Schutzbereite Dritte
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
O liegt todkrank und nicht ansprechbar auf der Intensivstation. Ihr Ehemann E sitzt am Bett. Krankenschwester T spritzt O ein tödliches Medikament, da sie das Leben der O als nicht mehr lebenswert betrachtet. E weiß nicht, dass die Spritze Gift enthält.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Schutzbereite Dritte
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. O war im Zeitpunkt der Tötung "arglos".
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat O heimtückisch (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB) getötet, wenn sie die Arg- und Wehrlosigkeit des E ausgenutzt hat.
Ja!
3. E war zum Zeitpunkt der Tötung "arg- und wehrlos".
Genau, so ist das!
4. T handelte in "feindseliger Willensrichtung".
Ja, in der Tat!
5. T hatte Vorsatz bezüglich der heimtückischen Ausführung der Tötung (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB).
Ja!
6. T hat die Arglosigkeit des E bewusst ausgenutzt.
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Pilea
26.11.2022, 12:43:20
Ich dachte, genau dieses Beispiel sei eine "Tötung aus Mitleid". In welchem Beispiel würde man eine Tötung aus Mitleid bejahen und nicht wie hier die feindselige Willensrichtung der Täterin annehmen?
Nora Mommsen
26.11.2022, 17:54:54
Liebe Pilea, danke für deine Frage! Hier gilt es genau zu differenzieren. Grundsätzlich sind die sogenannten Krankenhaustötungen wie von dir angesprochen, die klassischen Beispiele für Mitleidstötungen. Allerdings muss dann auch Mitleid das vorherrschende Motiv sein. Vorliegend handelte T aus Verachtung gegenüber dem Leben der O, dass sie als nicht mehr lebenswert erachtete. Nicht dominierend oder überhaupt vorhanden war der Wille schwerstes Leid zu verhindern. Auch der BGH hat sich zu der Abgrenzung mal geäußert: „Allerdings reicht nicht bei jeder Krankenhaustötung Schwerstkranker eine Mitleidmotivation aus, um eine die Heimtücke prägende feindselige Haltung des Täters aus Rechtsgründen auszuschließen. Bei der Prüfung, ob das Tatmotiv als feindselig zu werten ist, können normative Gesichtspunkte nicht außer Betracht bleiben. In oberflächlich vorhandener Mitleidsmotivation kann sich Feindseligkeit gegenüber dem Lebensrecht Schwerstkranker offenbaren. Daher kann Mitleid in Fällen dieser Art die Annahme des Heimtückemerkmals nur dann ausschließen, wenn es sich aus einer objektiv nachvollziehbaren Wertung des Täters ableitet, die der Vermeidung schwersten Leidens den Vorrang gibt. Heimtücke wird bei “Mitleidstötungen” vorliegen, wenn der Täter seine Opfer unter Ausnutzung von deren Arg- und Wehrlosigkeit nach eigenen Wertmaßstäben “selektiert” und von sich aus selbstherrlich das Leben der seiner ärztlichen oder pflegerischen Fürsorge anvertrauten Patienten gezielt verkürzt, indem allein er bestimmt, wen er wann durch eine von niemandem erbetene Tötung “erlösen” will.“ Dieses Zitat findest du in NJW 1991, 2357. Viele Grüße, Nora – für das Jurafuchs-Team
Pilea
28.11.2022, 16:26:20
Verstehe, danke.
Peter im Pech
7.6.2024, 12:16:49
Top Antwort!
Maunziii
13.7.2023, 20:36:59
Aber dann ist es doch gerade der Fall, dass die todkranke O arglos ist oder ?
Juratiopharm
27.7.2023, 12:14:20
Anders als beim Schlaf wird bei Bewusstlosigkeit oder Koma nicht angenommen, dass eine Arglosigkeit mit in diesem Zustand genommen wird - der Unterscheidung dürfte sein, dass diese Zustände idR nicht freiwilligig aus einem sicheren Gefühl (wie der Schlaf: "Hier ist es sicher, hier schlafe ich ein") erreicht werden.