Anforderungen an die Wahrnehmbarkeit von Verkehrszeichen (ÖR Rechtsprechung Jurafuchs 2016)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Straßenverkehrsbehörde ordnet die Aufstellung eines Halteverbotszeichen an. Ein Mitarbeiter der Straßenbaubehörde stellt das Schild so auf, dass es durch ein Gebüsch am Straßenrand so verdeckt wird, dass es nicht mehr sichtbar ist.
Einordnung des Falls
Anforderungen an die Wahrnehmbarkeit von Verkehrszeichen (ÖR Rechtsprechung Jurafuchs 2016)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Verkehrszeichen wird durch öffentliche Bekanntgabe wirksam.
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Ja!
2. Für die ordnungsgemäße Bekanntgabe eines Halteverbotszeichens muss dieses sichtbar aufgestellt werden.
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Genau, so ist das!
3. Das Halteverbotszeichen ist wirksam.
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Nein, das trifft nicht zu!
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TeamRahad 🧞
23.12.2020, 09:01:43
Den letzten Satz verstehe ich nicht, was bedeutet denn der Wegfall der "inneren Wirksamkeit"? 🤔 Wäre ja interessant, was passiert, wenn ein Gebüsch ein zunächst sichtbares Schild zuwächst.
Tr(u)mpeltier junior
23.12.2020, 20:51:03
Absolut berechtigte Frage, insbesondere da das Gesetz selbst nicht ausdrücklich zwischen äußerer und innerer Wirksamkeit differenziert. Nichtsdestotrotz geht man davon aus, dass ein Verwaltungsakt erst das Licht der Welt erblickt, wenn er zumindest 1 person ggü bekanntgegeben wird (sog. Äußere Wirksamkeit). Die Bekanntgabe erfolgt aber nicht unbedingt ggü allen Adressaten gleichzeitig. So ist es zB in baurechts klausuren häufig so, dass dem Nachbar eine Baugenehmigung erst später bekannt gegeben wird. Diesbezüglich spricht man dann von der inneren Wirksamkeit. U.a. für den Lauf der rechtsbehelfsfristen ist diese individuelle Bekanntgabe maßgeblich (wobei im baurecht noch die Besonderheit hinzukommt, dass die faktische Kenntnisnahme des Baus jedenfalls die Jahresfrist auslöst, 58 II vwgo).
Tr(u)mpeltier junior
23.12.2020, 20:54:43
Wie in der Lösung richtig ausgeführt wird, ist das Schild niemandem bekannt gegeben worden. Denn von Anfang an war es nicht zu erkennen. Damit fehlt es schon an der äußeren Wirksamkeit. Wird es dagegen später uberwuchert oder von Dreck verdeckt, so ändert dies nichts an dieser äußeren Wirksamkeit,der VA bleibt in der Welt. Der einzelne Verkehrsteilnehmer muss sich indes nicht mehr daran halten, denn ihm gegenüber ist die Bekanntgabe nicht erfolgt. Es fehlt also an der inneren Wirksamkeit.

TeamRahad 🧞
23.12.2020, 21:07:31
Ah ok danke! Das Konzept kannte ich, hatte nur die Begrifflichkeiten noch nie gehört ^^
Reus04
20.4.2023, 17:44:14
Vorher hieß es mal: „eine nicht ordnungsgemäße Bekanntgabe hat nach h.M. grundsätzlich nicht die Unwirksamkeit zur Folge“. Aber hier liegt doch Unwirksamkeit vor oder?
Nilson2503
30.9.2023, 15:11:23
Dafür müsste der VA aber ja dennoch zugegangen sein (§ 8 VwZG). Dadurch, dass das Schild zu keinem Zeitpunkt für jemanden sichtbar war, wurde es praktisch nie bekanntgegeben.