+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Zur Ausführung von Elektroarbeiten beauftragt B den Werkunternehmer W. W erteilt B eine Auftragsbestätigung, worin ein Pauschalpreis von € 18.000 angegeben war. €5.000 davon sollten in bar bezahlt werden und nicht auf der Rechnung auftauchen. B zahlt nicht.
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Einordnung des Falls
Schwarzarbeit - Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB? (Anwendbarkeit § 817 S. 2 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. W könnte einen vertraglichen Primäranspruch auf die Zahlung der €5.000 aus § 631 Abs. 1 BGB haben. Ist der Vertrag bezüglich der Barzahlung ohne Rechnung wirksam (vgl. § 134 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG stellt ein Verbotsgesetz dar. Ein beiderseitiger Verstoß führt zur Nichtigkeit gemäß § 134 BGB. Ausreichend für die Nichtigkeitsfolge ist zumindest ein vorsätzlicher Verstoß des einen Vertragspartners und die Kenntnis vom Verstoß sowie das bewusste Ausnutzen zum eigenen Vorteil auf Seiten des anderen Vertragspartners. B und W vereinbaren eine Ohne-Rechnung-Abrede. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG sind erfüllt. Es ist davon auszugehen, dass W in vorsätzlicher Weise seiner Steuerpflicht nicht nachkommt und B dies bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt. Der Werkvertrag ist nichtig gemäß § 134 BGB. Auch ein Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB scheidet aus. Eine gesetzlich verbotene Tätigkeit darf nicht für „erforderlich“ i.S.v. § 670 BGB gehalten werden.
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2. Die Abrede zwischen W und B bezüglich der Bargeldzahlung ist ein ausreichender Rechtsgrund für Ws Leistung i.S.v. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
Der Rechtsgrund für eine Leistung i.S.v. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB kann sich aus einem wirksamen schuldrechlichen Vertrag ergeben. Der zwischen W und B geschlossene Werkvertrag ist aufgrund eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nichtig gemäß § 134 BGB. Er kann damit kein Rechtsgrund für die Leistung des W nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB sein. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm sind damit gegeben.
3. Das SchwarzArbG verfolgt (auch) das Ziel, die Schwarzarbeit insgesamt einzudämmen. Dient es damit vorrangig dem Schutz des leistenden Schwarzarbeiters (hier W)?
Nein!
Der Leistungsaustausch zwischen den Parteien soll insgesamt verhindert werden. Primär soll im Interesse der wirtschaftlichen Ordnung die rechtliche Wirkung des der Schwarzarbeit zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts verwehrt werden. Daneben zielt das Gesetz darauf ab, den tatsächlichen Vorgang der Schwarzarbeit zu mäßigen. Das Gesetz zielt nicht allein auf einen fiskalistischen Zweck ab, sondern beugt einer Wettbewerbsverzerrung vor. Gesetzestreue Unternehmer sowie Arbeitnehmer genießen Schutz. Das Gesetz dient aber gerade nicht dem Schutz des leistenden Schwarzarbeiters.
4. Das SchwarzArbG dient nicht dem Schutz des leistenden W. Ist § 817 S. 2 BGB somit einschränkend auszulegen mit der Folge, dass W ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zusteht?
Nein, das trifft nicht zu!
Für die einschränkende Auslegung ist erforderlich, dass Sinn und Zweck des Verbotsgesetz den Anspruch zwingend voraussetzen. Beispielsweise, wenn das Verbotsgesetz allein auf den Schutz des Leistenden abzielt oder wenn die Rechtsordnung die Aufrechterhaltung des verbotswidrig geschaffenen Zustandes nicht tragen kann aufgrund der Unvereinbarkeit mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes.
Das SchwarzArbG schützt in erster Linie öffentliche Belange. Ferner stellt der verbotswidrig geschaffene Zustand die Ausführung der Elektroarbeiten dar. § 2 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verbietet nicht den Erfolg (das bedeutet die Elektroarbeiten selbst). § 817 S. 2 BGB findet Anwendung. Die Thematik findest Du bei Grüneberg, 82.A. 2023, § 134 BGB RdNr. 13. 5. W könnte aber einen bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Wertersatz für die ausgeführten Arbeiten aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB haben. Hat B etwas durch Leistung des Ws erlangt?
Ja!
Eine Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Für das Leistungsbewusstsein genügt die natürliche Einsichtsfähigkeit. Etwas ist jedwede Verbesserung der Vermögenslage.
W möchte durch die Ausführung der Elektroarbeiten das Vermögen des B bewusst und zweckgerichtet mehren. Ein Ausschluss nach § 814 Alt. 1 BGB käme hier in Frage, wenn W positive Kenntnis darüber hat, dass er – wegen der Nichtigkeit des Werkvertrags – tatsächlich nicht verpflichtet war, die Leistung (= ausgeführte Arbeiten) zu erbringen. Hier reicht auch, dass er dies nach der Parallelwertung in der Laienssphäre erkannte. Hierzu fehlt es jedoch an Angaben im Sachverhalt. 6. Zwar ist der Tatbestand des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB erfüllt. Könnte der Anspruch des W auf Wertersatz aber nach § 817 S. 2 BGB dennoch ausgeschlossen sein?
Genau, so ist das!
Der Anspruch auf Rückforderung (bzw. Wertersatz) des geleisteten Etwas i.S.v. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist nach dem Wortlaut von § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn sowohl der Leistungsempfänger als auch der Leistende durch die Leistung gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, also „verwerflich“ handelt. Die Vorschrift findet nach Ansicht des BGH aber auch Anwendung, wenn nur der Leistende verwerflich handelt. Die Ausführung der Elektroarbeiten ist an sich neutral. Allerdings führt W die Steuer aufgrund der Ohne-Rechnung Abrede nicht ab. B nutzte dies aus. Der beidseitige Verstoß gegen das Schwatarbeitergesetz erfüllt grundsätzlich den Tatbestand von § 817 S. 2 BGB. Mache Dir an dieser Stelle einmal klar, was das bedeutet: W allein trägt das Risiko, dass der B nicht zahlt. Dies könnte vor dem Hintergrund, dass B gleichermaßen verwerflich handelt, unbillig sein. 7. Die Anwendung des § 817 S. 2 BGB würde hier den W hart treffen, da er danach keinerlei Ersatz für seine Arbeit erhält. Könnte dies dafür sprechen, dass die Norm in diesem Fall teleologisch eingeschränkt werden muss?
Ja, in der Tat!
Nach dem BGH darf im Sinne von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bei der Anwendung des den Gläubiger (hier G) hart treffenden Ausschlusses aus §
817 S. 2 BGB nicht außer Betracht bleiben, welchen Sinn und Zweck das Verbotsgesetz, gegen das verstoßen wurde, verfolgt. Im Sinne einer einschränkenden teleologischen Auslegung von §
817 S. 2 BGB muss dem Leistenden ausnahmsweise ein Anspruch auf Rückgewähr bzw. Wertersatz zustehen, wenn das Verbotsgesetz vor allem zum Schutz des Leistenden erlassen wurde. Ist dies der Fall, würde es diesem Zweck widersprechen, den §
817 S. 2 BGB zu Lasten des Leistenden anzuwenden.
Hier kommt es also auf den Sinn und Zweck des SchwarzArbG an. Dient dies vor allem dem Schutz des W, so ist § 817 S. 2 BGB in diesem Fall ausgeschlossen und W könnte über § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB Wertersatz für seine geleistete Arbeit von B verlangen.