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Grundfall I: Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte

Grundfall I: Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte

16. Juli 2025

22 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Journalist J ist für seine scharfe Kritik am politischen System berüchtigt. In letzter Zeit veröffentlicht er wiederholt vernichtende Artikel über Bundeskanzler Karl König. Dieser hat die Nase voll und lässt J auf persönlichen Wunsch auf unbestimmte Zeit inhaftieren.

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Einordnung des Falls

Grundfall I: Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Grundrechte sind zuvorderst Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.

Ja, in der Tat!

Grundrechte sind aus historischer Perspektive als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat formuliert, um sich gegen dessen Gewaltmonopol zur Wehr setzen zu können (sog. Abwehrfunktion). Dieses Gewaltmonopol ermöglicht es dem Staat, im Zweifel auch gegen den Willen der Bürger Gesetze oder Maßnahmen zu erlassen und diese mit Zwang durchzusetzen. Diese Macht kann jedoch nicht unbegrenzt gelten, sondern wird vielmehr durch die Grundrechte als Abwehrrechte eingehegt. Sie sorgen dafür, dass die Freiheit der Bürger vor ungerechtfertigten bzw. willkürlichen Eingriffen des Staats gesichert ist und fordern vom Staat ein Unterlassen.
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2. Als Journalist kann sich J auf das Abwehrrecht der Pressefreiheit berufen (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG).

Ja!

Grundrechte sind aus historischer Perspektive als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat formuliert, um sich gegen dessen Gewaltmonopol zur Wehr setzen zu können (sog. Abwehrfunktion). Abwehrrechte sorgen dafür, dass die Freiheit der Bürger vor ungerechtfertigten bzw. willkürlichen Eingriffen des Staats gesichert ist und fordern vom Staat ein Unterlassen. Die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) schützt alle mit der Pressearbeit zusammenhängenden Tätigkeiten – von der Informationsbeschaffung bis zur Verbreitung und Veröffentlichung von Nachrichten und Meinungen sowie alle Stufen dazwischen. Die Pressefreiheit ist daher ein klassisches Abwehrrecht, das die im Pressewesen tätigen Personen in Ausübung ihrer Funktion vor ungerechtfertigten bzw. willkürlichen staatlichen Eingriffen schützt. Neben der Pressefreiheit könntest Du hier auch an das Abwehrrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) denken. Diese schützt die Freiheit des Bürgers, seine Meinung öffentlich oder privat zu äußern. Die Pressefreiheit ist hier aber spezieller.Die Pressefreiheit – und die eng mit ihr verwandte Meinungsfreiheit – steht historisch gesehen im Zentrum der Entwicklung der modernen Demokratie. Denn lange Zeit war es nicht möglich, sich gegen staatliche Meinungsunterdrückung zu wehren. Presse- und Meinungsfreiheit sind als klassische Abwehrrechte konstitutiv für unsere pluralistische Demokratie. Umfassendes Wissen zur Presse- und zur Meinungsfreiheit erlernst Du weiter hinten in diesem Kurs!

3. Journalist J kann sich gegen seine Inhaftierung wehren, indem er sich auf die Pressefreiheit als klassisches Abwehrrecht beruft und vom Staat Unterlassen verlangt.

Genau, so ist das!

Grundrechte sind aus historischer Perspektive als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat formuliert, um sich gegen dessen Gewaltmonopol zur Wehr setzen zu können (sog. Abwehrfunktion). Abwehrrechte sorgen dafür, dass die grundrechtlich geschützte Freiheit der Bürger vor ungerechtfertigten bzw. willkürlichen Eingriffen des Staats gesichert ist und fordern vom Staat ein Unterlassen. Journalist J kann sich gegen seine Inhaftierung wehren, indem er sich auf die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) als klassisches Abwehrrecht beruft. Er kann auf dessen Grundlage vom Staat ein Unterlassen der willkürlich erfolgten Inhaftierung zur Unterbindung seiner journalistischen Tätigkeit – hier der Veröffentlichung kritischer Artikel über den Bundeskanzler – verlangen. J kann sich dabei nicht nur auf die Pressefreiheit berufen, sondern etwa auch auf das (Abwehr-) Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG). Die Pressefreiheit geht allerdings dem allgemeineren Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) als spezielleres Grundrecht vor. Mehr zum Verhältnis der verschiedenen Grundrechte zueinander vermitteln wir im weiteren Verlauf dieses Kurses.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

§🗿

§🗿

3.4.2024, 02:10:36

Diese neue Einführung in die Grundrechte ist im Vergleich zu dem bisherigen eher theoretischen Einstieg eine tolle Verbesserung! Dickes Lob und bitte weiter so! :)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

3.4.2024, 16:05:52

Danke dir liebe Elisha! Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

§🗿

§🗿

12.5.2024, 17:17:27

Als Rechtsfolge wird hier das Unterlassen vom Staat verlangt. Gibt es auch weitere Ansprüche, wie einen "Schadensersatz"? Schließlich wurde verfassungswidrig in ein Grundrecht eingegriffen. Wird der Staat dafür irgendwie "bestraft"? Im Zivilrecht gibt es ja keinen "punitive damage" wie in den USA, aber ich frage mich was der tatsächliche Sinn der Grundrechte ist, wenn der Staat grundsätzlich tun kann was er möchte und ab und zu halt paar Richter sagen "lasst mal bitte". Scheint mit dieser Information ja keine große Motivation zu sein, verfassungswidrige Eingriffe von vornherein zu vermeiden. Bürger müssen bei bestimmten Straftaten ja auch häufig mit Geld oder Freiheit zahlen, auch wenn u.U. kein tatsächlicher Schaden angerichtet wird. Die Ratio dahinter ist im Strafrecht u.a. Abschreckung. Was wäre also das Äquivalent für den Staat, falls es ein solches überhaupt gibt?

§🗿

§🗿

12.5.2024, 17:19:23

Den oberen Text schreibe ich nochmal in einen neuen Thread, war bloß versehentlich hier. Vielleicht ein Grund den Nutzern grundsätzlich doch zu ermöglichen, eigene Kommentare zu löschen :) LG

HAN

hannabuma

5.11.2024, 12:20:14

@Anonym1 Das würde sich dann nach dem

Staatshaftungsrecht

richten.

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

9.1.2025, 10:42:49

Danke für Deine Nachfrage. Als direkte Rechtsfolge lässt sich aus den Grundrechten kein Schadensersatz oder Entschädigungsanspruch für die Verletzung herleiten. In einzelnen Fällen ist dies aber möglich, insbesondere bei besonders schwerwiegenden Verletzungen. Hinzu kommen

staatshaftungsrecht

lichen Anspruchsgrundlagen (insb. der Staatshaftungsanspruch, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG), die Schadensersatz und Entschädigung für staatliches Handeln unter bestimmten Voraussetzungen vorsehen. Dies würde aber den vorliegenden Rahmen sprengen – schau Dir dazu gern unsere dahingehenden Lerninhalte an. Einem Eindruck möchte ich aber entgegentreten: Der Staat ist vollumfänglich an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) und an Recht und Gesetz gebunden (Rechtsstaatsprinzip, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG). Dass er oder die Staatsdiener eine eigenständige „Motivation“ benötigten, um rechtskonform zu handeln oder verfassungswidrige Eingriffe von vornherein zu vermeiden, führt gedanklich in die Irre. Die verfassungsrechtlich vorgesehene Rechtmäßigkeit staatlichen Verhaltens ist nicht nur eine rechtliche Vorgabe, sondern in der Rechtspraxis in Deutschland auch der Regelfall. Für die – immer noch zu häufig vorhandenen – Fälle, in denen Grundrechte verletzt werden, sind eben die Grundrechte da und ihr Schutz durch die unabhängige Justiz. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

§🗿

§🗿

12.5.2024, 17:20:12

Als Rechtsfolge wird hier das Unterlassen vom Staat verlangt. Gibt es auch weitere Ansprüche, wie einen "Schadensersatz"? Schließlich wurde verfassungswidrig in ein Grundrecht eingegriffen. Wird der Staat dafür irgendwie "bestraft"? Im Zivilrecht gibt es ja keinen "punitive damage" wie in den USA, aber ich frage mich was der tatsächliche Sinn der Grundrechte ist, wenn der Staat grundsätzlich tun kann was er möchte und ab und zu halt paar Richter sagen "lasst mal bitte". Scheint mit dieser Information ja keine große Motivation zu sein, verfassungswidrige Eingriffe von vornherein zu vermeiden. Bürger müssen bei bestimmten Straftaten ja auch häufig mit Geld oder Freiheit zahlen, auch wenn u.U. kein tatsächlicher Schaden angerichtet wird. Die Ratio dahinter ist im Strafrecht u.a. Abschreckung. Was wäre also das Äquivalent für den Staat, falls es ein solches überhaupt gibt?

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

13.5.2024, 14:36:38

Hallo §,  grundsätzlich gibt es zum einen den "Amtshaftungsanspruch" aus § 839 BGB. Zusätzlich gibt es noch weitere

staatshaftungsrecht

liche Instrumente. Hierfür empfehle ich Dir, den Reiter "

Staatshaftungsrecht

" durchzuarbeiten, der die Schadensersatzansprüche des Bürgers regelt. Grundsätzlich ist jedoch die Pönalisierung von Amtsmissbrauch auf dem disziplinarrechtlichen Weg geregelt. Weiter kommen strafrechtliche Normen in Betracht, wie der § 302 StGB "Missbrauch von Amtsgewalt".  Beste Grüße  Max - für das Jurafuchs-Team

Lulalup TV

Lulalup TV

18.1.2025, 12:24:02

Guten Tag, in Art. 5 Abs. 2 wird aber doch auch ausdrücklich erwähnt, dass die Pressefreiheit ihre Schranken findet in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze zum

Recht der persönlichen Ehre

. Wenn der Journalist sich nun "vernichtend" über den Bundeskanzler äußert, wird dieser dann nicht in seinem Recht zum Schutz persönlich Ehre eingeschränkt? Habe kaum Erfahrung im juristischem Bereich, deshalb ist die Frage vielleicht auch unnötig. Aber vielen Dank für die Antwort im Vorraus!

VaryNia

VaryNia

23.6.2025, 15:18:44

Da müsste man eine Abwägung zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kanzlers und der Pressefreiheit des J vornehmen. Ohne einen genaueren Sachverhalt kann man nicht genau sagen, was überwiegt.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

23.6.2025, 21:07:12

Hallo @[Lulalup TV](287159), in der Tat müsste man hier normalerweise näher hinschauen. Es stimmt zwar, dass das

Recht der persönlichen Ehre

nach Art 5 II GG einen sog Schrankenvorbehalt der Pressefreiheit darstellt, diese also einschränken kann. Das heißt aber nicht, dass jede Äußerung, die das

Recht der persönlichen Ehre

einer anderen Person tangiert, deshalb automatisch "

rechtswidrig

", also nicht mehr von der Pressefreiheit gedeckt ist. Wie @[VaryNia](273968) richtig sagt, müssten wir die betroffenen Interessen des J und des Bundeskanzlers hier gegeneinander abwägen und bräuchten dazu nähere Anhaltspunkte, insbesondere zu Inhalt und natürlich auch "Ton" des von J verfassten Artikels. Die aus unserer Zeichnung ersichtliche Überschrift ("König - schlechtester Kanzler aller Zeiten") dürfte für sich genommen jedenfalls recht unproblematisch noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sein. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

11.3.2025, 19:18:16

das wäre hier ein schlichter

Abwehr und Unterlassungsanspruch

oder?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

23.6.2025, 21:21:54

Hallo @[okalinkk](253888), das lässt sich ohne nähere Anhaltspunkte zum "Verfahren" der Inhaftierung kaum sagen. Uns geht es hier ohnehin allein um die Funktionsweise der Grundrechte, nicht darum, wie sich J prozessual zur Wehr setzen kann. Nach der Sachverhaltsdarstellung haben wir es offenbar eher mit einem Fantasiestaat zu tun. Es gibt zwar einen "Bundeskanzler", der aber eine Person "auf persönlichen Wunsch hin" und "auf unbestimmte Zeit" inhaftieren lassen kann. Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, auf welcher rechtlichen Grundlage das passiert, nach einer Demokratie nach unserem Verständnis klingt das Ganze jedenfalls nicht. Vielleicht sind wir zB auch im StrafR und müssten uns dann auf formalem Weg mit einer Beschwerde oder ähnlichem gegen die Inhaftierung wehren. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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