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Klassisches Klausurproblem

T und F haben ein Kind, den vierjährigen O. O ist normal entwickelt und kann als Vierjähriger Gefühle erkennen und äußern. T hat die hohen Kosten satt und entschließt sich, O zu töten. T setzt O mit Spielsachen in die Badewanne und ertränkt ihn.

Einordnung des Falls

Heimtücke bei vierjährigem Kind

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. O war "arglos", als der T ihn tötete.

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Ja!

Arglos ist, wer sich bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (= Zeitpunkt des Versuchs (§ 22 StGB)) keines Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit versieht. Erforderlich ist, dass das Opfer in der Lage ist, einen auf sein Leben zielenden Angriff zu erkennen, den Täter umzustimmen oder in sonstiger Weise dem Anschlag zu begegnen oder die Durchführung zu erschweren. Der BGH nimmt diese Fähigkeiten bei normal entwickelten Kindern ab einem Alter von drei Jahren an. O war normal entwickelt und hat zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mit einem Angriff gerechnet.

2. O war "wehrlos".

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Genau, so ist das!

Wehrlos ist, wer infolge seiner Arglosigkeit zur Verteidigung außerstande oder in seiner natürlichen Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit stark eingeschränkt ist. O war aufgrund seiner Arglosigkeit nicht in der Lage, dem Angriff auszuweichen, entgegenzutreten oder sich in sonstiger Weise zu verteidigen (ein Vierjähriger könnte beispielsweise durch Hilferufe den Angriff zumindest erschweren).

3. T handelte in "feindseliger Willensrichtung".

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Ja, in der Tat!

Die Rechtsprechung hat den Tatbestand der Heimtücke durch das Merkmal der "feindseligen Willensrichtung" (oft auch: "feindliche Willensrichtung") eingeschränkt. An einer solchen feindseligen Willensrichtung kann es nur dann fehlen, wenn die Tat dem ausdrücklichen Willen des Getöteten entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht (etwa bei Tötungen aus Mitleid und bei missglücktem Mitnahmesuizid). Es sind keine Hinweise ersichtlich, die auf das Fehlen der feindseligen Willensrichtung hinweisen.

4. T hatte Vorsatz bezüglich der heimtückischen Ausführung der Tötung (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB).

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Ja!

Der Vorsatz muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen (Umkehrschluss aus § 16 StGB). Das Mordmerkmal der "Heimtücke" ist ein tatbezogenes, objektives Mordmerkmal. T erkannte, dass der O arg- und wehrlos in der Badewanne sitzt und hatte entsprechenden Vorsatz.

5. T hat die Arglosigkeit des O bewusst ausgenutzt.

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Genau, so ist das!

Zusätzlich ist erforderlich, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit erkennt und diese zur Tatbegehung ausnutzt (Ausnutzungsbewusstsein als subjektives Merkmal der Heimtücke). T hat die Arg- und Wehrlosigkeit erkannt und zudem auch diese zur Tatbegehung instrumentalisiert. Vorliegend hat T die Arg- und Wehrlosigkeit des O bewusst ausgenutzt.

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