Öffentliches Recht

VwGO

Feststellungsklage

Analoge Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO?

Analoge Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO?

30. Mai 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist Altenpfleger und deswegen gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PflegeKG Mitglied in der Pflegekammer Niedersachsen (Pflichtmitgliedschaft). A ist der Meinung, er sei kein Mitglied der Pflegekammer. Er will dies bestätigt bekommen, um keine Beiträge mehr zahlen zu müssen.

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Einordnung des Falls

Analoge Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nachdem die Behörde eine entsprechende Bestätigung verweigert, klagt A. Ist die statthafte Klageart die Feststellungsklage (§ 43 VwGO)?

Ja!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). Die Feststellungsklage ist statthaft, wenn das Klagebegehren auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist (§ 43 Abs. 1 Var. 1, Var. 2 VwGO) oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts festgestellt werden soll (§ 43 Abs. 1 Var. 3 VwGO). A begehrt die Feststellung, dass er kein Mitglied der Pflegekammer ist. Die Mitgliedschaft ist ein hinreichend konkretisiertes und damit feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Statthaft ist die negative Feststellungsklage.
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2. Ob der Kläger bei der Feststellungsklage klagebefugt sein muss, ist umstritten. Sprechen der Wortlaut des § 43 VwGO und seine systematische Stellung gegen das Erfordernis der Klagebefugnis?

Genau, so ist das!

Der Wortlaut des § 43 VwGO enthält keine Formulierung, die auf das Erfordernis einer Klagebefugnis schließen lässt. Zudem lässt die systematische Stellung des § 43 VwGO erkennen, dass das in § 42 Abs. 2 VwGO geregelte Erfordernis der Klagebefugnis nicht für die Feststellungsklage gelten solle.

3. Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) dient insbesondere dazu, Popularklagen auszuschließen. Spricht dies dafür, § 42 Abs. 2 VwGO analog auf die Feststellungsklage (§ 43 VwGO) anzuwenden?

Ja, in der Tat!

Das Rechtsschutzsystem der VwGO ist auf subjektiven Rechtsschutz ausgelegt. Die Klagebefugnis dient dazu, Popularklagen auszuschließen – oder anders formuliert – nur solche Klagen zuzulassen, die an die eigenen subjektiven Rechte des Klägers anknüpfen. Die analoge Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO würde sicherstellen, dass „Popularfeststellungsklagen“ konsequent ausgeschlossen werden. Eine Ansicht wendet deshalb § 42 Abs. 2 VwGO analog auf die Feststellungsklage an. Dieser Auffassung folgt auch das BVerwG in ständiger Rechtsprechung.

4. Durch die Zulässigkeitsvoraussetzung des Feststellungsinteresses (§ 43 Abs. 1 a.E. VwGO) ist ein Bezug zu den subjektiven Interessen des Klägers hergestellt. Spricht dies dafür, dass man zusätzlich § 42 Abs. 2 VwGO analog anwenden muss?

Nein!

Nach der allgemeinen Definition umfasst das Feststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1 a.E. VwGO) jedes schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Dieses Merkmal hat die Funktion, einen konkreten individuellen Bezug zum Kläger herzustellen. Es muss dem Kläger also um die Verwirklichung eigener Interessen gehen. „Popularfeststellungsklagen“ werden also bereits durch das Feststellungsinteresse ausgeschlossen. Aus diesem Grund bedarf es nach einer Ansicht keiner analogen Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO. Nach dieser Ansicht fehlt für eine analoge Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO bereits die planwidrige Regelungslücke.

5. Wenn wir der Meinung folgen, die § 42 Abs. 2 VwGO analog anwendet: Ist A vorliegend klagebefugt?

Genau, so ist das!

Die Klagebefugnis setzt voraus, dass der Kläger geltend macht, in eigenen Rechten betroffen zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Eine Verletzung in eigenen Rechten darf nicht offensichtlich ausgeschlossen sein (sog. Möglichkeitstheorie). A muss durch die Pflichtmitgliedschaft in der Pflegekammer in eigenen Rechten verletzt sein. Hier kommt eine Verletzung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, zumindest aber eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit des A aus Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht. Ob Art. 9 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als negative Vereinigungsfreiheit auch für öffentlich-rechtliche Pflichtvereinigungen (wie die Pflegekammer) gilt, ist umstritten.

6. Kommen die beiden Ansichten zur Klagebefugnis vorliegend zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der Zulässigkeit von As Klage?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Ansicht fordert, dass der Kläger auch bei der Feststellungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt sein muss, während die andere Ansicht unter Verweis auf das Feststellungsinteresse darauf verzichtet. Da A hier klagebefugt ist, kommen beiden Ansichten zum gleichen Ergebnis. Da der Kläger so gut wie immer in der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen ist, ist die Klagebefugnis auch in fast jedem Fall gegeben. Die beiden Ansichten kommen also selten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Dementsprechend kannst Du in der Klausur auf eine ausführliche Darstellung des Streits verzichten. Eine Fallgruppe, bei der die Klagebefugnis und demnach auch der Streitentscheid relevant wird, wäre die Drittfeststellungsklage.
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Eine Besprechung von:
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