Raub mit Todesfolge bei fehlgeschlagenem Versuch

13. Mai 2023

7 Kommentare

4,7(9.290 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

Prüfungsschema

Wie prüfst Du den Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB)?

  1. Tatbestandsmäßigkeit
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Grundtatbestand: §§ 249, 250 StGB
      2. Tod eines Menschen
      3. Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz
      2. wenigstens Leichtfertigkeit hinsichtlich der Todesfolge
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: A schlägt in Bs Haus mit einer Zange auf B ein.

A betritt das Haus des B. Er fordert ihn unter Faustschlägen auf, ihm sein Geld herauszugeben oder dessen Versteck preiszugeben. A findet weder Geld, noch händigt B ihm welches aus. Aus Wut über sein Scheitern schlägt A mit einer Zange mehrfach auf B's Kopf. Er ist sich dabei bewusst, dass B dadurch sterben kann. B stirbt.

Diesen Fall lösen 79,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Ein qualifikationsspezifischer Ursachenverwirklichungszusammenhang i.S.d. § 251 StGB kann nicht mehr realisiert werden, wenn der Versuch des Grunddelikts (Raub) bereits fehlgeschlagen ist. Im Tod müsse sich das tatbestandsspezifische Risiko des Grunddelikts verwirklichen. Dieser Zusammenhang ist nicht gegeben, wenn der Versuch des Grunddelikts bei der zum Tod führenden Gewaltanwendung bereits beendet ist. Dies hat der BGH in dem Fall entschieden, dass der Täter mit der tödlich verlaufenden Gewalt erst beginnt, nachdem die Erlangung der Beute aus seiner Sicht nicht mehr möglich ist.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Verwirklicht den Tatbestand des Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB), wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einen Diebstahl begeht?

Genau, so ist das!

Der Raub ist ein zweiaktiges Delikt. Der Diebstahl (vgl. dazu unsere Lektion im Strafrecht BT I), also die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache mit Zueignungsabsicht muss mit Gewalt oder unter Anwendung von Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben begangen werden, wobei zwischen Nötigungsmittel (Gewalt oder Drohung) und Wegnahme die sogenannte Finalität bestehen muss, was wiederum bedeutet, dass der Täter Gewalt oder Drohungen anwendet, um die Wegnahme zu ermöglichen.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Hat A sich wegen Raubes strafbar gemacht (§ 249 Abs. 1 StGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

A hat gegenüber B Gewalt in Form von Faustschlägen angewendet, um die Wegnahme von Geld des B als fremde, bewegliche Sache zu ermöglichen und durchzusetzen. Er hat jedoch weder Geld gefunden noch hat B ihm welches ausgehändigt, weshalb keine Wegnahme vorlag.

3. Versucht eine Straftat, wer mit Tatentschluss unmittelbar zur Ausführung der Tat ansetzt (§ 22 StGB)?

Ja!

Im Versuch ist zunächst der subjektive Tatbestand (Tatentschluss) und dann der objektive Tatbestand (Unmittelbares Ansetzen) zu prüfen. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklchen. Er setzt unmittelbar an, wenn er subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschreitet und objektiv Handlungen vornimmt, die nach seiner Vorstellung von der Tat bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.(Vgl. zur Vertiefung unsere Lektionen im Strafrecht AT)

4. Hat A sich wegen versuchten Raubes strafbar gemacht (§§ 249 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB)?

Genau, so ist das!

A hat den Raub nicht vollendet (s.o.). Der Raub ist ein Verbrechen und damit ist sein Versuch strafbar (§§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB). A war endgültig entschlossen, den B zu berauben und hatte daher den erforderlichen Tatentschluss. Er hat bereits Gewalt gegenüber B angewendet und dadurch sowohl subjektiv die Schwelle zum "Jetzt-geht's-los" überschritten als auch objektiv eine Handlung vorgenommen, die ein Tatbestandsmerkmal erfüllt. A ist nicht strafbefreiend zurückgetreten, denn aus seiner Sicht war sein Plan gescheitert und der Versuch damit fehlgeschlagen (§ 24 Abs. 1 S. 1 StGB).

5. Ist wegen Raubes mit Todesfolge zu bestrafen (§ 251 StGB), wer bei einem Raub mindestens leichtfertig den Tod eines Menschen verursacht?

Ja, in der Tat!

Der Raub mit Todesfolge wird mit einer Mindeststrafe von zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft. Erforderlich ist, wie bei allen erfolgsqualifizierten Delikten ein sogenannter spezifischer Gefahrzusammenhang. Dieser liegt vor, wenn der Erfolg gerade aus der spezifischen Gefahr resultiert, die durch das Grunddelikt geschaffen wird. Der typische Fall des Raubes mit Todesfolge ist der, dass das Opfer durch die raubspezifische Gewaltanwendung stirbt. Bestraft wird auch, wer beim Versuch des Raubes mindestens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen verursacht (§§ 249, 251, 22, 23 Abs. 1 StGB).

6. Hat A sich wegen versuchten Raubes mit Todesfolge strafbar gemacht (§§ 249 Abs. 1 StGB, 251, 22, 23 Abs. 1 StGB)?

Nein!

BGH: Der raubspezifische Gefahrzusammenhang könne sich nicht mehr realisieren, wenn der Raub beendet sei. Dem stünde es gleich, wenn der Raub lediglich versucht und im Zeitpunkt der tödlichen Gewalteinwirkung die Erlangung einer Tatbeute aus Sicht des Täters bereits endgültig gescheitert ist. Dies gelte jedenfalls, wenn der Täter mit der tödlichen Gewalteinwirkung erst beginnt, nachdem aus seiner Sicht keine Beute mehr erlangt werden kann (RdNr. 11). So lag es hier: A hatte sich bereits damit abgefunden, dass sein Plan gescheitert war und begann mit der tödlichen Gewalteinwirkung aus Frust über sein Scheitern.
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Tigerwitsch

Tigerwitsch

17.4.2021, 11:54:59

Wieso kommt denn keine (versuchte) räuberische Erpressung, sondern ein (versuchter) Raub nur in Betracht bzw. wird geprüft? Der BGH stellt doch nach dem äußeren Erscheinungsbild ab; demnach bei

Wegnahme

= § 249 bzw Hergabe des Opfers = §

§ 253

,255 vorliegt. Ich verstehe den Aufgabentext so, dass der

Tatentschluss

des A sich (auch) darauf bezog, die Schläge einzusetzen, damit das Opfer ihm das

Geld

gibt. Somit bezieht sich der

Tatentschluss

nicht nur auf eine

Wegnahme

. Wo liegt mein Denkfehler?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.4.2021, 19:33:00

Hallo Tigerwitsch, nach Ansicht des BGH stehen Raub und räuberische Erpressung in einem Spezialitätsverhältnis, sodass die räuberische Erpressung bei Bejahung des Raubes auf Ebene der Konkurrenz zu

rücktritt

. Da As

Tatentschluss

jedenfalls auch auf das Wegnehmen und insoweit auf den Raub gerichtet ist, tritt insoweit die räuberische Erpressung zurück. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Tigerwitsch

Tigerwitsch

20.4.2021, 19:52:15

Alles klar, vielen Dank! 😊


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community