Nötigung durch Hungerstreik
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Häftling T fordert bessere Haftbedingungen und will dies mit einem Hungerstreik "bis zum Tode" forcieren. Da der Wärter O Angst um die Gesundheit des T hat, kommt er der Forderung des T nach.
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Einordnung des Falls
Nötigung durch Hungerstreik
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. In dem T der O mitteilt, bis zum Tode den Hungerstreik anzutreten, sollte er keine besseren Haftbedingungen erhalten, liegt eine Drohung des T (§ 240 Abs. 1 Var. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Nötigungserfolg (§ 240 Abs. 1 StGB) ist in Form einer Handlung eingetreten.
Ja!
3. T hat gerade mit der eingesetzten Drohung das Tun des O kausal und objektiv zurechenbar herbeigeführt (nötigungsspezifischer Zusammenhang).
Genau, so ist das!
4. Die Androhung des Hungerstreiks ist auch verwerflich (§ 240 Abs. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jose
25.1.2022, 16:45:09
Gibt es auch die Ansicht, dass ein Hungerstreik nicht verwerflich sei? Finde man macht es sich etwas einfach, wenn man behauptet, dass eine Haftbeschwerde easy zu machen sei und finde, dass gerade Häftlingen, in deren Grundrechte ohnehin massiv eingegriffen wird, in so einem Fall nicht mit weiterer Strafan
drohungbegegnet werden sollte. Einen Hungerstreik macht ja auch niemand aus Spaß.
Lukas_Mengestu
26.1.2022, 13:59:58
Hallo Jose, verschiedentlich war überlegt worden, ob man die
Drohungmit der Selbsttötung aus dem Anwendungsbereich des § 240 Abs. 1 StGB ausnimmt. Dazu ist es indes nie gekommen (Sinn, in: MüKo-StGB 4.A. 2021, § 240 RdNr. 153). In dem vor dem BGH verhandelten Originalfall konnte dies offenbleiben, da hier der Hungerstreik abgebrochen werden sollte, wenn er "zu schwer werden sollte". Sofern also keine Lebensgefahr eintreten sollte, liegt jedenfalls keine
Drohungmit einem empfindlichen Übel dar. Im Übrigen bleibt festzuhalten, dass der Hungerstreik letztlich eine Meinungsäußerung darstellt, die Art. 5 Abs. 1 GG unterfällt. Gegenüber steht die Handlungsfreiheit des Adressaten (Art. 2 Abs. 1 GG).
Lukas_Mengestu
26.1.2022, 14:01:43
Für die Abwägung dieser kollidierenden Verfassungsgüter kommt es maßgeblich auf die Einzelfallumstände an. Insofern kann man hier durchaus vertreten, dass der Hungerstreik nicht verwerflich ist. Dabei müssen demokratisch legitimierte Durchsetzungsverfahren (Beschwerde, Petition, Gnadengesuch) durchaus in die Abwägung eingestellt werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
bayilm
5.7.2024, 19:04:32
Ich finde das hier nicht zu genüge die Perspektive des Häftlings beachtet wird. Dieser ist dem Staat und dem Justizvollzug völlig ausgeliefert. Und nun soll er darauf vertrauen, dass ein ordentliches staatliches Verfahren durchlaufen wird, wenn er bereits schon am eigenen Leib erlebt hat, dass der Hoheitsträger sich schon nicht an die nötigen Vorschriften übder die Bedingungen in der Haft gehalten hat? Meiner Einschätzung nach kann eine solche Foderung darüber, dass der Staat seine selbst auferlegten Regeln einhält , nicht verwerflich sein.
PrüfungsProfi
24.8.2024, 15:45:52
Ich verstehe die Subsumtion nicht, in der steht, dass es keinen Unterschied mache, ob T mit dem eigenen Tod oder dem eines anderen droht. Kann mit das jemand erklären? Ich hatte den Gedanken, dass sich der Tod des Häftlings als angedrohtes Übel für den Wärter darstellen muss.