Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)

Abwesenheit des Angeklagten als absoluter Revisionsgrund - Vorübergehende Entfernung des Angeklagten bei Vernehmung eines Zeugen oder eines Mitangeklagten (§ 247 StPO) II

Abwesenheit des Angeklagten als absoluter Revisionsgrund - Vorübergehende Entfernung des Angeklagten bei Vernehmung eines Zeugen oder eines Mitangeklagten (§ 247 StPO) II

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen Nachstellung (§ 238 StGB) verurteilt. Die Geschädigte G wurde in Abwesenheit des A vernommen, da laut Amtsarzt jedes Zusammentreffen mit A die akute Gefahr eines Nervenzusammenbruchs der G begründe. Über den Vernehmungsinhalt wurde A danach nicht unterrichtet.

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Einordnung des Falls

Abwesenheit des Angeklagten als absoluter Revisionsgrund - Vorübergehende Entfernung des Angeklagten bei Vernehmung eines Zeugen oder eines Mitangeklagten (§ 247 StPO) II

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Entgegen § 230 Abs. 1 StPO kann zum Schutz eines Zeugen vor der Gefahr eines schwerwiegenden Gesundheitsnachteils ohne den Angeklagten verhandelt werden (§ 247 S. 2 Alt. 2 StPO).

Ja, in der Tat!

Wenn bei einer Vernehmung eines erwachsenen Zeugen in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für die Gesundheit des Zeugen besteht, kann der Angeklagte aus dem Sitzungssaal entfernt werden (§ 247 S. 2 StPO). Der Gesundheitsnachteil braucht nur vorübergehend, muss aber schwerwiegend sein. Regelmäßig kommen nur schwere psychische Beeinträchtigungen in Betracht. Auch genügt nicht die bloße Möglichkeit der Gesundheitsschädigung, es bedarf einer auf Tatsachen gestützten hohen Wahrscheinlichkeit. Bei Zeugen unter 18 Jahren kommt eine Entfernung schon in Betracht, wenn in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist (§ 247 S. 2 Alt. 1 StPO)
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2. Die Verhandlung in As Abwesenheit war vorliegend nicht gerechtfertigt (§ 247 S. 2 StPO) und damit rechtsfehlerhaft (§ 230 Abs. 1 StPO).

Nein!

Ohne den Angeklagten findet die Hauptverhandlung nicht statt (§ 230 Abs. 1 StPO), außer es liegt ein Ausnahmetatbestand vor. Tatsachen müssen die konkrete, hohe Wahrscheinlichkeit eines schwerwiegenden Gesundheitsnachteils für die G begründen, damit § 247 S. 2 StPO die Verhandlung ohne A rechtfertigt. Bei der Prognose hat das Tatgericht einen eigenen Ermessensspielraum. Aufgrund des amtsärztlichen Zeugnisses besteht die begründete Befürchtung, die Anwesenheit des A würde einen Nervenzusammenbruch der G auslösen und damit eine schwere psychische Ausnahmereaktion, mit Symptomen wie Herzrasen, Zittern oder Weinkrämpfen, die potentiell auch zum Wegfall der Verhandlungsfähigkeit führen würde. Die Entscheidung des Gerichts nach pflichtgemäßem Ermessen war rechtsfehlerfrei.

3. Es liegt trotzdem ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO vor, da A nicht vom Inhalt der Vernehmung unterrichtet wurde (§ 247 S. 4 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Vorsitzende muss den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, davon unterrichten, was während seiner Abwesenheit verhandelt wurde (§ 247 S. 4 StPO). Nach § 338 Nr. 5 StPO wird allerdings nur vermutet, dass das Urteil auf der ungerechtfertigten Abwesenheit des Angeklagten beruht. Bei einem Verstoß lediglich gegen die Unterrichtungspflicht liegt dagegen kein absoluter Revisionsgrund vor.Da die Verhandlung in Abwesenheit des A gerechtfertigt war, liegt kein absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO vor, sodass das Beruhen nicht vermutet wird. A kann die unterbliebene Unterrichtung und den darin liegenden Verstoß gegen § 247 S. 4 StPO aber als relativen Revisionsgrund (§ 337 StPO) geltend machen. Er muss dann allerdings darlegen, dass das Urteil auf der Verletzung der Informationspflicht beruht.Als wesentliche Förmlichkeit kann die unterbliebene Unterrichtung nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 274 StPO)
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