Strafrecht
BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.
Nötigung, § 240 StGB
Überholen nur mit Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
Überholen nur mit Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T fährt mit erlaubten 100 km/h auf der Landstraße. O kommt mit seinem Auto von hinten an den T herangeflogen. T will den O ein wenig "drosseln" und zieht daher ganz leicht zur Mitte der Fahrbahn, während O noch weit genug entfernt ist, sodass eine Gefährdung ausgeschlossen ist.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Überholen nur mit Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Für den objektiven Tatbestand der Nötigung müsste T Gewalt ausgeübt haben (§ 240 Abs. 1 Var. 1 StGB), indem er beim Überholversuch des O auf die Fahrbahnmitte zog.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Handlung des T ist als verwerflich einzustufen (§ 240 Abs. 2 StGB).
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Simon
14.9.2023, 18:41:58
Ich finde, das kann man durchaus anders sehen. § 240 StGB schützt die Willensfreiheit, sodass auch Os Entschluß, sich verkehrswidrig zu verhalten, vom "Schutzbereich" erfasst ist. Ob der Staat verfassungsmäßig in die allgemeine Handlungsfreiheit des O eingreifen kann, da ein solcher Eingriff zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer gerechtfertigt wäre, ist eine andere Frage. Dadurch ist das Verhalten des O aber dennoch von seiner Willensfreiheit umfasst. Zweck der Nötigung ist hier das Einhalten der Geschwindigkeitsbegrenzung, also für sich genommen nicht
verwerflich. Maßgeblich kommt es mE daher auf das Mittel an. Hier ist zunächst festzuhalten, dass T nicht die zuständige
Behördeist, um staatliche Verbote gegenüber O durchzusetzen. Hinzu kommt, dass noch keine Gefährdung des T vorlag. Vielmehr maßt sich der T eine dem O übergeordnete Stellung an und handelt wie der Staat, der ein Verbot gegenüber dem Bürger aufgrund seiner Überordnung durchsetzt. Daher könnte man vielleicht noch einen Hinweis aufnehmen, dass eine aA ebenfalls vertretbar ist.
Juratiopharm
7.6.2024, 14:31:46
"Ganz leicht" zur Spurmitte zu fahren und die zulässige Höchstgeschwindigkeit fahren ist mMn nicht "sozial unerträglich" und damit, wenngleich "nicht schön" nicht auf der Schwelle zur strafwürdigen Nötigung. Grade die soziale Perspektive bei der
Verwerflichkeitsprüfung spricht in meinen Augen hierfür, weil die Gesellschaft (durch den Staat) sagt: Hier 100 km/h, Bruder.
Simon
7.6.2024, 22:16:17
Du hast natürlich Recht: Der Weg der Lösung ist schon der überzeugendere. Ich wollte hier einfach mal den "advocatus diaboli" spielen 😅