Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Täterschaft und Teilnahme

Deiktisches Minus liegt nicht vor / Unmittelbar Handelnder ist vollverantwortlich

Deiktisches Minus liegt nicht vor / Unmittelbar Handelnder ist vollverantwortlich

3. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Frau F überredet den ihr sexuell hörigen Liebhaber L dazu, ihren Ehemann M zu töten. L ersticht M mit einem Messer.

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Einordnung des Falls

Deiktisches Minus liegt nicht vor / Unmittelbar Handelnder ist vollverantwortlich

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L hat sich wegen Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, indem er den M mit einem Messer erstach.

Genau, so ist das!

L hat eigenhändig und vorsätzlich einen Menschen getötet und dabei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt. Er ist vollverantwortlich und hat sich daher wegen Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
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2. Der überlegenen F kann die Tötungshandlung des unterlegenen L zugerechnet werden, sodass sich F wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft (§§ 212 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Voraussetzungen für eine Zurechnung der Tathandlung des „Vordermannes“ sind (1) ein eigener Verursachungsbeitrag des Hintermannes, (2) eine unterlegene Stellung des Vordermannes und (3) eine überlegene Stellung des Hintermannes. Indem F den L überredete, ihren Mann umzubringen, wirkte sie unmittelbar auf L ein. Jedoch befinden sich weder L in einer unterlegenen, noch F in einer überlegenen Stellung. Bei L liegt kein Strafbarkeitsmangel vor und es greift auch kein Sonderfall des „Täters hinter dem Täter“. F beherrschte das Geschehen nicht (Tatherrschaftslehre) und handelte auch nicht mit Täterwillen (subjektive Lehre). Daher entfällt eine Zurechnung und Strafbarkeit gem. §§ 212 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB.

3. F hat sich jedoch wegen Anstiftung zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 26 StGB) strafbar gemacht.

Ja!

Anstifter ist, „wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat“ (§ 26 StGB). F hat in L den Tatentschluss zur Begehung des Totschlags an ihrem Mann hervorgerufen und ihn somit zu dieser Tat „bestimmt“. Sie übernahm die Rolle eines Veranlassers, nicht einer das Gesamtgeschehen lenkenden Zentralgestalt. Diesbezüglich handelte sie auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft, sodass sie sich wegen Anstiftung zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 26 StGB) strafbar gemacht hat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

20.11.2020, 20:36:21

Also wenn der L wirklich hörig im pathologischen Sinn ist, wird das mit der Eigenverantwortlichkeit schwierig.

Fahrradfischlein

Fahrradfischlein

21.11.2020, 20:43:17

Guter Einwand! Ich glaube allerdings dass es dafür noch deutlichere Sachverhaltsangaben bräuchte.

Ciodejure

Ciodejure

27.12.2020, 10:31:02

Genauso wie ihr beide argumentiert habt, habe ich auch gedacht und mich dann dafür entschieden, dass entsprechende Angaben dafür noch fehlen 👍

HAGE

hagenhubl

19.9.2024, 12:38:01

Hier ist eine

mittelbare Täterschaft

aber sehr gut zu begründen, da der Liebhaber der Ehefrau sexuell hörig ist. Das ist doch ein bisschen vergleichbar mit dem

Katzenkönig

.

VT

Vic Toria

25.5.2022, 14:07:04

Hallo liebes Jura-Fuchs- Team :) Eine kleine Anregung: Es wäre gut, wenn es auch zur Prüfung der mittelbaren Täterschaft ein Schema gäbe, um noch einmal das am Fall Gelernte abstrakt zu wiederholen. Liebe Grüße :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.5.2022, 21:38:50

Vielen Dank für den Hinweis, Vic Toria. Das werden wir gerne noch ergänzen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BBE

bibu knows best

27.6.2022, 08:07:32

Warum greift hier nicht die

Täter hinter dem Täter

Situation ?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

30.6.2022, 11:33:41

Hallo bibu knows best, bei den Konstellationen des "Täters hinter dem Täter" handelt es sich um Ausnahmen des im Strafrecht geltenden Verantwortungsprinzip. Die Annahme, dass ein Täter, der selbst nichts zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen hat (sonst Mittäter), ist sehr restriktiv anzuwenden. In der Klausur solltest Du diese deshalb nur in den von der Rechtsprechung und Literatur anerkannten Fällen (u.a. vermeidbarer Verbotsirrtum u.

Organisationsherrschaft

) anwenden. Eine der anerkannten Fallgruppen liegt indes nicht vor, weshalb alleine eine Teilnahme in Form der Anstiftung hier in Betracht kommt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Skipper_ DerEchte

Skipper_ DerEchte

7.7.2022, 10:36:33

Eine Frage. Nehmen wir mal an, wir haben einen Auftragstäter. Ob direkt Totschlag oder nur Körperverletzung ist ja erstmal egal. Dieser wird vom Auftraggeber kontaktiert (er möchte einem Erzfeind eine Lektion verpassen), es wird eine Anzahlung getätigt und der Auftragstäter wird vom Auftraggeber sogar zum Tatort selbst hingebracht. Was haben wir in dem Fall? 26, 27 oder befinden wir uns bei einer mittelbaren Täterschaft? Ich denke die größte Frage dreht sich hier um das Geld… ist es genug um für den Auftraggeber als Verursachungsbeitrag zu dienen und wie sieht es da mit dem

Vorsatz

des Vordermanns aus? Herzliche Grüße, Nils

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.7.2022, 21:57:51

Hallo Skipper_DerEchte, herzlich willkommen im Jurafuchs-Forum und vielen Dank für Deine Frage! Werden im Strafrecht m

ehre

re Personen tätig musst Du immer sauber trennen. Eine

mittelbare Täterschaft

dürfte in Deinem Beispiel regelmäßig deshalb ausscheiden, weil beim Auftragsttäter in der Regel kein

deliktisches Minus

besteht. Da der Auftragstäter nur aufgrund der Entlohnung tätig wird, liegt ein hinreichendes Bestimmen iSv § 26 StGB durch den Auftraggeber vor. Da der Anstifter gleich einem Täter bestraft wird, ist das hierdurch verwirklichte Unrecht ungleich höher als bei der Beihilfe (vgl. die angeordnete Strafmilderung in § 27 Abs. 2 StGB). Das Hinbringen zum Tatort stellt zwar trotzdem eine Hilfeleistung iSv § 27 Abs. 1 StGB und damit eine strafbare Beihilfehandlung dar. Bei mehrfacher Beteiligung an derselben Haupttat wird die schwächere Beteiligungsform (hier also die Beihilfe) indes auf Konkurrenzebene verdrängt (vgl. BeckOK StGB/Kudlich, 53. Ed. 1.5.2022, StGB § 26 Rn. 29). Es bleibt also die Anstiftung übrig. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FUCH

Fuchsfrauchen

26.5.2023, 12:42:18

Eine Frage: Wieso handelte F hier nach der subj. L

ehre

nicht mit Täterwillen, aber der Dr. T (weiter vorne im Kapitel) schon? Es liegt doch im Interesse beider, dass die Dritte Person stirbt.

KÜB

kübx

6.6.2023, 11:48:34

Ich denke der Unterschied liegt darin, dass K nicht wusste, dass die Injektion tödlich sein würde, lediglich Dr. T war mit den Umständen vertraut und wollte auch, dass P stirbt, daher handelte er auch mit Täterwillen. F hat L jedoch dazu überredet und ihn nicht durch einen Irrtum o.ä. dazu gebracht, den M zu töten. Bei L wurde der

Handlungswille

hervorgerufen, er wusste was er tut und wollte es auch. Daher handelt hier nur der L mit Täterwillen, welchen F bei ihm ausgelöst hat. Auch wenn der Tod des M im Interesse der F ist, handelt L hier vollumfänglich eigenverantwortlich.

DIAA

Diaa

26.7.2023, 11:37:33

Wann sollte man den Streit zur Abgrenzung zwischen Teilnahme und Täterschaft in einer Klausur darlegen?

LELEE

Leo Lee

5.8.2023, 11:17:54

Hallo Diaa, hierauf gibt es erstmal die typische Jura-Antwort: Es kommt darauf an, wie der Sachverhalt gestaltet ist. Als Faustregel kannst du dir aber folgendes merken: Wenn zwei oder mehr Personen an einer Tat "beteiligt" sind und die Prüfung der Mittäterschaft nicht explizit ausgeschlossen ist, empfiehlt es sich, immer die Mittäterschaft anzuprüfen. Hier grenzt man dann die Täterschaft von der Teilnahme beim Prüfungspunkt - gemeinsame Tatbegehung/Zurechnung - ab. Wenn man zum Ergebnis § 25 II StGB (-) kommt, macht man dann weiter mit den §§ 26 ff. StGB :) Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo


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