Öffentliches Recht

VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz (§§ 80, 80a VwGO)

Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung bei Drittanfechtung nach § 80a Abs. 1 VwGO (Grundlagen)

Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung bei Drittanfechtung nach § 80a Abs. 1 VwGO (Grundlagen)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A will ein Straßenfest veranstalten und erhält die erforderliche Genehmigung von Behörde B. As Antrag auf sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung lehnt B ab. Zwei Tage vor dem geplanten Fest legt Nachbarin N Widerspruch gegen die Genehmigung ein.

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Einordnung des Falls

Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung bei Drittanfechtung nach § 80a Abs. 1 VwGO (Grundlagen)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Genehmigung ist ein Verwaltungsakt. Ist A durch diesen Verwaltungsakt begünstigt?

Ja!

Ein begünstigender Verwaltungsakt liegt vor, wenn dieser ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (vgl. § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Die Genehmigung für das Straßenfest ist ein Verwaltungsakt i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG. Dieser räumt As Recht ein, in dem genehmigten Zeitraum das geplante Straßenfest durchzuführen (Sondernutzung der Straße).
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2. N ist durch den Verwaltungsakt belastet. Entfaltet Ns Drittwiderspruch aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 S. 2, S. 1 VwGO)?

Genau, so ist das!

Es gibt Verwaltungsakte, die nicht nur den Adressaten, sondern auch Dritte betreffen (sog. Verwaltungsakte mit Drittwirkung). Diese sind in verschiedenen Konstellationen denkbar (vgl. § 80a VwGO): Zum einen kann die Begünstigung des Adressaten mit einer Belastung eines Dritten verbunden sein (z.B. Baugenehmigung). Andersherum kann ein den Adressaten belastender Verwaltungsakt eine Begünstigung für einen Dritten bedeuten (z.B. bauliche Abrissverfügung).Ein belastender Verwaltungsakt liegt vor, wenn sich die Regelung für den betroffenen Bürger als nachteilig erweist. § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO stellt klar, dass der Widerspruch und die Anfechtungsklage bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung ebenfalls aufschiebende Wirkung entfalten. Die Genehmigung schränkt die Nutzbarkeit der Straße durch N ein und wirkt für N daher belastend. Ns Widerspruch entfaltet aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 S. 2, S. 1 VwGO. An dieser Stelle ist es zwar noch nicht entscheidend, ob der Verwaltungsakt für N belastend ist oder nicht. Im einstweiligen Rechtsschutz nach § 80a muss Du dies aber feststellen. Es bietet sich daher an, dass Du Dir die Konstellation von Anfang an klar machst.

3. Solange As Genehmigung suspendiert ist, kann A ihre Straßenfest nicht (legal) durchführen. Liegt es daher in As Interesse, dass die Behörde den Vollzug der Genehmigung weiterhin aussetzt?

Nein, das trifft nicht zu!

Nein, ganz im Gegenteil: Es liegt in As Interesse, dass die Behörde die sofortige Vollziehung der Genehmigung anordnet (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO). Dadurch entfiele die aufschiebende Wirkung und die Geltung der Genehmigung wäre nicht mehr gehemmt. Dies wiederum würde bedeuten, dass A ihr Straßenfest (legal) wie geplant durchführen kann. Merke Dir: Wer durch einen Verwaltungsakt belastet ist, hat immer ein Interesse daran, dass die aufschiebende Wirkung besteht. Wer durch einen Verwaltungsakt begünstigt wird, will diese Begünstigung (aufrecht)erhalten und ist daher an der (sofortigen) Vollziehbarkeit interessiert!

4. A hatte zunächst bei der B beantragt, die sofortige Vollziehung anzuordnen (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO). Kann A gegen Bs Ablehnung dieses Antrags vorgehen?

Nein!

Gegen die unterlassene Anordnung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO als solche steht dem Betroffenen kein Rechtsbehelf zu. A konnte zunächst nichts dagegen tun, dass B die sofortige Vollziehung der Genehmigung nicht angeordnet hat.

5. Weil N einen Rechtsbehelf gegen As Genehmigung eingelegt hat, kann A nun erneut beantragen, dass B die sofortige Vollziehung anordnet (§ 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Genau, so ist das!

Legt Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 die sofortige Vollziehung anordnen (§ 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Diese Variante greift in den Fällen, in denen der Rechtsbehelf des Dritten die aufschiebende Wirkung „auslöst“. Ns Widerspruch entfaltete die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 S. 2, S. 1 VwGO ein. A kann einen Antrag nach § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO bei B stellen. Den einstweiligen Rechtsschutz bei Drittanfechtungen kannst Du Dir wie ein Ping-Pong-Spiel vorstellen: Der eine Beteiligte sorgt dafür, dass die aufschiebende Wirkung eintritt, der andere versucht, dies wieder „rückgängig“ zu machen.

6. Weil B die Anordnung der sofortigen Vollziehung bereits einmal abgelehnt hat, erscheint ein erneuter Antrag für A wenig vielversprechend. Kann A den Antrag auch bei Gericht stellen (siehe § 80a Abs. 3 VwGO)?

Ja, in der Tat!

Nach § 80a Abs. 3 VwGO können alle Anträge, die nach § 80a Abs. 1 und Abs. 2 VwGO bei der Behörde gestellt werden können, auch bei Gericht gestellt werden. A kann einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung beim zuständigen Verwaltungsgericht stellen (§ 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO). Gegenstand einer Klausur ist typischerweise ein Antrag auf gerichtlichen Rechtsschutz. Wir schauen uns diesen noch genauer an! Teilweise findest Du für den Antrag auf gerichtliche Eilrechtsschutz auch diese Zitierweise: „§ 80a Abs. 3 i.V.m. §§ 80a Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.“ Beide Varianten sind vertretbar, die von uns gewählte Zitierweise ist aber wohl gängiger. Wichtig ist vor allem, dass Du einheitlich zitierst.
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