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Grundfall I: Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte
Grundfall I: Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte
16. Juli 2025
22 Kommentare
4,4 ★ (33.856 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Journalist J ist für seine scharfe Kritik am politischen System berüchtigt. In letzter Zeit veröffentlicht er wiederholt vernichtende Artikel über Bundeskanzler Karl König. Dieser hat die Nase voll und lässt J auf persönlichen Wunsch auf unbestimmte Zeit inhaftieren.
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Einordnung des Falls
Grundfall I: Abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Grundrechte sind zuvorderst Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.
Ja, in der Tat!
2. Als Journalist kann sich J auf das Abwehrrecht der Pressefreiheit berufen (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG).
Ja!
3. Journalist J kann sich gegen seine Inhaftierung wehren, indem er sich auf die Pressefreiheit als klassisches Abwehrrecht beruft und vom Staat Unterlassen verlangt.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
§🗿
3.4.2024, 02:10:36
Diese neue Einführung in die Grundrechte ist im Vergleich zu dem bisherigen eher theoretischen Einstieg eine tolle Verbesserung! Dickes Lob und bitte weiter so! :)

Nora Mommsen
3.4.2024, 16:05:52
Danke dir liebe Elisha! Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
§🗿
12.5.2024, 17:17:27
Als Rechtsfolge wird hier das Unterlassen vom Staat verlangt. Gibt es auch weitere Ansprüche, wie einen "Schadensersatz"? Schließlich wurde verfassungswidrig in ein Grundrecht eingegriffen. Wird der Staat dafür irgendwie "bestraft"? Im Zivilrecht gibt es ja keinen "punitive damage" wie in den USA, aber ich frage mich was der tatsächliche Sinn der Grundrechte ist, wenn der Staat grundsätzlich tun kann was er möchte und ab und zu halt paar Richter sagen "lasst mal bitte". Scheint mit dieser Information ja keine große Motivation zu sein, verfassungswidrige Eingriffe von vornherein zu vermeiden. Bürger müssen bei bestimmten Straftaten ja auch häufig mit Geld oder Freiheit zahlen, auch wenn u.U. kein tatsächlicher Schaden angerichtet wird. Die Ratio dahinter ist im Strafrecht u.a. Abschreckung. Was wäre also das Äquivalent für den Staat, falls es ein solches überhaupt gibt?
§🗿
12.5.2024, 17:19:23
Den oberen Text schreibe ich nochmal in einen neuen Thread, war bloß versehentlich hier. Vielleicht ein Grund den Nutzern grundsätzlich doch zu ermöglichen, eigene Kommentare zu löschen :) LG
hannabuma
5.11.2024, 12:20:14

Wendelin Neubert
9.1.2025, 10:42:49
Danke für Deine Nachfrage. Als direkte Rechtsfolge lässt sich aus den Grundrechten kein Schadensersatz oder Entschädigungsanspruch für die Verletzung herleiten. In einzelnen Fällen ist dies aber möglich, insbesondere bei besonders schwerwiegenden Verletzungen. Hinzu kommen
staatshaftungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen (insb. der Staatshaftungsanspruch, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG), die Schadensersatz und Entschädigung für staatliches Handeln unter bestimmten Voraussetzungen vorsehen. Dies würde aber den vorliegenden Rahmen sprengen – schau Dir dazu gern unsere dahingehenden Lerninhalte an. Einem Eindruck möchte ich aber entgegentreten: Der Staat ist vollumfänglich an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) und an Recht und Gesetz gebunden (Rechtsstaatsprinzip, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG). Dass er oder die Staatsdiener eine eigenständige „Motivation“ benötigten, um rechtskonform zu handeln oder verfassungswidrige Eingriffe von vornherein zu vermeiden, führt gedanklich in die Irre. Die verfassungsrechtlich vorgesehene Rechtmäßigkeit staatlichen Verhaltens ist nicht nur eine rechtliche Vorgabe, sondern in der Rechtspraxis in Deutschland auch der Regelfall. Für die – immer noch zu häufig vorhandenen – Fälle, in denen Grundrechte verletzt werden, sind eben die Grundrechte da und ihr Schutz durch die unabhängige Justiz. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
§🗿
12.5.2024, 17:20:12
Als Rechtsfolge wird hier das Unterlassen vom Staat verlangt. Gibt es auch weitere Ansprüche, wie einen "Schadensersatz"? Schließlich wurde verfassungswidrig in ein Grundrecht eingegriffen. Wird der Staat dafür irgendwie "bestraft"? Im Zivilrecht gibt es ja keinen "punitive damage" wie in den USA, aber ich frage mich was der tatsächliche Sinn der Grundrechte ist, wenn der Staat grundsätzlich tun kann was er möchte und ab und zu halt paar Richter sagen "lasst mal bitte". Scheint mit dieser Information ja keine große Motivation zu sein, verfassungswidrige Eingriffe von vornherein zu vermeiden. Bürger müssen bei bestimmten Straftaten ja auch häufig mit Geld oder Freiheit zahlen, auch wenn u.U. kein tatsächlicher Schaden angerichtet wird. Die Ratio dahinter ist im Strafrecht u.a. Abschreckung. Was wäre also das Äquivalent für den Staat, falls es ein solches überhaupt gibt?

Maximilian Puschmann
13.5.2024, 14:36:38
Hallo §, grundsätzlich gibt es zum einen den "Amtshaftungsanspruch" aus § 839 BGB. Zusätzlich gibt es noch weitere
staatshaftungsrechtliche Instrumente. Hierfür empfehle ich Dir, den Reiter "
Staatshaftungsrecht" durchzuarbeiten, der die Schadensersatzansprüche des Bürgers regelt. Grundsätzlich ist jedoch die Pönalisierung von Amtsmissbrauch auf dem disziplinarrechtlichen Weg geregelt. Weiter kommen strafrechtliche Normen in Betracht, wie der § 302 StGB "Missbrauch von Amtsgewalt". Beste Grüße Max - für das Jurafuchs-Team
Lulalup TV
18.1.2025, 12:24:02
Guten Tag, in Art. 5 Abs. 2 wird aber doch auch ausdrücklich erwähnt, dass die Pressefreiheit ihre Schranken findet in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze zum
Recht der persönlichen Ehre. Wenn der Journalist sich nun "vernichtend" über den Bundeskanzler äußert, wird dieser dann nicht in seinem Recht zum Schutz persönlich Ehre eingeschränkt? Habe kaum Erfahrung im juristischem Bereich, deshalb ist die Frage vielleicht auch unnötig. Aber vielen Dank für die Antwort im Vorraus!
VaryNia
23.6.2025, 15:18:44
Da müsste man eine Abwägung zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kanzlers und der Pressefreiheit des J vornehmen. Ohne einen genaueren Sachverhalt kann man nicht genau sagen, was überwiegt.

Sebastian Schmitt
23.6.2025, 21:07:12
Hallo @[Lulalup TV](287159), in der Tat müsste man hier normalerweise näher hinschauen. Es stimmt zwar, dass das
Recht der persönlichen Ehrenach Art 5 II GG einen sog Schrankenvorbehalt der Pressefreiheit darstellt, diese also einschränken kann. Das heißt aber nicht, dass jede Äußerung, die das
Recht der persönlichen Ehreeiner anderen Person tangiert, deshalb automatisch "
rechtswidrig", also nicht mehr von der Pressefreiheit gedeckt ist. Wie @[VaryNia](273968) richtig sagt, müssten wir die betroffenen Interessen des J und des Bundeskanzlers hier gegeneinander abwägen und bräuchten dazu nähere Anhaltspunkte, insbesondere zu Inhalt und natürlich auch "Ton" des von J verfassten Artikels. Die aus unserer Zeichnung ersichtliche Überschrift ("König - schlechtester Kanzler aller Zeiten") dürfte für sich genommen jedenfalls recht unproblematisch noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sein. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
okalinkk
11.3.2025, 19:18:16

Sebastian Schmitt
23.6.2025, 21:21:54
Hallo @[okalinkk](253888), das lässt sich ohne nähere Anhaltspunkte zum "Verfahren" der Inhaftierung kaum sagen. Uns geht es hier ohnehin allein um die Funktionsweise der Grundrechte, nicht darum, wie sich J prozessual zur Wehr setzen kann. Nach der Sachverhaltsdarstellung haben wir es offenbar eher mit einem Fantasiestaat zu tun. Es gibt zwar einen "Bundeskanzler", der aber eine Person "auf persönlichen Wunsch hin" und "auf unbestimmte Zeit" inhaftieren lassen kann. Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, auf welcher rechtlichen Grundlage das passiert, nach einer Demokratie nach unserem Verständnis klingt das Ganze jedenfalls nicht. Vielleicht sind wir zB auch im StrafR und müssten uns dann auf formalem Weg mit einer Beschwerde oder ähnlichem gegen die Inhaftierung wehren. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team