Abredewidrige Blankettausfüllung

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Unternehmer U kauft bei V (ebenfalls Unternehmer) eine neue Ledersofagarnitur für sein Büro für €10.000 (Kaufvertrag). Zur Finanzierung will U zudem ein Darlehen von V aufnehmen (€10.000). U unterzeichnet dazu ein Blankettformular. V trägt abredewidrig €15.000 als Darlehenssumme ein.

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Einordnung des Falls

Abredewidrige Blankettausfüllung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ohne schriftlich festgehaltene Darlehenssumme ist der Darlehensvertrag zwischen U und V formnichtig (§§ 492, 125 S. 1 BGB).

Nein!

Ein Verbraucherdarlehensvertrag (§ 491 BGB) muss schriftlich geschlossen werden (§§ 492 Abs. 1, 126 BGB). Sonst ist der Vertrag formnichtig (§ 494 Abs. 1 BGB). Eine Blankounterschrift des Darlehensnehmers unter dem vom Darlehensgeber noch auszufüllenden Vertrag genügt dem Formerfordernis nicht. Das folgt aus dem Zweck der Formvorschrift, den Verbraucher über den Inhalt des Vertrages und über die wesentlichen Darlehenskonditionen umfassend zu informieren und ihn vor Übereilung zu schützen. Allerdings sind U und V beide Unternehmer (§ 14 BGB). Es handelt sich also nicht um einen Verbraucherdarlehensvertrag. U und V können den Darlehensvertrag formfrei schließen.§ 494 Abs. 1 BGB stellt beim Verbraucherdarlehensvertrag gegenüber § 125 S. 1 BGB eine vorrangige Sonderregelung dar.
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2. U unterlag beim Unterzeichnen des Darlehensvertrags einem Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Der Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB) bezeichnet das unbewusste Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem dadurch, dass der Erklärende eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte. Subjektiv wollte U einen Darlehensvertrag zu €10.000 abschließen. Aus Sicht eines objektiven Dritten hat die abredewidrige Blankettausfüllung seitens V aber zu einem Angebot des U auf Abschluss eines Darlehensvertrags über €15.000 geführt. Damit unterlag U einem grundsätzlich zur Anfechtung berechtigenden Erklärungsirrtum.

3. Zwischen V und U ist ein Darlehensvertrag über €15.000 zustande gekommen, den U durch Anfechtung beseitigen kann.

Nein, das trifft nicht zu!

V und U haben sich hier zunächst mündlich über eine Darlehenssumme von €10.000 geeinigt. Dass V später das Formular abredewidrig ausfüllt, führt aber nicht dazu, dass er sich auf den Text der ausgefüllten Urkunde berufen kann. In seinem Vertrauen auf dessen Richtigkeit ist er nicht schutzwürdig. Ihm ist bewusst, dass U eine dahin gehende Willenserklärung nicht abgeben wollte. Insofern gilt nur das Gewollte (€10.000). Es ist daher nicht notwendig, dass U seine Willenserklärung anficht.

4. Die Erklärung des U ist dahingehend auszulegen, dass er einen Darlehensvertrag über €15.000 abschließen will.

Nein, das trifft nicht zu!

Maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB. Es ist also entscheidend, wie der Empfänger nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte die Erklärung des U verstehen durfte. Heranzuziehen sind die Umstände, die der Adressat kannte oder kennen musste, insbesondere die Vertragsverhandlungen und der Geschäftszweck. Danach dürfte hier nur eine Erklärung des U über €10.000 vorliegen. Zwar geht U mit seiner Blankounterschrift ein gewisses Risiko ein, das er sich gegenüber Dritten auch grundsätzlich entgegen halten lassen müsste. V, der hier den Darlehensbetrag einsetzt, wusste jedoch aufgrund der vorherigen Gespräche, dass U nur einen Darlehensvertrag über €10.000 abschließen wollte. Ein objektiver Empfänger mit denselben Kenntnissen wie V musste deshalb ebenfalls davon ausgehen, dass U nur eine Erklärung über €10.000 abgibt. Aus didaktischen Gründen wollen wir dennoch weiter prüfen und gehen im Folgenden nach Auslegung aus dem objektiven Empfängerhorizont von zwei inhaltlich übereinstimmenden bzw. korrespondierenden Willenserklärungen in Höhe von jeweils €15.000 aus!
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