zu zwei ganz kurz zeitversetzten Schüssen und dann beide nur mit Versuchsstrafbarkeit davon kommen? Was ist, wenn man ihnen die Verabredung nachweisen kann?
Timurso
15.8.2023, 18:16:05
@[Strand Spaziergang ](207511) wenn sie sich verabreden, liegt ein Fall der Mittäterschaft vor, bei denen die Tatbeiträge wechselseitig zugerechnet werden. Beide Täter werden also so behandelt, als hätten sie beide Schüsse abgegeben, was unzweifelhaft den Tod herbeigeführt hat.
galapagosgarry
18.12.2023, 01:16:10
@[GilgameshTG](180586) Der erste Schuss ist gerade nicht nachweislich kausal für den Tod des Opfers. Wäre dem so, müsste
in dubio pro reonicht greifen, da klar wäre, wer den Tod des Opfers kausal herbeigeführt hat. Hier geht es darum, dass nicht klar ist, ob das Opfer bereits tot war, als es vom zweiten Schuss getroffen wurde. Da nicht klar ist, wessen Schuss für das Eintreten des Todes kausal war, muss,
in dubio pro reo, angenommen werden, dass es der jeweils andere war. Damit sind beide aus der Strafbarkeit gem. §§ 212 I, 211 II StGB raus.
Law_yal_life
15.9.2023, 09:44:47
Wie genau machen die sich den jetzt strafbar? Das verstehe ich nicht so ganz!
Leo Lee
17.9.2023, 14:24:43
Hallo evanici, da hier nicht geklärt werden kann, welcher Schuss kausal den Tod verursacht hat und auch kein Sonderfall der alternativen Kausalität vorliegt, würden beide insoweit straflos ausgehen. Diese ist auch ein Schwachpunkt der CSQN-Formel, wie geschildert in Wessels/Beulke/Satzger AT, 50. Auflage Rn. 230 :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Law_yal_life
23.9.2023, 07:07:29
Also sind beide straflos? Das ist aber komisch ..
Julian Bondarenko
8.10.2023, 13:57:29
Straflos für Mord/Totschlag als Ganzes. Bestraft werden könnten sie wegen des Versuchs.
Jan Ludwig
29.10.2023, 22:06:33
Eine Strafbarkeit gemäß §§ 212, 22, 23 I StGB kommt in Betracht. Spätestens mit Abgabe des Schusses haben beide Täter wohl unmittelbar angesetzt.

falktghl
8.1.2024, 21:56:46
Ich glaube an der Stelle wäre es sinnvoll die Konsequenz (Strafbarkeit nur wegen Versuch) mitzunennen.