Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Mord, § 211 StGB
Bombenwürfe in ein Lokal – Problem der Mehrfachtötungen 2
Bombenwürfe in ein Lokal – Problem der Mehrfachtötungen 2
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Von der Straße aus beobachtet T, wie seine Ex-Frau O mit ihrem neuen Freund F und dessen zwei Kindern im Wintergarten Karten spielt. Er beschließt, die fröhliche Gesellschaft umzubringen und wirft eine Sprengstoffbombe durch das Glas. O und F sterben bei der Explosion.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Bombenwürfe in ein Lokal – Problem der Mehrfachtötungen 2
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat O und F "mit gemeingefährlichen Mitteln" getötet (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 3 StGB).
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Orfeas
17.3.2021, 20:30:52
Evtl. könnte noch darauf eingegangen werden, dass hierin ein Wertungswiderspruch liegt. Im Endeffekt steht damit derjenige Täter, der von vornherein eine konkrete Vielzahl von Opfer durch ein in seinem Gefahrenpotential nicht beherrschbares Mittel tötet, gegenüber demjenigen Täter besser, der ohne diese Konkretisierung aufgrund der Gemeingefahr des Tötungsmittels auch nicht bereits individualisierte Opfer in Kauf nimmt. Das Unrecht auf der Handlungsseite ist bei ersterem eigentlich größer.
Lukas_Mengestu
18.3.2021, 10:39:25
Hallo Orfeas, in der Tat wird dieser Ansatz der Rechtsprechung in Teilen der Literatur als wertungswidersprüchlich bemängelt. Denn wenn T nur die Ex-Frau hätte töten wollen, so hätte man kein Problem das Vorliegen eines
gemeingefährlichen MIttels in Bezug auf F und dessen Kinder anzunehmen. Auch wenn dies im Ergebnis wertungswidersprüchlich erscheint, konnten sich Ansätze hier Abhilfe zu schaffen nicht durchsetzen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Umstand, dass T Menschen töten will, bereits über § 212 I StGB strafbewehrt ist. Die im Merkmal des "
gemeingefährlichen MIttels" zum Ausdruck kommende Strafschärfung hat ihren HIntergrund indes gerade in der Unkontrollierbarkeit des Angriffes des Täters und der darin zum Ausdruck kommenden besonderen Sozialgefährlichkeit der Tat.
Lukas_Mengestu
18.3.2021, 10:42:07
Berücksichtigt man dies, so erscheint es durchaus konsquent die "Mehrfachtötung" nicht unter das Tatbestandsmerkmal zu subusumieren und diese Fälle entweder nur im Hinblick auf die Strafzumessung zu berücksichtigen oder - je nach EInzelfall - ggfs. niedrige Beweggründe anzunehmen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Orfeas
18.3.2021, 15:20:11
Stimme dir vollkommen zu. Nur, dass dann leider wieder die Gefahr besteht die besonderen Anforderungen der speziellen Mordmerkmale über die niedrigen Beweggründe auszuhöhlen. Was wiederum einen Konflikt mit Art. 103 II GG bedeutet. Deswegen ist es m.E. ein echt verzwicktes Problem. Beste Grüße
Burumar🐸
16.7.2022, 12:23:49
In dem Fall hier könnte man vermutlich aber auch Heimtücke bejahen.
HelinAfshar
31.5.2024, 11:27:08
Ist es nicht auch relevant ob bzw. inwiefern das Grundstück für Dritte zugänglich ist? Bei einem für die Öffentlichkeit zugänglichen Grundstück könnte das Merkmal der
Gemeingefährlichkeit des Tötungsmittels doch vorliegen wenn andere Menschen in den näheren Bereich des Explosionsradius kommen könnten und der T auf subjektiver Ebene mit dolus eventualis handeln würde. Zwar gibt es im SV keine Anhaltspunkte für solch einen öffentlichen Zugang sodass hier wohl er nicht davon ausgegangen werden kann, ist so eine Konstelation nicht aber trotzdem denkbar?
Juratiopharm
5.6.2024, 10:39:09
Entsprechend des Beispiels mit dem (leeren) öffentlichen Parkplatz würde es wohl nicht ausreichen, dass ein Zugang für Dritte möglich ist, Dritte müssten dies auch im Moment der Tat verwendet haben, also anwesend sein.
Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Ich halte das hier alles nicht mehr aus.
21.6.2024, 12:46:34
Den Gedanken hatte ich auch - immerhin ist bei einem Wintergarten auch davon auszugehen, dass die Glassplitter bei einer Explosion sehr weit fliegen und Dritte verletzen.