Verschuldensmodifikation 1 (Grundsätzliches)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Onkel O schenkt Neffe N zu seinem Geburtstag seinen alten Motorroller. Dabei übersieht O leicht fahrlässig, dass die Bremsen aufgrund der langen Standzeit nicht mehr funktionieren. Bei der ersten Fahrt hat N einen Unfall und verletzt sich.

Einordnung des Falls

Verschuldensmodifikation 1 (Grundsätzliches)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. O und N haben einen Schenkungsvertrag geschlossen (§ 516 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Die Schenkung ist eine unentgeltliche Zuwendung. Die Handschenkung setzt eine Einigung zwischen dem Zuwendenden und dem Zuwendungsempfänger über die Unentgeltlichkeit einer bereits vollzogenen oder gleichzeitig erfolgenden Zuwendung voraus. Typische Beispiele für Handschenkungen sind: Geburtstags-, Weihnacht- und sonstige Gelegenheitsgeschenke. O schenkt dem N anlässlich seines Geburtstags den Motorroller. Es handelt sich um einen typischen Fall einer Handschenkung (§ 516 Abs. 1 BGB).

2. Der Motorroller ist mangelhaft. N hat gegen O einen Schadensersatzanspruch aus § 524 Abs. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Sachmangel liegt vor, wenn die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Hier funktionieren die Bremsen des Motorrollers nicht, eine Abweichung von der Soll-Beschaffenheit liegt somit vor. Jedoch gilt eine Sachmängelhaftung im Schenkungsrecht nur beim arglistigen Verschweigen des Sachmangels (§ 524 Abs. 1 BGB). O hat leicht fahrlässig die defekten Bremsen übersehen. Er hat den Mangel nicht arglistig verschwiegen.

3. O hat eine Pflicht aus dem Schenkungsvertrag verletzt (§§ 516 Abs. 1, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB).

Ja!

Den Schuldner treffen neben den Leistungspflichten auch Schutz- und Rücksichtnahmepflichten bezüglich der sonstigen Rechte und Rechtsgüter des Gläubigers (§ 241 Abs. 2 BGB). Die Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) umfassen Schutz- und Obhutspflichten sowie Treupflichten beider Vertrags- bzw. Verhandlungsparteien, die im Zusammenhang mit der Erbringung und Entgegennahme der vertraglichen Leistung entstehen. Hierunter fallen Pflichten, die das Integritätsinteresse der Parteien betreffen sowie Informations- und Aufklärungspflichten. Da O den N auf die Möglichkeit defekter Bremsen nicht hingewiesen hat und dadurch dem N ein Schaden entstanden ist, hat O seine Informationspflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt.

4. O hat die Pflichtverletzung nach hM zu vertreten (§§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach dem allgemeinen Verschuldensmaßstab des (§ 276 BGB) haftet der Schuldner für Vorsatz sowie jede Art von Fahrlässigkeit. Ein Schenker hat jedoch nach § 521 BGB nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Dieser abgemilderte Verschuldensmaßstab gilt nach hM nicht nur für die Leistungspflicht des Schenkers, sondern auch für diejenigen vertraglichen Rücksichtsnahmepflichten („Schutzpflichten“), die im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Schenkung stehen (vgl. BGH NJW 1985, 794 - „Kartoffelpülpe“). Hierzu gehört auch die Informationspflicht über die Möglichkeit der defekten Bremsen. Da O hier nur leicht fahrlässig übersehen hat, dass die Bremsen aufgrund der langen Standzeit nicht mehr funktionieren, kommt ihm die Haftungsprivilegierung des § 521 BGB zugute. O hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten.

5. N hat gegen O einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo (§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 2 und 241 Abs. 2 BGB) wegen Verletzung vertragsschlussbezogener Informationspflichten.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Pflicht zur Aufklärung über die lange Standzeit und die möglicherweise daraus resultierenden defekten Bremsen ergab sich für O nicht erst aus dem Schenkungsvertrag, sondern auch schon aus dem zeitlich vorgelagerten gesetzlichen Vertragsanbahnungsschuldverhältnis (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB). Eine Pflichtverletzung des O liegt somit vor. Jedoch gilt nach hM auch hier der abgemilderte Verschuldensmaßstab des § 521 BGB, da die Informationspflichten im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Schenkung steht. Da O nur leicht fahrlässig gehandelt hat, hat er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Ein Schadensersatzanspruch des N gegen O aus culpa in contrahendo (§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 2 und 241 Abs. 2 BGB) besteht somit nicht.

6. N hat gegen O einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB.

Nein!

Die Haftungsmilderung des § 521 BGB muss nach der hM, wenn und soweit sie dem O bei der Verletzung seiner vertraglichen oder vorvertraglichen Schutzpflichten zugute kommt, auch auf Ansprüche des B aus unerlaubter Handlung durchschlagen. B hat gegen A keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB.

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