Versuchsbeginn bei der Strafvereitelung

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

K sitzt im Gefängnis. Er will Z mittels Brief zu einer entlastenden Falschaussage bewegen. Anwalt A, der den Inhalt kennt, soll ihn Z bringen. A will den Brief unter den Scheibenwischer von Zs Auto klemmen. Versehentlich bringt er ihn stattdessen am Wagen von Staatsanwältin S an.

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Einordnung des Falls

Versuchsbeginn bei der Strafvereitelung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat sich wegen Strafvereitelung strafbar gemacht, indem er den Brief an S Scheibenwischer anbrachte (§ 258 Abs. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 258 Abs. 1 StGB sind: (1)Strafbare Vortat eines anderen (2)Ganz oder teilweise Vereitelung der Bestrafung A müsste subjektiv zumindest bedingt vorsätzlich bezüglich der Vortat und absichtlich oder wissentlich bezüglich des Vereitelns gehandelt haben. Zudem müsste die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen worden sein und kein persönlicher Strafausschließungsgrund nach § 258 Abs. 5 und 6 StGB eingreifen.Der Brief ist nie bei Z angekommen. A kann durch seine Handlung damit keine Falschaussage oder gar Strafmilderung oder -verhinderung kausal herbeigeführt haben. A hat sich nicht nach § 258 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
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2. A könnte sich wegen versuchter Strafvereitelung strafbar gemacht haben, indem er den Brief unter den Scheibenwischer schob (§§ 258 Abs. 1, Abs. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

In einer Vorprüfung sollte kurz festgestellt werden, dass keine vollendete Strafvereitelung vorliegt und der Versuch gem. § 258 Abs. 4 StGB strafbar ist. Dann müsste A Tatentschluss gehabt und zur Tatausführung unmittelbar angesetzt haben. Er müsste zudem rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben und dürfte nicht vom Versuch zurück getreten sein (§ 24 StGB).

3. Das Auto gehörte nicht Z. Das Hinterlassen des Briefs hinter dem Scheibenwischer war deshalb nie geeignet, einen Vereitelungserfolg herbei zu führen. Scheidet ein Versuch damit generell aus?

Nein!

§ 22 StGB verlangt lediglich, dass der Täter nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Tat ansetzt. Auch diesem Grund ist auch ein sog. untauglicher Versuch strafbar.

4. Für ein unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB genügt nach hM bereits, wenn der Täter die Schwelle zum „Jetzt geht’s los” überschritten hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Zur Konkretisierung des Versuchsbeginns werden zahlreiche Ansätze vertreten. Die h.M. kombinierte unterschiedliche Kriterien zum Bestimmen des unmittelbaren Ansetzens. Dieses liege vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat die Schwelle zum „Jetzt geht’s los” überschreitet und objektiv Handlungen vornimmt, die - nach seinem Tatplan - in ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenakte unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen.

5. Hat A unmittelbar zur Strafvereitelung angesetzt, als er den Brief unter den Scheibenwischer des Autos legte, das mutmaßlich Z gehörte (§§ 258 Abs. 1, Abs. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

A hat den Brief unter den Scheibenwischer gelegt und das Geschehen aus seiner Sicht damit aus der Hand gegeben. Er hat damit die Schwelle zum „Jetzt geht’s los” überschritten. Allerdings hätte auch nach As Vorstellung Z sich noch zur falschen Aussage entscheiden müssen. Aufgrund dieses wesentlichen Zwischenschritts fehlt es am unmittelbar räumlich-zeitlichen Zusammenhang zwischen der Handlung und dem Strafvereitelungserfolg. Ein Versuch wäre erst mit dem Beginn der falschen Aussage zu bejahen.Im Originalfall sollte der Brief nicht direkt an Z gehen, sondern von A zunächst an Ks Ehefrau gelangen und von dieser dann weitergeleitet werden. Hier waren also noch mehr Zwischenschritte zwischengeschaltet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

7.8.2024, 23:49:08

Angenommen der Brief erreicht Z, welcher die Falschaussage tätigt, sodass es zu einer erheblichen Verzögerung der Verurteilung des K kommt: Wäre A dann wirklich wegen täterschaftlicher Strafvereitelung strafbar? Die unmittelbar zum tatbestandlichen Erfolg führende Handlung hätte hier dann Z vorgenommen. Von einer Tatherrschaft des A kann man m.E. nur schwerlich sprechen. Zwar wäre es ohne seine Handlung nie zum Erfolg gekommen, diese Kausalität ist aber bei einer Anstiftung gerade typisch. Vielmehr liegt die Taktherrschaft doch allein bei Z, der vollkommen frei von Willensmängeln entscheiden kann, ob er die Aussage tätigt. A hat das Tatgeschehen mit Entäußern des Briefes aus der Hand gegeben, sein Beitrag im Vorfeld der Strafvereitelung kann auch nicht als so gewichtig angesehen werden, als dass er seine unterlegene Stellung bei der Tatausführung kompensieren würde. Daher doch nur Beihilfe zu §§ 258, 26 StGB durch K, was nach den Grundsätzen der Kettenteilnahme als §§ 258, 27 StGB durch A gewertet würde. Nachdem die Haupttat (§ 258 durch Z) nicht einmal das Versuchsstadium erreicht hat, bloß versuchte Beihilfe, die nicht strafbar ist (vgl.

§ 30 StGB

).


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