Einrede der Bereicherung (§ 821 BGB)

27. Dezember 2025

19 Kommentare

4,6(11.079 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Sängerin S möchte bei G ein Darlehen von €2.000 aufnehmen. G verlangt eine Sicherheit, sodass S der G einen Goldbarren zur Sicherheit übereignet. S bleibt im Besitz des Goldbarrens. Der Darlehensvertrag wird von S wirksam angefochten und sie stellt die Tilgung ein. G verlangt die Herausgabe des Goldbarrens.

Diesen Fall lösen 78,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Einrede der Bereicherung (§ 821 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G als Anspruchsstellerin ist Eigentümerin des Goldbarrens (§ 985 BGB).

Ja, in der Tat!

Im Kontext der Prüfung der dinglichen Einigung ist das Abstraktionsprinzip zu berücksichtigen. Die Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes führt nicht zur Unwirksamkeit der dinglichen Übereignung. S war ursprünglich Eigentümerin. Das Eigentum hat S im Wege der Eigentumsübertragung an G verloren, §§ 929, 930 BGB. Die Wirksamkeit der dinglichen Einigung scheitert nicht an der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede.
Kreditsicherungsrecht-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Kreditsicherungsrecht-Wissen in nur 5 Minuten.

2. S als Anspruchsgegnerin ist Besitzerin des Goldbarrens.

Ja!

Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB kann sich sowohl gegen die mittelbare (§ 868 BGB) als auch gegen den unmittelbare (§ 854 Abs. 1 BGB) Besitzerin richten. Unmittelbare Besitzerin ist, wer über die tatsächliche Sachherrschaft einer Sache verfügt. S hat die tatsächliche Sachherrschaft über den Goldbarren inne, sodass sie unmittelbare Besitzerin ist.

3. Steht S ein Recht zum Besitz zu?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Recht zum Besitz kann sich aus dinglichen Rechten (z.B. Pfandrecht) sowie aus obligatorischen (z.B. Miete, Leihe) und gesetzlichen (z.B. § 1353 Abs. 1 BGB) Rechtsverhältnissen ergeben. S hat ein Besitzrecht aus dem Sicherungsvertrag, solange sie das Darlehen vereinbarungsgemäß tilgt (§ 986 Abs. 1 BGB). S tilgt das Darlehen jedoch nicht mehr und hat daher auch kein Besitzrecht mehr.

4. Hält man den Sicherungsvertrag über § 139 BGB ebenfalls für nichtig, kann S gegen die Geltendmachung des Anspruchs aus § 985 BGB die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung erheben (§ 821 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein T.d.L. hält den Sicherungsvertrag aufgrund der Einheitlichkeit mit dem Darlehensvertrag (ebenfalls) für nichtig. Der Schuldner könnte dann dem Herausgabeanspruch des Gläubigers den § 821 BGB entgegenhalten. Die wohl h.M. entnimmt der Norm den allgemeinen Rechtsgedanken, dass z.B. eine Herausgabe aus § 985 BGB verweigert werden kann, wenn die herauzugebende Sache bereicherungsrechtlich sofort zurückverlangt werden könnte. Ist der Sicherungsvertrag ebenfalls nichtig, ist G in ungerechtfertigter Weise bereichert und S kann von G Herausgabe des Goldbarrens verlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB). S kann dem Anspruch des G auf Herausgabe (§ 985 BGB) daher den Rechtsgedanken des § 821 BGB entgegenhalten. Nach der Gegenansicht ist der Sicherungsvertrag dagegen nicht ohne Weiteres nichtig. Sie betont die grundsätzliche Unabhängigkeit von Darlehensvertrag und Sicherungsabrede. Das Sicherungseigentum solle gerade auch den bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch des Sicherungsnehmers für den Fall schützen, dass der Darlehensvertrag nichtig ist. Die Sicherungsabrede bleibe daher grds. selbst dann wirksam, wenn der Darlehensvertrag angefochten wird.
Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Selma🌻

Selma🌻

4.2.2024, 11:54:19

Könnte man hier auch an die dolo-agit Einrede aus § 242

BGB

danken, da G den Goldbarren wenn sie ihn nach § 985

BGB

herausverlangt wieder nach § 812 I S. 1 Alt. 1

BGB

herausgeben müsste?

Selma🌻

Selma🌻

4.2.2024, 11:54:42

*denken

G0d0fMischief

G0d0fMischief

19.1.2025, 16:55:30

@[Selma🌻](230987) ich würde sagen ja. Wahrscheinlich ist die Einrede aus

§ 821 BGB

aber spezieller, sodass du diese vorrangig prüfen musst :) Ich kannte den

§ 821 BGB

bis eben nicht, sodass ich ansonsten auch auf die

dolo agit Einrede

abgestellt hätte :)

Selma🌻

Selma🌻

19.1.2025, 18:06:15

@G0d0fMischief Stimmt, guter Gedanke! Danke dir :)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

8.2.2025, 14:44:56

Hallo @[Selma🌻](230987), eine berechtigte Frage! Ich halte das nicht für gänzlich unvertretbar, vor allem unter Klausurbedingungen. Inhaltlich würde ich mich allerdings @[G0d0fMischief](217996) dahingehend anschließen, dass für die "perfekte" Lösung

§ 821 BGB

vorrangig zu berücksichtigen wäre. Der Norm entnimmt die wohl hM über den Wortlaut hinaus den allgemeinen Rechtsgedanken, dass die Herausgabe (unabhängig von Verjährungsfragen) zB dann verweigert werden kann, wenn die Sache sofort zurückzugewähren wäre (BeckOK-

BGB

/Wendehorst, 72. Ed, Stand 1.11.2024, § 821 Rn 3 mwN). In einer Prüfungsaufgabe kann ich mir allerdings gut vorstellen, dass die Lösung über § 242

BGB

Dir nicht groß negativ angekreidet würde, zumal Du mit Deiner Prüfung zeigst, dass Du das Problem gesehen hast. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

ÖA

ÖA

19.9.2025, 16:39:08

hallo @[Sebastian Schmitt](263562), eine Zwischenfrage: Können diese Einreden trotz der

Valutierung

des Darlehens erhoben werden? Ich hätte jedenfalls gedacht, die Einrede kann erhoben werden, wenn gleichzeitig (Zug um Zug) das erhaltene Darlehen i.H.v. 2000€ zurückgegeben wird. VG

PACTA

pactasuntservanda04

13.12.2025, 04:19:31

@[Sebastian Schmitt](263562) Was ist denn dann aber der Unterschied zu

dolo agit

? @[Foxxy](180364)

Foxxy

Foxxy

13.12.2025, 04:20:39

@[pactasuntservanda04](290691) Kurz:

§ 821 BGB

(bzw. der daraus abgeleitete Rechtsgedanke) ist die spezielle

bereicherungsrecht

liche Einrede: Der Beklagte darf die Herausgabe verweigern, wenn er den Gegenstand vom Kläger sofort

bereicherungsrecht

lich zurückverlangen koennte. Sie ist lex specialis vor § 242 (

dolo agit

) und greift nach h.M. auch unabhaengig von einer moeglichen Verjaehrung der

Kondiktion

.

Dolo agit

aus § 242 ist der allgemeine, subsidiäre Treu-und-Glauben-Einwand für dasselbe Ergebnis. Zum Fall: An

dolo agit

kannst du denken, vorrangig ist aber § 821. Voraussetzung ist, dass S gegen G einen sofort faelligen Bereicherungsanspruch auf Rueckuebertragung des Eigentums hat. Das bejaht ein Teil der Lit., wenn wegen Einheitlichkeit auch die

Sicherungsabrede

neben dem Darlehen nichtig ist (§ 139). Dann sperrt § 821 den § 985;

dolo agit

nur hilfsweise. Nach wohl h.M. bleibt die

Sicherungsabrede

trotz Anfechtung des Darlehens wirksam; dann fehlt S die

Kondiktion

, § 821/

dolo agit

greifen nicht und G kann Herausgabe verlangen. Ist das Darlehen valutiert, kommen wechselseitige Bereicherungsansprueche in Betracht; eine Zug um Zug-Loesung bzw. ein Zurueckbehaltungsrecht (§ 273) bietet sich dann an.

Nils

Nils

24.12.2025, 16:54:30

Warum schreibt die KI Umlaute oft aus und stellenweise dann wieder nicht!? Seltsame Eigenheit.

TI

Timurso

5.2.2024, 20:08:41

Warum steht in der Lösung der letzten Frage, dass die

Sicherungsabrede

unwirksam ist? Ich hätte hier gesagt, dass diese weiterhin besteht und man dann auslegen muss, was diese für den Fall der Anfechtung des Darlehensvertrages regeln soll. Interessengerecht wäre imo dann, zu sagen, dass das Verwertungsrecht des

Sicherungseigentum

s auch in einem solchen Fall besteht, ansonsten hätte G das Darlehen ausbezahlt und würde es ggf. nie wieder sehen. Genau dafür ist die Sicherungsübereignung mit

Sicherungsabrede

ja da, dass dann, wenn die Darlehenssumme nicht zurückgezahlt wird, eine Sicherheit besteht. Wenn die Lösung dagegen davon ausgeht, dass die

Sicherungsabrede

ebenfalls angefochten wurde, würde ich das a. nochmal klarer herausstellen und b. wäre es dann inkonsequent zu sagen, dass der Sicherungsfall eingetreten sei. Zudem scheint mir fraglich, wie bei der Unwirksamkeit der

Sicherungsabrede

§ 821 BGB

angewendet werden kann, wenn dann ja gar keine Verbindlichkeit mehr besteht.

suessmaus

suessmaus

11.4.2024, 17:11:12

im Vieweg steht (§ 12, S. 394 Rn. 14), dass

Sicherungsabrede

und Kreditvertrag grds. rechtlich unabhängig zu beurteilen sind. allerdings bei Personenidentität zwischen persönlichen

Schuld

ner und Sicherungsgeber dann nach dem Parteiwillen idR ein einheitliches Geschäft iSd. § 139 anzunehmen ist, insb. wenn die Verträge "uno actu" geschlossen werden.

Marius2609

Marius2609

12.12.2024, 20:35:42

Mir hat sich gerade die gleiche Frage gestellt. Vielleicht könnten ja das Team eine Einschätzung abgeben.

UT

unvorsätzlicher Totschläger

1.2.2025, 12:05:34

Was sagen die Profis? @[Sebastian Schmitt](263562)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

8.2.2025, 14:38:35

Hallo @[Timurso](197555), vielen Dank für die Nachfrage und @[Marius2609](229998) und @[unvorsätzlicher Totschläger](262504) für die Erinnerung. In der Tat war die Aufgabe hier etwas zu knapp, wir haben das jetzt ergänzt. In der Sache kann man darüber gut streiten. Man kann die

Sicherungsabrede

sicher gut vertretbar zusammen mit dem Darlehensvertrag als einheitliches Geschäft iSd § 139

BGB

ansehen, sodass beide, Abrede und Vertrag, nichtig sind, wie @[suessmaus](41834) völlig richtig sagt. Die Nichtigkeit der Sicherheitsabrede beruht dann nicht darauf, dass sie "ebenfalls angefochten wird", sondern eben auf der Folge des § 139

BGB

. Wie Timurso sieht es dagegen BeckOGK/Klinck, Stand 1.12.2024, § 930 Rn 157 ff, ua sogar mit dem identischen Argument, dass die sicherungsübereignete Sache eben gerade auch den

bereicherungsrecht

lichen Rückabwicklungsanspruch des Sicherungsgebers schützen solle (Rn 158). Auch die Formulierung zum Sicherungsfall (letzter Absatz von Timursos Beitrag) haben wir angepasst. Der Hinweis auf

§ 821 BGB

in der Aufgabe ist dagegen in der Sache durchaus richtig. Die wohl hM entnimmt

§ 821 BGB

über den Wortlaut hinaus den allgemeinen Rechtsgedanken, dass die Herausgabe (unabhängig von Verjährungsfragen) zB dann verweigert werden kann, wenn die Sache sofort zurückzugewähren wäre (BeckOK-

BGB

/Wendehorst, 72. Ed, Stand 1.11.2024, § 821 Rn 3 mwN). Auch hierzu haben wir die Erklärung in der Aufgabe ergänzt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen