Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Angebot und Annahme

Funktionsuntüchtiger Warenautomat

Funktionsuntüchtiger Warenautomat

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

F steht am ZOB in Hamburg und wartet auf ihren Flixbus nach Berlin. Sie hat Durst und wirft in den Automaten der Snack-GmbH (S) ein 2-Euro-Stück hinein, um sich eine Cola Zero zu kaufen. Der Automat meldet eine Störung.

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Einordnung des Falls

Funktionsuntüchtiger Warenautomat

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch Aufstellen des Automaten hat die S ein Angebot auf Abschluss eines Vertrags über eine Cola Zero abgegeben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Kaufvertrag kommt durch Angebot und Annahme (§§ 145ff. BGB) zustande. Nach h.M stellt bereits das Aufstellen des Automaten ein antizipiertes Angebot an jeden dar, der das verlangte Geldstück einwirft (offerte ad incertas personas). Es solle jedoch nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nur soweit und solange gelten, wie (1) der Vorrat reicht, (2) der Automat funktioniert und (3) der Automat ordnungsgemäß bedient wird. Da der Automat hier nicht funktioniert, liegt hier kein wirksames Angebot vor.
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2. Nach einem Teil der Literatur liegt im Aufstellen grundsätzlich nur eine invitatio ad offerendum.

Genau, so ist das!

Ein Teil der Literatur vertritt, der Kunde mache durch ordnungsgemäße Bedienungein Angebot, das dadurch angenommen werde, dass der Automat die Leistung erbringt. Durch die ordnungsgemäße Bedienung hätte F nach dieser Auffassung somit zwar ein Angebot abgegeben, das S aber nicht angenommen hätte. Auch nach dieser Auffassung ist somit kein Vertrag zustande gekommen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Schaafrichter Johannes

Schaafrichter Johannes

4.3.2020, 23:56:26

Ist doch derselbe Fall mit derselben Lösung wie zuvor. In der Antwort dieser ersten Lösung war die Auflösung zu dieser Frage hier bereits enthalten.

Marilena

Marilena

5.3.2020, 10:48:54

Danke Dir für den Hinweis! Ja das stimmt, ist aber so von uns gewollt. Mit diesem Fall kann gefestigt werden, was im Fall davor in der Antwort stand. Und Wiederholung kann doch nie schaden, oder?

Ciodejure

Ciodejure

15.5.2020, 12:56:23

Ich finde es sehr gut, dass ihr das so aufgebaut habt.

Cocos.lawstudy

Cocos.lawstudy

27.5.2020, 22:10:16

War im 1. Fall der Automat nicht leer? Hier ist er voll und hat nur eine Störung

Mike P

Mike P

27.5.2020, 22:20:17

Muss mich Corinna anschließen. Im ersten Fall war der Automat leer, da war die Rechtsfolge klar. Wenn die Störung für die F nicht zu erkennen war, dann liegt ein Angebot vor.

RAI

Raimond

11.9.2020, 08:13:11

Man könnte dann theoretisch auf die (objektive) Bedingung §158 BGB ausweichen, so nach dem Motto, wenn die Störung nicht erkennbar war oder aber zwar nach Einwerfen der Münze aber vor Ausgabe des Snickers (=Ware) erfolgte, gilt das Angebot des Aufstellers nicht mehr, und alles wird dann auch wieder nach

Bereicherungsrecht

rückabgewickelt. Nur fraglich, ob diese Bedingung ausdrücklich (nein) dann aber konkludent (Verkehrserwartungen entsprechend) tatsächlich vereinbart wurde oder aber zumindest so von der Seite des Antragenden gewollt war und damit nach §§133, 157 (analog) der Erklärungsempfänger das erkennen konnte.. ?

Artyom

Artyom

20.7.2020, 09:22:53

Mir war nicht ganz klar, ob die Störung bereits vor Einwurf erkennbar war. Wenn ja, dann ist es exakt wie in Fall zuvor. Was, wenn die Störung erst nach dem Einwurf auftritt? Dann wären Angebot und Annahme bereits abgegeben.

Simon

Simon

25.9.2020, 23:55:48

Könnte man dann -wie im Thread zuvor von @Raimond angesprochen- über die auflösende Bedingung (§158 II) der weiteren Funktionsfähigkeit des Automaten lösen, sodass der KV dann seine Wirkung verliert, sollte eine Störung auftreten und die Bedingung damit eintreten. Ich bevorzuge aber die Gegenansicht, die im Aufstellen des Automaten lediglich eine

invitatio ad offerendum

sieht, dann stellt sich dieses Problem hier gar nicht. Außerdem ist es für den Kunden nicht immer ersichtlich, ob der Automat funktionsfähig ist, sodass man nie im Voraus beurteilen könnte, ob ein Antrag vorliegt oder nicht. Zudem erkenne ich keinen wesentlichen Vorteil darin, schon im Aufstellen des Automaten einen Antrag zu sehen: Denn warum sollte sich der Automatenbetreiber hierdurch schon rechtlich binden wollen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.7.2021, 12:03:10

Hallo ihr beiden, ob die Störung für den Kunden erkennbar war, ist für die Vertreter dieser Auffassung tatsächlich unerheblich. Wie Simon (& Raimond) insoweit ausgeführt haben, wird hier vertreten, dass nach der Verkehrsanschauung (

§§ 133, 157 BGB

) das Angebot des Aufstellers unter einer dreifachen aufschiebenden Bedingung nach § 158 Abs. 1 BGB steht (ebenso vertretbar ist die auflösende Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB). Das heißt, wenn 1) der Automat leer ist, 2) der Automat eine Störung hat oder 3) der Automat unsachgemäß bedient wird, tritt die Wirksamkeit des Kaufvertrages nicht ein (bzw. entfällt rückwirkend). Aus diesem Grund haben wir hier auch verschiedene Fallkonstellationen gebildet (Snickers leer bzw. Automat defekt). Der Grund dafür, dass diese Konstruktion gewählt wird, liegt maßgeblich darin, dass es für den Automatenaufsteller regelmäßig irrelevant ist, mit wem er konktrahiert. Den Bedenken im Hinblick auf die Gebundenheit wird über die dreifache Bedingung entgegengetreten. Zugegebenermaßen ist dies aber stark vom Ende her gedacht und dogmatisch nur bedingt überzeugend. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

31.1.2022, 11:05:46

@[Lukas Mengestu](136780) Vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Sie wirft bei mir gleich weitere Fragen auf. Betrifft die aufschiebende Bedingungen die Wirksamkeit der Willenserklärung oder des Rechtsgeschäfts (Kaufvertrag)?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.1.2022, 16:00:13

@QuiGonTim, vielen Dank für die Rückfrage. Die Bedingungen beziehen sich direkt auf das Angebot selbst. Fehlt es an einer der Bedingungen, so liegt bereits kein Angebot vor und damit kommt im Ergebnis auch kein Kaufvertrag zustande. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

H. Schmidt von Church

H. Schmidt von Church

13.3.2022, 21:07:30

Unabhängig von der Erheblichkeit der Tatsache, könnte man das vernünftig im Sachverhalt anführen. M.E. ist der Umstand, dass im SV erst der Geldeinwurf erfolgt und dann erst die Information der störungsanzeige mitgeteilt wird, dass es sich so verhalten halt.

TI

Tim

26.11.2021, 01:48:14

Macht es einen Unterschied, ob die Störung vor Einwurf des Gelds oder danach auffällt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.11.2021, 10:56:37

Hallo Tim, in beiden Fällen läge nach herrschender Meinung kein wirksames Angebot des Automatenbetreibers vor. Auf die Kenntnisnahme der F kommt es insoweit nicht an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Arturio

Arturio

9.7.2022, 02:49:24

Hallo, ich glaube da ist was schief gelaufen. Der Fall stellt eine grundsätzliche Frage, ob das Aufstellen des Automaten ein Angebot darstellt. Die Antwort müsste ja sein. Die Lösung ist aber „nein, weil er nicht funktionieren“, was keinen Sinn macht. Müsste ja eigentlich zuerst ja heißen und dann die Frage, ob ein Vertrag zustande gekommen ist. Dann „nein“.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

20.7.2022, 16:35:28

Hallo Artur B., die Frage kann verwirrend sein ist aber richtig. Den tatsächlich sieht die h.M. in dem Aufstellen ein Angebot aber nur unter bestimmten Bedingungen. Unter anderem wird vorausgesetzt, dass der Automat ordnungsgemäß funktioniert, ansonsten liege auch kein Angebot vor nach der herrschenden Meinung. Da vorliegend der Automat defekt ist, ist auch nicht durch das Aufstellen ein Angebot abgegeben worden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

MAR

Martin

29.9.2022, 09:23:40

Für mich wäre hier zu prüfen, ob vor dem Einwerfen des Geldes ersichtlich war, dass er nicht funktioniert. Im Text wird das erst erwähnt, nachdem das Geld eingeworfen wurde. Fand ich etwas verwirrend, habe aber die Kernaussage verstanden.

Snow

Snow

20.4.2023, 12:34:26

Ja eben, wie soll die Fehlfunktion, welche sich erst nach dem einwerfen des Geldes offenbart, zurückwirken? Ergibt irgendwie keinen Sinn. Entweder ist die Aufstellung das Angebot oder nicht, was danach mit einem einzelnen Kunden passiert kann das schlecht beeinflussen.

UN

Unterfertigter

8.3.2024, 12:18:05

Die hM geht also davon aus, dass jemand das Aufstellen eines Automaten nicht als Angebot begreifen darf, weil er nach Annahme feststellen würde, dass er seine Ware nicht bekommt. Ob ein Angebot vorliegt, lässt sich also vor dem Versuch einer konkludenten Annahme nicht ersehen. ME nicht vertretbar

DIAA

Diaa

1.8.2023, 20:08:37

Was ist ein antizipiertes Angebot?

LELEE

Leo Lee

2.8.2023, 14:38:37

Hallo Diaa, mit dem Begriff "antizipiertes" Angebot ist gemeint, dass der Automatenbetreiber ein Angebot an alle, die künftig mit dem Automaten in Kontakt kommen werden (ad incertas personas) - sprich noch etwas kaufen werden - "schon mal im Voraus" ein Angebot macht bzgl. der vorhandenen Produkte zum festgelegten Preis. Antizipiert deshalb, weil es "vorweggenommen" bedeutet :) Liebe Grüße Leo

LELEE

Leo Lee

2.8.2023, 16:39:42

@[Lukas_Mengestu](136780)


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