Strafrecht

BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.

Nötigung, § 240 StGB

Überholen nur mit Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

Überholen nur mit Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

26. November 2024

4,7(2.281 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T fährt mit erlaubten 100 km/h auf der Landstraße. O kommt mit seinem Auto von hinten an den T herangeflogen. T will den O ein wenig "drosseln" und zieht daher ganz leicht zur Mitte der Fahrbahn, während O noch weit genug entfernt ist, sodass eine Gefährdung ausgeschlossen ist.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Überholen nur mit Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Für den objektiven Tatbestand der Nötigung müsste T Gewalt ausgeübt haben (§ 240 Abs. 1 Var. 1 StGB), indem er beim Überholversuch des O auf die Fahrbahnmitte zog.

Ja, in der Tat!

Der klassische Gewaltbegriff setzt voraus, dass der Täter (1) durch körperliche Kraftentfaltung (2) Zwang ausübt, indem er auf den Körper eines anderen einwirkt, (3) um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden. Hier kann man einerseits vertreten, dass T, indem er mittig zur Fahrbahn gezogen ist, körperlich wirkenden Zwang auf den O ausgeübt hat. Man kann aber auch darauf abstellen, dass bereits keine Beeinträchtigung des Rechtsguts Freiheit des O vorliegt, da dieser kein Recht auf ein verkehrswidriges Verhalten hat. Ein Überholvorgang wäre nur durch Überschreiten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit zulässig.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Handlung des T ist als verwerflich einzustufen (§ 240 Abs. 2 StGB).

Nein!

Verwerflich ist eine Verhaltensweise, wenn die Gewaltanwendung oder die Drohung zu dem beabsichtigten Zweck in einem auffallenden Missverhältnis stehen. Dabei muss das Missverhältnis derart auffällig sein, dass die Verhaltensweise als sozialethisch missbilligenswert anzusehen ist, d.h. von einem verständigen Dritten als sozial unerträglich, als strafwürdiges Unrecht empfunden wird. Da T in Reglementierungsabsicht handelt, liegt noch kein verwerfliches Nötigungsmittel vor. Zudem spricht für eine Verneinung der Verwerflichkeit, dass dem T noch die Einhaltung der in diesem Abschnitt geltenden Richtgeschwindigkeit möglich war. Somit ist dieses Verhalten in Anbetracht aller Umstände noch nicht als verwerflich anzusehen.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

14.9.2023, 18:41:58

Ich finde, das kann man durchaus anders sehen. § 240 StGB schützt die Willensfreiheit, sodass auch Os Entschluß, sich verkehrswidrig zu verhalten, vom "Schutzbereich" erfasst ist. Ob der Staat verfassungsmäßig in die allgemeine Handlungsfreiheit des O eingreifen kann, da ein solcher Eingriff zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer gerechtfertigt wäre, ist eine andere Frage. Dadurch ist das Verhalten des O aber dennoch von seiner Willensfreiheit umfasst. Zweck der Nötigung ist hier das Einhalten der Geschwindigkeitsbegrenzung, also für sich genommen nicht

verwerflich

. Maßgeblich kommt es mE daher auf das Mittel an. Hier ist zunächst festzuhalten, dass T nicht die zuständige

Behörde

ist, um staatliche Verbote gegenüber O durchzusetzen. Hinzu kommt, dass noch keine Gefährdung des T vorlag. Vielmehr maßt sich der T eine dem O übergeordnete Stellung an und handelt wie der Staat, der ein Verbot gegenüber dem Bürger aufgrund seiner Überordnung durchsetzt. Daher könnte man vielleicht noch einen Hinweis aufnehmen, dass eine aA ebenfalls vertretbar ist.

Juratiopharm

Juratiopharm

7.6.2024, 14:31:46

"Ganz leicht" zur Spurmitte zu fahren und die zulässige Höchstgeschwindigkeit fahren ist mMn nicht "sozial unerträglich" und damit, wenngleich "nicht schön" nicht auf der Schwelle zur strafwürdigen Nötigung. Grade die soziale Perspektive bei der

Verwerflich

keitsprüfung spricht in meinen Augen hierfür, weil die Gesellschaft (durch den Staat) sagt: Hier 100 km/h, Bruder.

Simon

Simon

7.6.2024, 22:16:17

Du hast natürlich Recht: Der Weg der Lösung ist schon der überzeugendere. Ich wollte hier einfach mal den "advocatus diaboli" spielen 😅


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen