Anwendungsbereich von § 264 Nr. 2 ZPO


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Kläger K hat gegen die Beklagte B zunächst eine zulässige Klage auf Feststellung erhoben, dass B zum „Ersatz allen Schadens aus dem Verkehrsunfall (…)“ verpflichtet ist. Im Verlauf des Prozesses kann K seinen Schaden genau beziffern und beantragt nun ihre Verurteilung zur Zahlung von € 26.000.

Einordnung des Falls

Anwendungsbereich von § 264 Nr. 2 ZPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn K eine wirksame Klageänderung vorgenommen hat, wird dasselbe Verfahren unter identischem Aktenzeichen weiterverhandelt.

Genau, so ist das!

Eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO liegt vor, wenn der Kläger Änderungen am Streitgegenstand vornimmt. Der Streitgegenstand setzt sich aus dem Klageantrag und dem zugrundeliegenden Sachverhalt zusammen (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Tauscht der Kläger also den bisher vorgetragenen Lebenssachverhalt, den Antrag oder beides, spricht man von einer Klageauswechslung. Mithin ändert sich der Streitgegenstand. Die Klageänderung bewirkt, dass kein neuer Prozess angefangen werden muss und dient der Prozessökonomie.

2. K hat den Streitgegenstand verändert.

Ja, in der Tat!

Indem K nicht mehr den Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht, sondern einen genau bezifferten Leistungsanspruch geltend macht, ändert er den Antrag und damit den Streitgegenstand. Die Feststellungsklage ist gegenüber der Leistungsklage ein Minus.

3. Eine Erweiterung oder Beschränkung des Klageantrags ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässig. Dies gilt bei quantitativen, also zahlenmäßig bestimmbaren Änderungen, und wie hier bei einer qualitativen Änderung.

Ja!

§ 264 Nr. 2 ZPO erfasst sowohl quantitative als auch qualitative Erweiterungen und Beschränkungen des Klageantrags, sofern sich der neue Antrag auf dasselbe Rechtsverhältnis bezieht. Vorliegend betraf die Feststellung Schäden aus demselben Unfallereignis, die nunmehr zahlenmäßig konkretisiert als Zahlungsklage geltend gemacht werden.Die Klage des K ist aufgrund der Fiktion des § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. Wortlaut „ist es nicht anzusehen“) ohne zusätzliche Voraussetzungen weiterhin zulässig.

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greenlife

2.6.2022, 08:36:14

Eine qualitative Beschränkung des Antrags kann nicht stets zulässig sein. So könnte der Kläger etwas Kosten sparen in dem er seinen Antrag von 1000 auf 1 euro reduzieren würde´

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.6.2022, 16:58:17

Hallo greeenlife, herzlich willkommen im Forum und vielen Dank für Deine Nachfrage. Hier muss man etwas differenzieren. Eine Teilklage und damit eine quantitative Beschränkung des Antrags (zB 1 € statt €1000) ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ohne weiteres möglich (vgl. zB BGH NJW 2008, 373, 375). Dies gilt unabhängig, ob offen gelegt wird, dass lediglich ein Teil eingeklagt wird oder eine sog. verdeckte Teilklage erhoben wird. Das Risiko in der Praxis besteht allerdings darin, dass die Rechtskraft eines Urteils und auch die Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nur im Hinblick auf den eingeklagten Teil greifen. Gerade bei langwierigen Prozessen droht dem Kläger also der komplette Verlust seiner Ansprüche. Anders sieht es dagegen bei der qualitativen Beschränkung aus (zB Feststellungsklage statt Leistungsklage). Soweit die Klage bezifferbar ist, wird es für die Erhebung einer Feststellungsklage an dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Sie kommt also nur in Fällen in Betracht, wo eine Bezifferung (noch) nicht (vollständig) möglich ist (zB häufig in Verkehrsunfallfällen bei denen es zu noch nicht absehbaren Langzeitfolgen kommt). Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

MASAA

Max von Saas

20.8.2023, 17:15:55

Es lohnt sich wirklich, in die Kommentare zu schauen, weil man hier prägnante Antworten auf naheliegende Fragen findet!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.8.2023, 18:00:39

Lieben Dank, Max! Das freut mich natürlich sehr, wenn ich Dir weiterhelfen konnte :-)


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