Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Klassiker im Öffentlichen Recht
Soldaten-sind-Mörder-Fall
Soldaten-sind-Mörder-Fall
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Bundeswehroffizier O fühlt sich durch die Äußerung des Pazifisten P in seiner Ehre verletzt und stellt Strafantrag. P wird daraufhin wegen Beleidigung (§ 185 StGB) verurteilt. P ist empört und rügt eine Verletzung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung.
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Einordnung des Falls
Bundeswehroffizier O fühlt sich durch die Äußerung des Pazifisten P, "Soldaten sind Mörder", in seiner Ehre verletzt. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Verurteilung des P wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB wegen seiner Äußerung "Soldaten sind Mörder" die Meinungsfreiheit des P verletzt. Die Äußerung des P kann auch gedeutet werden als kritische Äußerung gegen das Töten bei der Kriegsführung schlechthin. Denn es ist nicht erkennbar, dass P seine Kritik ausschließlich auf die Kriegsführung der Soldaten der Bundeswehr bezieht. Die Äußerung ist ebenso auf alle Soldaten weltweit bezogen deutbar. Die Subsumtion der Äußerung des P unter § 185 StGB durch die Fachgerichte ist nicht mit Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG vereinbar, da eine „meinungsfreundlichere“ Interpretation möglich gewesen wäre.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist die Äußerung „Soldaten sind Mörder“ vom Schutzbereich der Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) umfasst?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ist das Grundrecht auf Meinungsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet? Kann es nur zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts eingeschränkt werden?
Nein!
3. Ist § 185 StGB ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG?
Genau, so ist das!
4. Kann § 185 StGB nicht als Schranke der Meinungsfreiheit herangezogen werden? Ist die Norm materiell verfassungswidrig, da sie zu unbestimmt ist und somit gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstößt?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Stellt die Meinungsäußerung des P eine (verbotene) Schmähkritik dar? Muss P's Meinungsfreiheit daher zurücktreten?
Nein!
6. Muss im Rahmen der Verhältnismäßigkeit bei mehrdeutigen Äußerungen derjenigen Deutung der Vorzug gegeben werden, die mit anderen Rechtsgütern nicht in Konflikt gerät (Wechselwirkungslehre)?
Genau, so ist das!
7. Ist der Satz "Soldaten sind Mörder" als strafbare Kollektivbeleidigung der Soldaten Bundeswehr zu deuten?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Eigentum verpflichtet 🏔️
21.5.2020, 17:26:05
Bei der Frage nach den allgemeinen Gesetzen vertretet ihr in der Antwort die
Sonderrechtslehreohne diese zu benennen. Ich wünsche mir hier eine breitere Darstellung unter Nennung der
Sonderrechtslehre, der
Abwägungslehreund des Kombinationsmodels des BVerfG und der h.L. das ist in der Klausur ein zentraler Punkt.
Faby
24.10.2021, 15:05:48
Wird der Vorschlag noch aufgegriffen? :)
Doli
2.7.2023, 20:39:33
Wäre bei Vorliegen von Schmähkritik denn überhaupt der Schutzbereich eröffnet, so dass man zur Abwägung käme?
Nora Mommsen
4.7.2023, 10:36:26
Hallo Doli, danke für deine Frage! Der Schutzbereich ist sehr weit zu verstehen. Er ist auch bei Beleidigungen oder anderen eheverletzenden Aussagen, wie einer Schmähkritik eröffnet. Lediglich im Rahmen der Rechtfertigung kommt es nicht zu einer Abwägung, wenn eine Schmähkritik vorliegt. In dem Fall steht die Meinungsfreiheit immer hinter dem
APRder betroffenen Person zurück. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
MenschlicherBriefkasten
18.9.2023, 15:41:26
Es kommt zu gar keiner Abwägung? Ich habe gerade gelesen, dass im Rahmen einer Abwägung dann in den allermeisten Fällen das
APRund ggf. die Menschenwürde des Betroffenen überwiegt. Aber eine Abwägung wird eben doch vorgenommen.