Öffentliches Recht

VwGO

Allgemeine Leistungs- und Unterlassungklage

Statthaftigkeit Leistungsklage: "Normale" Unterlassungsklage gegen wiederkehrendes hoheitliches Handeln

Statthaftigkeit Leistungsklage: "Normale" Unterlassungsklage gegen wiederkehrendes hoheitliches Handeln

15. April 2025

6 Kommentare

4,7(13.572 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bürgermeisterin B ist sauer, weil R jetzt mit ihrer Exfreundin zusammen ist. Deswegen veröffentlicht B regelmäßig negative Kritik an Rs Restaurantbetrieb auf der offiziellen Internetseite der Stadt. R will, dass B dies in Zukunft unterlässt.

Diesen Fall lösen 78,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Statthaftigkeit Leistungsklage: "Normale" Unterlassungsklage gegen wiederkehrendes hoheitliches Handeln

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach erfolglosem Antrag bei der Behörde klagt R. Statthaft ist die allgemeine Leistungsklage, wenn R ein schlichtes hoheitliches Handeln oder ein Unterlassen von hoheitlichem Handeln begehrt.

Ja!

In Abgrenzung zur spezielleren Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist die allgemeine Leistungsklage statthaft, wenn der Bürger ein schlichtes hoheitliches Handeln oder ein Unterlassen eines hoheitlichen Handelns begehrt. Das begehrte Handeln darf dabei nicht die Qualität eines Verwaltungsakts haben, sonst ist die Verpflichtungsklage statthaft. B veröffentlicht die Kritik als Bürgermeisterin auf der offiziellen Internetseite der Stadt. Das Handeln ist damit nicht privatrechtlicher, sondern hoheitlicher Natur. Zudem erlässt B durch die Veröffentlichungen mangels Regelungswirkung keinen Verwaltungsakt, sondern handelt schlicht hoheitlich (Realakt).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. R wendet sich gegen ein zukünftiges Verwaltungshandeln. Die VwGO enthält spezielle Regelungen zum Rechtsschutz gegen zukünftiges Handeln.

Nein, das ist nicht der Fall!

Es existieren zahlreiche Sachverhaltskonstellationen, in denen sich die Klägerin gegen zukünftiges Verwaltungshandeln wendet (= vorbeugender Rechtsschutz). Hierfür enthält die VwGO keine speziellen Regelungen. Deshalb muss auf die in der VwGO genannten Klagearten zurückgegriffen werden. In Betracht kommt insbesondere die allgemeine Leistungsklage in Form einer (vorbeugenden) Unterlassungsklage gegen hoheitliches Handeln. R wendet sich gegen zukünftiges Verwaltungshandeln in Form zukünftiger negativer Restaurantkritiken seitens der Bürgermeisterin B.

3. Für die Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage spricht die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO).

Ja, in der Tat!

Nach § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO ist die Feststellungklage nur statthaft, wenn das Klagebegehren nicht durch Leistungs- oder Gestaltungsklage erreicht werden kann. Das spricht für die Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage in den Fällen, in denen der Kläger gegen zukünftiges Verwaltungshandeln vorgeht. R kann gegen weitere Veröffentlichungen der B mit der allgemeinen Leistungsklage in Form einer Unterlassungsklage vorgehen. § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO steht der Erhebung einer vorbeugender Feststellungsklage dann nicht im Weg, wenn diese rechtsschutzintensiver als eine Unterlassungsklage ist.Da Teile von Lit. und Rspr. hier eine Feststellungsklage für statthaft halten, wäre es nicht falsch, dies ebenso zu tun. Wir halten die Statthaftigkeit der allgemeine Leistungsklage hier aber für überzeugender.

4. Begrifflich wird häufig zwischen der "normalen" Unterlassungsklage und der vorbeugenden Unterlassungsklage unterschieden. Hier handelt es sich um eine "normale" Unterlassungsklage.

Ja!

Besonders in der Literatur wird die "normale" Unterlassungsklage von der vorbeugenden Unterlassungsklage unterschieden. Erstere umfasst die Fälle, in denen das hoheitliche Handeln bereits zum wiederholten Male aufgetreten ist und der Kläger ein Unterlassen für die Zukunft begehrt. Mit der vorbeugenden Unterlassungsklage kann der Kläger dagegen ein Unterlassen eines erstmaligen zu erwartenden hoheitlichen Handelns erreichen. Die Rspr. unterscheidet begrifflich nicht, sondern spricht immer von der vorbeugenden Unterlassungsklage. B veröffentlichte bereits wiederholt schlechte Kritik über R's Restaurant. Die begriffliche Unterscheidung ist für die Beurteilung der Klage ohne Bedeutung.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

22.6.2022, 23:05:56

Könnte man für die Statthaftigkeit der allg.

Leistungsklage

in Form der Unterlassungsklage (anstelle der

Feststellungsklage

) auch die vollstreckungsrechtlichen Vorteile anführen? Ein Feststellungsurteil ist der Vollstreckung ja weder bedürftig noch fähig. Hingegen ist das Urteil, welches iRd Unterlassungsklage ergeht, nach § 167 I 1 VwGO iVm § 890 ZPO vollstreckbar.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.6.2022, 13:12:40

Hallo Simon, in der Tat steht die Vollstreckungsfähigkeit grundsätzlich hinter der

Subsidiarität der Feststellungsklage

gegenüber der Verpflichtungs- /

Leistungsklage

. Es geht dabei um die prozessökonomische

Erledigung

des Rechtsstreits und die Vermeidung eines weiteren Prozesses. Der Rechtsprechung, welche dennoch ein Wahlrecht zubilligt, liegt nun die Überlegung zugrunde, dass eine Vollstreckung gegenüber Verwaltungsträgern nicht notwendig ist. Hier genüge bereits ein Feststellungsurteil, dass sich die Verwaltung rechtskonform verhält (hierzu: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, VwGO § 43 Rn. 119 mwN). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Simon

Simon

23.6.2022, 21:50:50

Vielen Dank für Deine Antwort. Ich muss allerdings gestehen, dass mich die Argumentation der Rspr. nicht ganz überzeugt. Würde ein Feststellungsurteil ausreichen, dass sich die Verwaltung rechtskonform verhält, wären die §§ 170, 172 -welche ja ausdrücklich eine Vollstreckung gg die Behörde resp. den Rechtsträger zulassen- redundant. Im übrigen handelt ja auch nicht "die Behörde", sondern konkrete Einzelpersonen für die Behörde, sodass nicht recht ersichtlich ist, warum sie, nur weil sie

hoheitlich

handeln, sich rechtstreuer als sonst verhalten sollten.

Wesensgleiches Minus

Wesensgleiches Minus

8.8.2024, 16:47:57

Unterhaltsamer Sachverhalt. Danke, dass ihr Diversität groß schreibt :)

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

9.8.2024, 16:00:57

Hey @[Ala](241758), danke für das schöne Feedback. Das motiviert sehr! Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team

Foxxy

Foxxy

9.8.2024, 16:01:05

Hallo Ala, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen